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Papstlicher Rat fur die Sozialen Kommunikationsmittel Ethik in der sozialen kommunikation IntraText CT - Text |
III. SOZIALE KOMMUNIKATION DIE DAS WOHL DES MENSCHEN VERLETZT
13. Die Medien können aber auch dazu benutzt werden, Gemeinschaft zu verhindern und das ganzheitliche Wohl von Menschen zu verletzen. Das geschieht, wenn sie Menschen entfremden oder an den Rand drängen und isolieren; wenn sie Menschen in entartete, um falsche, zerstörerische Werte gebildete Gemeinschaften hineinziehen; wenn sie Feindseligkeit und Konflikte fördern, andere dämonisieren und eine Gesinnung des "wir" gegen "sie" schaffen; wenn sie das Niedrige und Menschenunwürdige in einem falschen Glanz präsentieren, während sie von dem, was erhebt und adelt, entweder gar keine Notiz nehmen oder es herabsetzen; wenn sie Falschinformation und Desinformation verbreiten, Trivialisierung und Bagatellisierung fördern. Stereotypen bzw. Klischeevorstellungen — auf Grund rassischer und ethnischer Zugehörigkeit, des Geschlechts, des Alters und anderer Faktoren, einschlie ßlich der Religion — sind in den Massenmedien bedauerlicherweise allgemein verbreitet. Oft läßt die soziale Kommunikation auch unbeachtet, was wirklich neu und wichtig ist, einschließlich der Frohbotschaft des Evangeliums, und konzentriert sich auf das, was vorübergehend "in Mode" ist.
Mißbräuche gibt es in jedem der schon oben erwähnten Bereiche.
14. Wirtschaftlich. Die Medien werden manchmal zur Errichtung und Erhaltung von Wirtschaftssystemen benutzt, die der Gewinnsucht und Geldgier dienen. Ein typisches Beispiel ist der Neoliberalismus: "Gestützt auf eine rein ökonomische Auffassung vom Menschen, sieht er — zum Schaden der Würde und Achtung der einzelnen Menschen und der Völker — den Profit und das Gesetz des Marktes als seine einzigen Parameter an" (Johannes Paul II., Ecclesia in America, 156). Unter diesen Umständen werden die Kommunikationsmittel, die allen zugute kommen sollten, zum Vorteil einiger weniger ausgebeutet.
Der Globalisierungsprozeß kann "außergewöhnliche Möglichkeiten zu immer größerem Wohlstand" hervorbringen (Centesimus annus, 58); aber mit diesem Prozeß geht die Tatsache einher, ja gehört als Bestandteil zu ihm, daß manche Nationen und Völker unter Ausbeutung und Ausgrenzung leiden und dadurch im Kampf um Entwicklung immer weiter zurückfallen. Diese sich ausbreitenden Nester von Not und Elend inmitten des Überflusses sind Brutstätten von Neid, Ressentiment, Spannungen und Konflikten. Das unterstreicht den dringenden Bedarf an "wirksamen internationalen Kontrollund Leitungsorganen, die die Wirtschaft auf das Gemeinwohl hinlenken" (Centesimus annus, 58).
Angesichts schwerwiegender Ungerechtigkeiten darf es Medienschaffenden nicht genügen, einfach zu sagen, ihre Aufgabe bestehe darin, über die Dinge zu berichten, wie sie sind. Das ist zweifellos ihre Aufgabe. Aber es gibt Fälle von menschlichem Leid, die von den Medien weithin ignoriert werden, während über andere durchaus berichtet wird; und insofern das eine von den Medienschaffenden getroffene Entscheidung widerspiegelt, läßt sich darin eine nicht zu rechtfertigende Selektivität erkennen. In einem noch grundsätzlicheren Sinn sind Strukturen und Politik der Kommunikation sowie die Verteilung der erforderlichen Technologie Faktoren, die dazu beitragen, manche Menschen "informationsreich", andere aber "informationsarm" zu machen, und das in einer Zeit, wo der Wohlstand, ja das Überleben von der Information abhängen.
Auf diese Weise tragen dann die Medien oft zu den Ungerechtigkeiten und Unausgewogenheiten bei, die zu dem Leid führen, von dem sie berichten. "Es gilt, die Barrieren und Monopole zu durchbrechen, die so viele Völker am Rande der Entwicklung liegenlassen. Es gilt, für alle — einzelne und Nationen — die Grundbedingungen für die Teilnahme an der Entwicklung sicherzustellen" (Centesimus annus, 35). Kommunikation und Informationstechnologie, Hand in Hand mit entsprechender Ausbildung zu ihrem Gebrauch, ist eine dieser Grundbedingungen.
15. Politisch. Skrupellose Politiker benutzen die Massenmedien für ihre Demagogie und Täuschung zur Unterstützung der Unrechtma ßnahmen und Unterdrückung in Gewaltregimen. Sie schalten Gegner aus und entstellen und unterdrücken durch Propaganda und Verdrehung systematisch die Wahrheit. Anstatt die Menschen zusammenzubringen, dienen die Medien dann dazu, sie voneinander zu trennen, indem sie Spannungen und Verdächtigungen und damit die Voraussetzung für Konflikte erzeugen.
Selbst in Ländern mit demokratischen Systemen ist es ganz normal, daß führende Politiker die öffentliche Meinung mit Hilfe der Medien manipulieren, anstatt durch sachkundige Information die Teilnahme am politischen Prozeß zu fördern. Die Regeln der Demokratie werden zwar beachtet, doch aus dem Bereich von Werbung und Public Relations entlehnte Techniken werden im Namen einer Politik angewandt, die einzelne Gruppen ausbeutet und Grundrechte, einschließlich des Rechtes auf Leben, verletzt (vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, 70).
Oft machen die Massenmedien auch den ethischen Relativismus und Utilitarismus populär, die der heutigen Kultur des Todes zugrunde liegen. Sie machen sich häufig zu Komplizen der aktuellen "Verschwörung gegen das Leben", "indem sie jener Kultur, die die Anwendung der Empfängnisverhütung, der Sterilisation, der Abtreibung und selbst der Euthanasie als Zeichen des Fortschritts und als Errungenschaft der Freiheit hinstellt, in der öffentlichen Meinung Ansehen verschaffen, während sie Positionen, die bedingungslos für das Leben eintreten, als freiheits- und entwicklungsfeindlich beschreibten" (Evangelium vitae, 17).
16. Kulturell. Kritiker tadeln häufig die Oberflächlichkeit und den schlechten Geschmack der Medien; auch wenn ihre Darbietungen nicht freudlos und langweilig zu sein brauchen, sollten sie jedoch auch nicht geschmacklos und herabwürdigend sein. Zu sagen, die Medien spiegeln die Standards des Publikums wider, ist keine Entschuldigung; denn die Medien beeinflussen ja auch nachdrücklich die Meinungen des Publikums und sind deshalb geradezu verpflichtet, die Maßstäbe zu heben und nicht zu senken.
Das Problem nimmt verschiedene Formen an. Anstatt komplizierte Angelegenheiten sorgfältig und wahrheitsgemäß zu erklären, weichen die Nachrichtenmedien ihnen aus oder vergröbern sie. Die Unterhaltungsmedien produzieren zersetzende, enthumanisierende Darbietungen, wozu auch die ausbeuterische Behandlung von Sexualität und Gewalt gehört. Es ist äußerst verantwortungslos, zu ignorieren oder als unwesentlich abzutun, daß "Pornographie und sadistische Gewaltanwendung entarteter Sexualität die menschlichen Beziehungen verderben, das Ehe- und Familienleben untergraben, antisoziales Verhalten fördern und den moralischen Zusammenhalt der Gesellschaft aufweichen" (Päpstlicher Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel, Pornographie und Gewalt in den Kommunikationsmedien. Eine pastorale Antwort, 10).
Auf internationaler Ebene ist auch die durch die sozialen Kommunikationsmedien ausgeübte kulturelle Vorherrschaft ein wachsendes ernstes Problem. Traditionelle kulturelle Ausdrucksformen werden manchenorts vom Zugang zu den Publikums-Medien praktisch ausgeschlossen und stehen vor der Auslöschung; unterdessen verdrängen die Werte der säkularisierten Wohlstandsgesellschaften in zunehmendem Maße die althergebrachten Werte von Gesellschaften, die ärmer und schwächer sind. In Anbetracht dieser Situation sollte besondere Aufmerksamkeit darauf verwendet werden, Kinder und Jugendliche mit Medienangeboten zu versorgen, die sie in lebendigen Kontakt mit ihrem Kulturerbe bringen.
Kommunikation über die Kulturgrenzen hinweg ist wünschenswert. Die Gesellschaften können und sollten voneinander lernen. Doch sollte kulturübergreifende Kommunikation nicht auf Kosten der Schwächeren gehen. Heute "sind selbst die am wenigsten verbreiteten Kulturen nicht mehr isoliert. Sie profitieren von vermehrten Kontakten, leiden aber auch unter dem Druck eines starken Trends zu Gleichförmigkeit" (Päpstlicher Rat für die Kultur, Für eine Pastoral für die Kultur, 33). Der Umstand, daß nun soviel Kommunikation nur in eine Richtung — nämlich von den entwickelten Nationen zu den in Entwicklung befindlichen und zu den armen Ländern — fließt, wirft ernsthafte ethische Fragen auf. Haben die Reichen nichts von den Armen zu lernen? Sind die Starken taub für die Stimmen der Schwachen?
17. Erzieherisch. Die Medien können, anstatt das Lernen zu fördern, die Menschen zerstreuen und ablenken und sie zur Zeitverschwendung veranlassen. Kinder und Jugendliche kommen auf diese Weise besonders zu Schaden, aber auch Erwachsene leiden darunter, seichten, minderwertigen und kitschigen Medienangeboten ausgesetzt zu sein. Eine der Ursachen dieses Vertrauensmi ßbrauchs durch die Medienschaffenden ist die Geldgier, der es mehr um den Profit als um die Menschen geht.
Manchmal werden die Medien auch als Werkzeuge der Indoktrination eingesetzt, um das Wissen der Menschen zu kontrollieren und ihnen den Zugang zu der Information zu verwehren, die sie nach dem Willen der zuständigen Stellen nicht erhalten sollen. Das ist eine Entartung echter Erziehung, die ja bestrebt ist, das Wissen und die Fähigkeiten der Menschen zu erweitern und ihnen bei der Verfolgung wertvoller Ziele behilflich zu sein, nicht aber ihren Horizont einzuengen und ihre Kräfte in den Dienst einer Ideologie einzuspannen.
18. Religiös. Im Beziehungsverhältnis zwischen der Medien-Kommunikation und der Religion gibt es auf beiden Seiten Versuchungen.
Auf der Seite der Medien treten diese Versuchungen folgendermaßen in Erscheinung: Die Medien ignorieren religiöse Ideen und Erfahrungen oder drängen sie ins Abseits; sie behandeln Religion mit Verständnislosigkeit, vielleicht sogar Verachtung, als ein Objekt der Neugier, das keine ernsthafte Beachtung verdient; sie fördern auf Kosten des überlieferten Glaubens religiöse Modetorheiten; sie gehen mit anerkannten religiösen Gruppen feindselig um; sie wägen die Angemessenheit von Religion und religiöser Erfahrung nach weltlichen Maßstäben ab und begünstigen religiöse Ansichten, die dem weltlichen Geschmack entsprechen, gegenüber jenen, die das nicht tun; sie versuchen, die Transzendenz in die Grenzen des Rationalismus und Skeptizismus einzuschließen. Die heutigen Medien spiegeln oft den postmodernen Zustand eines menschlichen Geistes wider, "der in die Grenzen seiner Immanenz eingeschlossen ist, ohne irgendeinen Bezug zur Transzendenz zu haben" (Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 81).
Die Versuchungen auf der Seite der Religion sehen so aus: Die Religion macht sich von den Medien ein ausschließlich verurteilendes und negatives Bild; sie kann nicht verstehen, daß vernünftige Maßstäbe einer guten Medienpraxis wie Objektivität und Unparteilichkeit eine Sonderbehandlung für institutionelle Interessen der Religion ausschließen können; sie bietet religiöse Botschaften auf eine emotionale, manipulative Art an, als handelte es sich um Konkurrenzerzeugnisse im Überangebot eines Marktes; sie gebraucht die Medien als Instrumente für Kontrolle und Vorherrschaft; sie übt unnötige Heimlichtuerei und verstößt andererseits gegen die Wahrheit; sie spielt die Forderung des Evangeliums nach Umkehr, Buße und einer Besserung des Lebens herunter, während sie an deren Stelle eine farblose Religiosität setzt, die den Menschen wenig abverlangt; sie unterstützt Fundamentalismus, Fanatismus und religiöse Exklusivität, Haltungen, die Verachtung und Feindseligkeit gegenüber anderen nähren.
19. Kurz gesagt, die Medien können für gute oder schlechte Zwecke benutzt werden — das ist eine Frage der getroffenen Entscheidung. "Man darf niemals vergessen, daß mediale Kommunikation nicht ein utilitaristisches Tun ist, einfach darauf gerichtet, zu motivieren, zu überreden oder zu verkaufen. Noch weniger ist sie ein Vermittler für Ideologie. Die Medien können gelegentlich die Menschen auf Konsumeinheiten oder konkurrierende Interessengruppen reduzieren oder Zuschauer, Leser und Hörer als bloße Zahlen manipulieren, von denen man sich einen Vorteil verspricht - ob Verkauf von Produkten oder politische Unterstützung; all das zerstört die Gemeinschaft. Es ist die Aufgabe von Kommunikation, Menschen zusammenzubringen sowie ihr Leben zu bereichern, und nicht, sie zu isolieren und auszubeuten. Die Mittel der sozialen Kommunikation können — richtig genutzt — dazu beitragen, eine menschliche Gemeinschaft zu schaffen und aufrechtzuerhalten, die auf Gerechtigkeit und Liebe beruht; und insoweit sie das tun, werden sie Zeichen der Hoffnung sein" (Johannes Paul II., Botschaft zum 32. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 1998).