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Papstlicher Rat fur die Sozialen Kommunikationsmittel
Ethik in der sozialen kommunikation

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V. SCHLUß

27. Am Beginn des dritten christlichen Jahrtausends ist die Menschheit daran, ein weltumspannendes Netzwerk zu schaffen für die unverzügliche Übermittlung von Informationen, Gedanken und Werturteilen zu Wissenschaft, Handel, Erziehung, Unterhaltung, Politik, Kunst, Religion und jedem anderen Bereich.

Dieses Netzwerk ist bereits vielen Menschen zugänglich: zu Hause, in den Schulen und am Arbeitsplatz, ja, in der Tat überall, wo sie sich aufhalten. Es ist eine Alltäglichkeit, sich Ereignisse — von Sportveranstaltungen bis hin zu Kriegen —, die sich zeitgleich auf der anderen Seite des Planeten abspielen, auf dem Bildschirm anzuschauen. Man hat direkten Zugriff auf Datenbestände, die für viele Gelehrte und Studenten noch vor kurzem unerreichbar waren. Ein Einzelner kann die Höhen menschlichen Geistes und menschlicher Tugend erklimmen oder aber in den Abgrund menschlicher Erniedrigung stürzen, während er allein vor einem "Monitor" (Computer-Tastatur und Bildschirm) sitzt. Die Kommunikationstechnologie erzielt ständig neue Durchbrüche mit einem enormen Potential für Gutes und Schlechtes bei der Anwendung. Mit zunehmender Interaktion verwischt sich die Unterscheidung zwischen Medienschaffenden und -rezipienten. Notwendig ist eine ständige Untersuchung bezüglich der Auswirkungen und insbesondere der ethischen Folgen der neu auftauchenden Medien.

28. Aber trotz ihrer ungeheuren Macht sind die Kommunikationsmittel nur Medien und werden es auch bleiben, das hei ßt Instrumente, Werkzeuge, die für gute wie für schlechte Verwendung zur Verfügung stehen. Die Medien erfordern keine neue Ethik; sie erfordern die Anwendung bereits festgelegter ethischer Prinzipien auf die neue Situation. Und das ist eine Aufgabe, in der jeder eine Rolle zu spielen hat. Ethik in den Medien ist nicht eine Aufgabe, die allein die Spezialisten angeht, seien es Spezialisten in sozialer Kommunikation oder Spezialisten in Moralphilosophie; vielmehr muß es zu einem eingehenden, alle Beteiligten einschließenden Nachdenken und Dialog kommen, den dieses Dokument anzuregen und zu unterstützen sucht.

29. Die sozialen Kommunikationsmittel können Menschen in Gemeinschaften verbinden, wo Sympathie und gemeinsame Interessen herrschen. Werden diese Gemeinschaften von Gerechtigkeit, Anstand und Achtung vor den Menschenrechten geprägt sein, werden sie sich um das Gemeinwohl bemühen? Oder werden sie egoistisch und selbstbezogen sein, auf Kosten anderer dem Nutzen einzelnerwirtschaftlicher, rassischer, politischer und religiöserGruppen verpflichtet? Wird die neue Technologie allen Nationen und Völkern dienen, während sie die Kulturtraditionen eines jeden von ihnen respektiert? Oder wird sie ein Werkzeug sein, um die Reichen noch reicher und die Mächtigen noch mächtiger zu machen? Die Entscheidung liegt bei uns.

Die Kommunikationsmittel können auch dazu mißbraucht werden, um zu trennen und zu isolieren. Die Technologie erlaubt es Menschen zunehmend, Pakete von Informationen und Dienstleistungen zusammenzustellen, die einzig und allein für sie bestimmt sind. Darin liegen echte Vorteile, es erhebt sich jedoch eine unausweichliche Frage: Wird das Massenmedienpublikum der Zukunft aus einer Menge von Leuten bestehen, die nur auf einen hören? Auch wenn die neue Technologie die individuelle Selbständigkeit zu fördern vermag, hat sie andere, weniger wünschenswerte Folgen. Statt eine die ganze Welt umspannende Gemeinschaft zu bilden, könnte sich das "Netz" der Zukunft als ein riesiges, aufgesplittertes Netzwerk isolierter Individuen entpuppenmenschliche Wesen in ihren Zellen, die sich statt untereinander mit Daten austauschen? Was würde in einer solchen Welt aus der Solidarität, was würde aus der Liebe werden?

Die menschliche Kommunikation hat bestenfalls ernste Grenzen, ist mehr oder weniger unvollkommen und in der Gefahr zu scheitern. Es ist für die Menschen mühsam, sich konsequent auf ehrliche Weise so untereinander auszutauschen, daß kein Schaden angerichtet und den besten Interessen aller gedient wird. In der Welt der Massenmedien werden zudem die der Kommunikation innewohnenden Schwierigkeiten oft durch Ideologien, durch Profitgier und politische Kontrolle, durch Rivalitäten und Konflikte zwischen Gruppen und durch andere gesellschaftliche Mißstände noch verstärkt. Die heutigen Medien steigern zwar enorm die Leistungsfähigkeit und Reichweite, die Quantität und Geschwindigkeit der Kommunikation; aber sie machen die Disposition des Geistes für den Geist eines anderen, des Herzens für das Herz eines anderen nicht weniger zerbrechlich, nicht weniger empfindlich, nicht weniger anfällig für ein Scheitern.

30. Die besonderen Beiträge, welche die Kirche in die Diskussion über diese Fragen einbringt, bestehen, wie wir schon gesagt haben, in einer Auffassung von der menschlichen Person und ihrer unvergleichlichen Würde, ihren unverletzbaren Rechten und in einer Auffassung von der menschlichen Gemeinschaft, deren Glieder durch die Tugend der Solidarität beim Streben nach dem gemeinsamen Wohl aller untereinander verbunden sind. Diese beiden Sichtweisen sind besonders dringend erforderlich zu einer Zeit, wo man "die Bruchstückhaftigkeit von Angeboten feststellen mu ß, die unter der Vortäuschung der Möglichkeit, zum wahren Sinn des Daseins zu gelangen, das Vergängliche zum Wert erheben. So kommt es, da ß viele ihr Leben fast bis an den Rand des Abgrunds dahinschleppen, ohne zu wissen, worauf sie eigentlich zugehen" (Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 6).

Angesichts dieser Krise erscheint die Kirche als "erfahren in den Fragen, die den Menschen betreffen", und diese Erfahrung "veranlaßt sie, ihre religiöse Sendung notwendigerweise auf die verschiedenen Bereiche auszudehnen", in denen Menschen wirken (Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 41; vgl. Paul VI., Populorum progressio, 13). Sie darf die Wahrheit über den Menschen und die menschliche Gemeinschaft nicht für sich behalten; sie muß sie frei mit anderen teilen und sich dabei immer bewußt sein, daß die Menschen nein sagen können zur Wahrheit und zur Kirche.

Während die Kirche darum bemüht ist, hohe ethische Standards beim Umgang mit den sozialen Kommunikationsmitteln nachhaltig zu fördern, sucht sie den Dialog und die Zusammenarbeit mit anderen: mit Inhabern öffentlicher Ämter, zu deren besonderer Pflicht der Schutz und die Förderung des Gemeinwohls der politischen Gemeinschaft gehört; mit Männern und Frauen aus der Welt der Kultur und der Künste; mit Wissenschaftlern und Lehrern, die in der Ausbildung der Medienschaffenden und des Publikums der Zukunft arbeiten; mit Mitgliedern anderer Kirchen und religiöser Gruppen, die den Wunsch der Kirche teilen, daß die Medien zur Ehre Gottes und zum Dienst an der Menschheit eingesetzt werden (vgl. Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel, Richtlinien für die ökumenische und interreligiöse Zusammenarbeit im Kommunikationswesen); und besonders mit den Medienschaffenden, also Autoren, Redakteuren, Reportern, Korrespondenten, Schauspielern, Produzenten, dem technischen Personal, zusammen mit den Eigentümern, Geschäftsführern und Entscheidungsträgern in diesem Bereich.

31. Die menschliche Kommunikation hat trotz ihrer Grenzen etwas vom schöpferischen Tun Gottes an sich. "Der göttliche Künstler kommt dem menschlichen Künstler" — und wir könnten sagen, auch dem Medienschaffenden — "liebevoll entgegen und gibt ihm einen Funken seiner überirdischen Weisheit weiter, indem er ihn dazu beruft, an seiner Schöpfungskraft teilzuhaben"; wenn Künstler und Medienschaffende das begreifen, können sie "sich selbst, ihre Berufung und ihre Sendung in letzter Tiefe erfassen" (Johannes Paul II., Brief an die Künstler, 1).

Der christliche Medienschaffende hat insbesondere eine prophetische Aufgabe, eine Berufung: Er muß sich klar und deutlich gegen die falschen Götter und Idole von heuteMaterialismus, Hedonismus, Konsumdenken, engherziger Nationalismus usw. — aussprechen, indem er für alle sichtbar einen Bestand moralischer Wahrheit hochhält, der gegründet ist auf die Würde und die Rechte des Menschen, auf die Präferenz-Option für die Armen, auf die universale Bestimmung der Güter, auf die Liebe zu den Feinden und auf die bedingungslose Achtung vor jedem menschlichen Leben, vom Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod; und indem er sich die vollkommenere Verwirklichung des Reiches Gottes in der Welt zum Ziel setzt, während ihm bewußt bleibt, daß am Ende der Zeiten Jesus alle Dinge wiederherstellen und sie wieder dem Vater übergeben wird (vgl. 1 Kor 15,24).

32. Auch wenn diese Überlegungen an alle Menschen guten Willens, nicht nur an die Katholiken gerichtet sind, erscheint es angemessen, zum Abschluß von Jesus als Vorbild für die Medienschaffenden zu sprechen. "In dieser Endzeit" hat Gott der Vater "zu uns gesprochen durch den Sohn" (Hebr 1,2); und dieser Sohn teilt uns jetzt und immer die Liebe des Vaters und den letzten Sinn unseres Lebens mit.

"Während seines Erdenwandels erwies sich Christus als Meister der Kommunikation. In der Menschwerdung nahm er die Natur derer an, die einmal die Botschaft, welche in seinen Worten und seinem ganzen Leben zum Ausdruck kam, empfangen sollten. Er sprach ihnen aus dem Herzen, ganz in ihrer Mitte stehend. Er verkündete die göttliche Botschaft verbindlich, mit Macht und ohne Kompromiß. Andererseits glich er sich ihnen in der Art und Weise des Redens und Denkens an, da er aus ihrer Situation heraus sprach" (Communio et progressio, 11).

Während des öffentlichen Lebens Jesu strömten die Menschen zusammen, um ihn predigen und lehren zu hören (vgl. Mt 8,1, 18; Mk 2,2; 4,1; Lk 5,1 usw.), und er lehrte sie "wie einer, der (göttliche) Vollmacht hat" (Mt 7,29; vgl. Mk 1,22; Lk 4,32). Er erzählte ihnen über den Vater und verwies zugleich auf sich selbst, indem er erklärte: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6) und "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen" (Joh 14,9). Er verschwendete keine Zeit mit müßigem Gerede oder mit seiner Selbstverteidigung, auch nicht, als er angeklagt und verurteilt wurde (vgl. Mt 26,63; 27,12-14; Mk 15,5; 15,61). Denn seine "Nahrung" war es, den Willen des Vaters zu tun, der ihn gesandt hat (Joh 4,34), und mit allem, was er sagte und tat, nahm er darauf Bezug.

Jesus verkündete seine Lehre oft in Form von Gleichnissen oder lebendigen Geschichten, die tiefe Wahrheiten in einer einfachen Alltagssprache zum Ausdruck brachten. Nicht nur seine Worte, sondern seine Taten, insbesondere seine Wunder, waren Akte der Kommunikation, durch die er die Aufmerksamkeit auf seine Identität lenkte und die Macht Gottes offenbarte (vgl. Paul VI., Evangelii nuntiandi, 12). In seinen Botschaften bewies er Achtung vor seinen Zuhörern, teilnehmendes Interesse für ihre Situation und ihre Bedürfnisse, Mitleid für ihre Leiden (vgl. Lk 7,13) und die feste Entschlossenheit, ihnen das, was sie zu hören nötig hatten, auf eine Weise zu sagen, die ihre Aufmerksamkeit anziehen und ihnen helfen würde, ohne Zwang oder Kompromiß, ohne Täuschung oder Manipulation die Botschaft zu empfangen. Andere lud er ein, ihm ihre Herzen und Sinne zu öffnen, denn er wußte, daß sie auf diese Weise zu ihm und zum Vater hingezogen werden würden (vgl. Joh 3,1-15; 4,7-26).

Jesus lehrte, daß Kommunikation ein moralischer Akt ist: "Denn wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund. Ein guter Mensch bringt Gutes hervor, weil er Gutes in sich hat, und ein böser Mensch bringt Böses hervor, weil er Böses in sich hat. Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen; denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen, und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden" (Mt 12, 34-37). Er warnte streng davor, die "Kleinen" zum Bösen zu verführen, und sagte, für einen, der das tut, "wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde" (Mk 9,42; vgl. Mt 18.6; Lk 17,2). Er war ganz und gar rein, ein Mensch, von dem gesagt werden konnte, "in seinem Mund war kein trügerisches Wort", und: "Er wurde geschmäht, schmähte aber nicht; er litt, drohte aber nicht, sondern überließ seine Sache dem gerechten Richter" (1 Petr 2,22-23). Er verlangte von den anderen Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit und verurteilte Heuchelei, Unehrlichkeit und jede Art von betrügerischer, falscher Mitteilung: "Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen" (Mt 5,37).

33. Jesus ist Vorbild und Maßstab für unsere Kommunikation. Für alle, die im Bereich der sozialen Kommunikationsmittel engagiert sind, seien es die Politiker und Entscheidungsträger oder die Medienschaffenden, die Medien-Rezipienten oder die Inhaber irgendeiner anderen Rolle, ist die Schlußfolgerung klar: "Legt deshalb die Lüge ab, und redet untereinander die Wahrheit; denn wir sind als Glieder miteinander verbunden... Uber eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es hört, Nutzen bringt" (Eph 4,25.29). Der Dienst am Menschen, der Aufbau einer auf Solidarität, Gerechtigkeit und Liebe gegründeten menschlichen Gemeinschaft und das Aussprechen der Wahrheit über das menschliche Leben und seine endgültige Erfüllung in Gott waren, sind und bleiben der eigentliche Kern der Ethik in der sozialen Kommunikation.

Vatikanstadt, 4. Juni 2000, Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel, Jubiläum der Journalisten.

John P. Foley
Präsident

Pierfranco Pastore
Sekretar




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