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Chamisso, Adelbert von
Peter Schlemihls wundersame Geschichte
IntraText CT - Text
II.
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II
.
Ich
kam
endlich
wieder zu
Sinnen
, und
eilte
, diesen
Ort
zu
verlassen
, wo ich
hoffentlich
nichts mehr zu tun hatte. Ich
füllte
erst
meine
Taschen
mit
Gold
, dann
band
ich mir die
Schnüre
des
Beutels
um den
Hals
fest
, und
verbarg
ihn
selbst auf meiner
Brust
. Ich
kam
unbeachtet
aus dem
Park
,
erreichte
die
Landstraße
, und
nahm
meinen
Weg
nach der
Stadt
. Wie ich in
Gedanken
dem
Tore
zu
ging
,
hört
ich hinter mir
schreien
: "
Junger
Herr
!
he
!
junger
Herr
!
hören
Sie doch!" - Ich
sah
mich um, ein
altes
Weib
rief
mir nach: "
Sehe
sich der
Herr
doch
vor
, Sie haben Ihren
Schatten
verloren
." - "
Danke
,
Mütterchen
!" ich
warf
ihr ein
Goldstück
für
den
wohlgemeinten
Rat
hin, und
trat
unter die
Bäume
.
Am
Tore
mußt
ich
gleich
wieder von der
Schildwacht
hören
: "Wo hat der
Herr
seinen
Schatten
gelassen
?" und
gleich
wieder darauf von ein
paar
Frauen
: "
Jesus
Maria
! der
arme
Mensch
hat
keinen
Schatten
!" Das
fing
an mich zu
verdrießen
, und ich
vermied
sehr
sorgfältig
, in die
Sonne
zu
treten
. Das
ging
aber nicht
überall
an, zum
Beispiel
nicht über die
Breitestraße
, die ich
zunächst
durchkreuzen
mußte
, und zwar, zu
meinem
Unheil
, in
eben
der
Stunde
, wo die
Knaben
aus der
Schule
gingen
. Ein
verdammter
buckeliger
Schlingel
, ich
seh
ihn
noch, hatte es
gleich
weg
, daß mir ein
Schatten
fehle
. Er
verriet
mich mit
großem
Geschrei
der
sämtlichen
literarischen
Straßenjugend
der
Vorstadt
,
welche
sofort
mich zu
rezensieren
und mit
Kot
zu
bewerfen
anfing
: "
Ordentliche
Leute
pflegten
ihren
Schatten
mit sich zu
nehmen
, wenn sie in die
Sonne
gingen
." Um sie von mir
abzuwehren
,
warf
ich
Gold
zu
vollen
Händen
unter sie, und
sprang
in einen
Mietswagen
, zu dem mir
mitleidige
Seelen
verhalfen
.
Sobald
ich mich in der
rollenden
Kutsche
allein
fand
,
fing
ich
bitterlich
an zu
weinen
. Es
mußte
schon die
Ahnung
in mir
aufsteigen
: daß, um so viel das
Gold
auf
Erden
Verdienst
und
Tugend
überwiegt
, um so viel der
Schatten
höher
als selbst das
Gold
geschätzt
werde
; und wie ich
früher
den
Reichtum
meinem
Gewissen
aufgeopfert
, hatte ich jetzt den
Schatten
für
bloßes
Gold
hingegeben
; was konnte, was
sollte
auf
Erden
aus mir werden!
Ich war noch sehr
verstört
, als der
Wagen
vor
meinem
alten
Wirtshause
hielt
; ich
erschrak
über die
Vorstellung
, nur noch
jenes
schlechte
Dachzimmer
zu
betreten
. Ich
ließ
mir meine
Sachen
herabholen
,
empfing
den
ärmlichen
Bündel
mit
Verachtung
,
warf
einige
Goldstücke
hin, und
befahl
,
vor
das
vornehmste
Hotel
vorzufahren
. Das
Haus
war gegen
Norden
gelegen
, ich hatte die
Sonne
nicht zu
fürchten
. Ich
schickte
den
Kutscher
mit
Gold
weg
,
ließ
mir die
besten
Zimmer
vorn
heraus
anweisen
, und
verschloß
mich darin,
sobald
ich konnte.
Was
denkest
Du, das ich nun
anfing
? -
Omein
lieber
Chamisso
, selbst
vor
Dir es zu
gestehen
,
macht
mich
erröten
. Ich
zog
den
unglücklichen
Seckel
aus meiner
Brust
hervor
, und mit einer
Art
Wut
, die, wie eine
flackernde
Feuersbrunst
, sich in mir durch sich selbst
mehrte
,
zog
ich
Gold
daraus, und
Gold
, und
Gold
, und immer mehr
Gold
, und
streute
es auf den
Estrich
, und
schritt
darüber
hin, und
ließ
es
klirren
, und
warf
, mein
armes
Herz
an dem
Glanze
, an dem
Klange
weidend
, immer des
Metalles
mehr zu dem
Metalle
, bis ich
ermüdet
selbst auf das
reiche
Lager
sank
und
schwelgend
darin
wühlte
, mich
darüber
wälzte
. So
verging
der
Tag
, der
Abend
, ich
schloß
meine
Tür
nicht auf, die
Nacht
fand
mich
liegend
auf dem
Golde
, und darauf
übermannte
mich der
Schlaf
.
Da
träumt
' es mir von Dir, es
ward
mir, als
stünde
ich hinter der
Glastüre
Deines
kleinen
Zimmers
, und
sähe
Dich von
da
an Deinem
Arbeitstische
zwischen einem
Skelet
und einem
Bunde
getrockneter
Pflanzen
sitzen
,
vor
Dir
waren
Haller
,
Humboldt
und
Linné
aufgeschlagen
, auf Deinem
Sofa
lagen
ein
Band
Goethe
und der "
Zauberring
", ich
betrachtete
Dich
lange
und jedes
Ding
in Deiner
Stube
, und dann Dich wieder, Du
rührtest
Dich aber nicht, Du
holtest
auch nicht
Atem
, Du
warst
tot
.
Ich
erwachte
. Es
schien
noch sehr
früh
zu
sein
. Meine
Uhr
stand
. Ich war wie
zerschlagen
,
durstig
und
hungrig
auch noch; ich hatte seit dem
vorigen
Morgen
nichts
gegessen
. Ich
stieß
von mir mit
Unwillen
und
Überdruß
dieses
Gold
, an dem ich
kurz
vorher
mein
törichtes
Herz
gesättiget
; nun
wußt
ich
verdrießlich
nicht, was ich damit
anfangen
sollte
. Es
durfte
nicht so
liegen
bleiben
- ich
versuchte
, ob es der
Beutel
wieder
verschlingen
wollte
- Nein.
Keines
meiner
Fenster
öffnete
sich über die
See
. Ich
mußte
mich
bequemen
, es
mühsam
und mit
sauerm
Schweiß
zu einem
großen
Schrank
, der in einem
Kabinet
stand
, zu
schleppen
, und es darin zu
verpacken
. Ich
ließ
nur einige
Handvoll
da
liegen
. Nachdem ich mit der
Arbeit
fertig
geworden
,
legt
ich mich
erschöpft
in einen
Lehnstuhl
, und
erwartete
, daß sich
Leute
im
Hause
zu
regen
anfingen
. Ich
ließ
,
sobald
es
möglich
war, zu
essen
bringen
und den
Wirt
zu mir
kommen
.
Ich
besprach
mit diesem
Manne
die
künftige
Einrichtung
meines
Hauses
. Er
empfahl
mir
für
den
näheren
Dienst
um meine
Person
einen
gewissen
Bendel
, dessen
treue
und
verständige
Physiognomie
mich
gleich
gewann
.
Derselbe
wars
, dessen
Anhänglichkeit
mich
seither
tröstend
durch das
Elend
des
Lebens
begleitete
und mir mein
düstres
Los
ertragen
half
. Ich
brachte
den
ganzen
Tag
auf meinen
Zimmern
mit
herrenlosen
Knechten
,
Schustern
,
Schneidern
und
Kaufleuten
zu, ich
richtete
mich ein, und
kaufte
besonders
sehr viele
Kostbarkeiten
und
Edelsteine
, um nur etwas des
vielen
aufgespeicherten
Goldes
los
zu werden; es
schien
mir aber
gar
nicht, als
könne
der
Haufen
sich
vermindern
.
Ich
schwebte
indes
über meinen
Zustand
in den
ängstigendsten
Zweifeln
. Ich
wagte
keinen
Schritt
aus meiner
Tür
und
ließ
abends
vierzig
Wachskerzen
in
meinem
Saal
anzünden
,
bevor
ich aus dem
Dunkel
heraus
kam
. Ich
gedachte
mit
Grauen
des
fürchterlichen
Auftrittes
mit den
Schulknaben
. Ich
beschloß
, so viel
Mut
ich auch dazu
bedurfte
, die
öffentliche
Meinung
noch
einmal
zu
prüfen
. - Die
Nächte
waren
zu der
Zeit
mondhell
.
Abends
spät
warf
ich einen
weiten
Mantel
um,
drückte
mir den
Hut
tief
in die
Augen
, und
schlich
,
zitternd
wie ein
Verbrecher
, aus dem
Hause
.
Erst
auf einem
entlegenen
Platz
trat
ich aus dem
Schatten
der
Häuser
, in deren
Schutz
ich so
weit
gekommen
war, an das
Mondeslicht
hervor
;
gefaßt
, mein
Schicksal
aus dem
Munde
der
Vorübergehenden
zu
vernehmen
.
Erspare
mir,
lieber
Freund
, die
schmerzliche
Wiederholung
alles dessen, was ich
erdulden
mußte
. Die
Frauen
bezeugten
oft
das
tiefste
Mitleid
, das ich ihnen
einflößte
;
Äußerungen
, die mir die
Seele
nicht
minder
durchbohrten
, als der
Hohn
der
Jugend
und die
hochmütige
Verachtung
der
Männer
,
besonders
solcher
dicken
,
wohlbeleibten
, die selbst einen
breiten
Schatten
warfen
. Ein
schönes
,
holdes
Mädchen
, die, wie es
schien
, ihre
Eltern
begleitete
,
indem
diese
bedächtig
nur
vor
ihre
Füße
sahen
,
wandte
von
ungefähr
ihr
leuchtendes
Auge
auf mich; sie
erschrak
sichtbarlich
,
da
sie meine
Schattenlosigkeit
bemerkte
,
verhüllte
ihr
schönes
Antlitz
in ihren
Schleier
,
ließ
den
Kopf
sinken
, und
ging
lautlos
vorüber
.
Ich
ertrug
es
länger
nicht.
Salzige
Ströme
brachen
aus meinen
Augen
, und mit
durchschnittenem
Herzen
zog
ich mich
schwankend
ins
Dunkel
zurück
. Ich
mußte
mich an den
Häusern
halten
, um meine
Schritte
zu
sichern
, und
erreichte
langsam
und
spät
meine
Wohnung
.
Ich
brachte
die
Nacht
schlaflos
zu. Am
andern
Tage
war meine
erste
Sorge
, nach dem
Manne
im
grauen
Rocke
überall
suchen
zu
lassen
. Vielleicht
sollte
es mir
gelingen
,
ihn
wieder zu
finden
, und wie
glücklich
! wenn
ihn
, wie mich, der
törichte
Handel
gereuen
sollte
. Ich
ließ
Bendel
vor
mich
kommen
, er
schien
Gewandtheit
und
Geschick
zu
besitzen
, - ich
schilderte
ihm
genau
den Mann, in dessen
Besitz
ein
Schatz
sich
befand
, ohne den mir das
Leben
nur eine
Qual
sei
. Ich
sagte
ihm
die
Zeit
, den
Ort
, wo ich
ihn
gesehen
;
beschrieb
ihm
alle, die
zugegen
gewesen
, und
fügte
dieses
Zeichen
noch hinzu: er
solle
sich nach einem
Dollondschen
Fernrohr
, nach einem
golddurchwirkten
türkischen
Teppich
, nach einem
Prachtlustzelt
, und
endlich
nach den
schwarzen
Reithengsten
genau
erkundigen
, deren
Geschichte
, ohne zu
bestimmen
wie, mit der des
rätselhaften
Mannes
zusammenhänge
,
welcher
allen
unbedeutend
geschienen
, und dessen
Erscheinung
die
Ruhe
und das
Glück
meines
Lebens
zerstört
hatte.
Wie ich
ausgeredet
,
holt
ich
Gold
her, eine
Last
, wie ich sie nur zu
tragen
vermochte
, und
legte
Edelsteine
und
Juwelen
noch hinzu
für
einen
größern
Wert
. "
Bendel
",
sprach
ich, "dieses
ebnet
viele
Wege
und
macht
vieles
leicht
, was
unmöglich
schien
;
sei
nicht
karg
damit, wie ich es nicht bin,
sondern
geh, und
erfreue
deinen
Herrn
mit
Nachrichten
, auf denen seine
alleinige
Hoffnung
beruht
."
Er
ging
.
Spät
kam
er und
traurig
zurück
. Keiner von den
Leuten
des
Herrn
John
, keiner von seinen
Gästen
, er hatte alle
gesprochen
,
wußte
sich nur
entfernt
an den Mann im
grauen
Rocke
zu
erinnern
. Der
neue
Teleskop
war
da
, und keiner
wußte
, wo er
hergekommen
; der
Teppich
, das
Zelt
waren
da
noch auf demselben
Hügel
ausgebreitet
und
aufgeschlagen
, die
Knechte
rühmten
den
Reichtum
ihres
Herrn
, und keiner
wußte
, von
wannen
diese
neuen
Kostbarkeiten
ihm
zugekommen
. Er selbst hatte
sein
Wohlgefallen
daran, und
ihn
kümmerte
es nicht, daß er nicht
wisse
, woher er sie habe; die
Pferde
hatten die
jungen
Herren
, die sie
geritten
, in ihren
Ställen
, und sie
priesen
die
Freigebigkeit
des
Herrn
John
, der sie ihnen an jenem
Tage
geschenkt
. So viel
erhellte
aus der
ausführlichen
Erzählung
Bendels
, dessen
rascher
Eifer
und
verständige
Führung
, auch bei so
fruchtlosem
Erfolge
, mein
verdientes
Lob
erhielten
. Ich
winkte
ihm
düster
, mich allein zu
lassen
.
"Ich habe",
hub
er wieder an, "
meinem
Herrn
Bericht
abgestattet
über die
Angelegenheit
, die
ihm
am
wichtigsten
war. Mir
bleibt
noch ein
Auftrag
auszurichten
, den mir
heute
früh
jemand
gegeben
,
welchem
ich
vor
der
Tür
begegnete
,
da
ich zu dem
Geschäfte
ausging
, wo ich so
unglücklich
gewesen
. Die
eigenen
Worte
des
Mannes
waren
: "
Sagen
Sie dem
Herrn
Peter
Schlemihl
, er
würde
mich hier nicht mehr
sehen
,
da
ich
übers
Meer
gehe
, und ein
günstiger
Wind
mich so
eben
nach dem
Hafen
ruft
. Aber über
Jahr
und
Tag
werde
ich die
Ehre
haben,
ihn
selber
aufzusuchen
und ein
anderes
,
ihm
dann vielleicht
annehmliches
Geschäft
vorzuschlagen
.
Empfehlen
Sie mich
ihm
untertänigst
, und
versichern
ihn
meines
Dankes
." Ich
frug
ihn
, wer er
wäre
, er
sagte
aber, Sie
kennten
ihn
schon."
"Wie
sah
der Mann aus?"
rief
ich
voller
Ahnung
. Und
Bendel
beschrieb
mir den Mann im
grauen
Rocke
Zug
für
Zug
,
Wort
für
Wort
, wie er
getreu
in seiner
vorigen
Erzählung
des
Mannes
erwähnt
, nach dem er sich
erkundigt
.
"
Unglücklicher
!"
schrie
ich
händeringend
, "das war er ja selbst!" und
ihm
fiel
es wie
Schuppen
von den
Augen
. - "Ja, er war es, war es
wirklich
!"
rief
er
erschreckt
aus, "und ich
Verblendeter
,
Blödsinniger
habe
ihn
nicht
erkannt
,
ihn
nicht
erkannt
und meinen
Herrn
verraten
!"
Er
brach
,
heiß
weinend
, in die
bittersten
Vorwürfe
gegen sich
selber
aus, und die
Verzweiflung
, in der er war,
mußte
mir
selber
Mitleiden
einflößen
. Ich
sprach
ihm
Trost
ein,
versicherte
ihn
wiederholt
, ich
setzte
keinen
Zweifel
in seine
Treue
, und
schickte
ihn
alsbald
nach dem
Hafen
, um, wo
möglich
, die
Spuren
des
seltsamen
Mannes
zu
verfolgen
. Aber an diesem selben
Morgen
waren
sehr viele
Schiffe
, die
widrige
Winde
im
Hafen
zurückgehalten
,
ausgelaufen
, alle nach
anderen
Weltstrichen
, alle nach
anderen
Küsten
bestimmt
, und der
graue
Mann war
spurlos
wie ein
Schatten
verschwunden
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