Index
|
Wörter
:
alphabetisch
-
Frequenz
-
rückläufig
-
Länge
-
Statistik
|
Hilfe
|
IntraText-Bibliothek
Chamisso, Adelbert von
Peter Schlemihls wundersame Geschichte
IntraText CT - Text
VII.
zurück
-
vor
Hier klicken um die Links zu den Konkordanzen auszublenden
VII
.
Ich
werde
mich Deinem
Urteile
bloß
stellen
,
lieber
Chamisso
, und es nicht zu
bestechen
suchen
. Ich selbst habe
lange
strenges
Gericht
an mir
selber
vollzogen
,
denn
ich habe den
quälenden
Wurm
in
meinem
Herzen
genährt
. Es
schwebte
immerwährend
dieser
ernste
Moment
meines
Lebens
vor
meiner
Seele
, und ich
vermocht
es nur
zweifelnden
Blickes
, mit
Demut
und
Zerknirschung
anzuschauen
. -
Lieber
Freund
, wer
leichtsinnig
nur den
Fuß
aus der
geraden
Straße
setzt
, der wird
unversehens
in
andere
Pfade
abgeführt
, die
abwärts
und immer
abwärts
ihn
ziehen
; er
sieht
dann
umsonst
die
Leitsterne
am
Himmel
schimmern
,
ihm
bleibt
keine
Wahl
, er
muß
unaufhaltsam
den
Abhang
hinab, und sich selbst der
Nemesis
opfern
. Nach dem
übereilten
Fehltritt
, der den
Fluch
auf mich
geladen
,
hatt
ich durch
Liebe
frevelnd
in eines
andern
Wesens
Schicksal
mich
gedrängt
; was
blieb
mir
übrig
, als, wo ich
Verderben
gesäet
, wo
schnelle
Rettung
von mir
geheischt
ward
,
eben
rettend
blindlings
hinzu zu
springen
?
denn
die
letzte
Stunde
schlug
. -
Denke
nicht so
niedrig
von mir, mein
Adelbert
, als zu meinen, es hätte mich
irgend
ein
geforderter
Preis
zu
teuer
gedünkt
, ich hätte mit
irgend
etwas, was nur mein war, mehr als
eben
mit
Gold
gekargt
. - Nein,
Adelbert
; aber mit
unüberwindlichem
Hasse
gegen diesen
rätselhaften
Schleicher
auf
krummen
Wegen war meine
Seele
angefüllt
. Ich
mochte
ihm
unrecht
tun, doch
empörte
mich jede
Gemeinschaft
mit
ihm
. - Auch hier
trat
, wie so
oft
schon in mein
Leben
, und wie
überhaupt
so
oft
in die
Weltgeschichte
, ein
Ereignis
an die
Stelle
einer
Tat
.
Später
habe ich mich mit mir
selber
versöhnt
. Ich habe
erstlich
die
Notwendigkeit
verehren
lernen
, und was ist mehr als die
getane
Tat
, das
geschehene
Ereignis
, ihr
Eigentum
! Dann hab ich auch diese
Notwendigkeit
als eine
weise
Fügung
verehren
lernen
, die durch das
gesamte
große
Getrieb
weht
, darin wir
bloß
als
mitwirkende
,
getriebene
treibende
Räder
eingreifen
; was
sein
soll
,
muß
geschehen
, was
sein
sollte
,
geschah
, und nicht ohne
jene
Fügung
, die ich
endlich
noch in
meinem
Schicksale
und dem
Schicksale
derer, die das meine mit
angriff
,
verehren
lernte
.
Ich
weiß
nicht, ob ich es der
Spannung
meiner
Seele
, unter dem
Drange
so
mächtiger
Empfindungen
,
zuschreiben
soll
, ob der
Erschöpfung
meiner
physischen
Kräfte
, die
während
der
letzten
Tage
ungewohntes
Darben
geschwächt
, ob
endlich
dem
zerstörenden
Aufruhr
, den die
Nähe
dieses
grauen
Unholdes
in meiner
ganzen
Natur
erregte
; genug, es
befiel
mich, als es an das
Unterschreiben
ging
, eine
tiefe
Ohnmacht
, und ich
lag
eine
lange
Zeit
wie in den
Armen
des
Todes
.
Fußstampfen
und
Fluchen
waren
die
ersten
Töne
, die mein
Ohr
trafen
, als ich zum
Bewußtsein
zurückkehrte
; ich
öffnete
die
Augen
, es war
dunkel
, mein
verhaßter
Begleiter
war
scheltend
um mich
bemüht
. "
Heißt
das nicht wie ein
altes
Weib
sich
aufführen
! - Man
raffe
sich auf und
vollziehe
frisch
, was man
beschlossen
, oder hat man sich anders
besonnen
, und will
lieber
greinen
?" - Ich
richtete
mich
mühsam
auf von der
Erde
, wo ich
lag
, und
schaute
schweigend
um mich. Es war
später
Abend
, aus dem
hellerleuchteten
Försterhause
erscholl
festliche
Musik
,
einzelne
Gruppen
von
Menschen
wallten
durch die
Gänge
des
Gartens
. Ein
paar
traten
im
Gespräche
näher
und
nahmen
Platz
auf der
Bank
,
worauf
ich
früher
gesessen
hatte. Sie
unterhielten
sich von der an diesem
Morgen
vollzogenen
Verbindung
des
reichen
Herrn
Rascal
mit der
Tochter
des
Hauses
. - Es war also
geschehen
.
Ich
streifte
mit der
Hand
die
Tarnkappe
des
sogleich
mir
verschwindenden
Unbekannten
von
meinem
Haupte
weg
, und
eilte
stillschweigend
, in die
tiefste
Nacht
des
Gebüsches
mich
versenkend
, den
Weg
über
Graf
Peters
Laube
einschlagend
, dem
Ausgange
des
Gartens
zu.
Unsichtbar
aber
geleitete
mich mein
Plagegeist
, mich mit
scharfen
Worten
verfolgend
. "Das ist also der
Dank
für
die
Mühe
, die man
genommen
hat,
Monsieur
, der
schwache
Nerven
hat, den
langen
lieben
Tag
hindurch
zu
pflegen
. Und man
soll
den
Narren
im
Spiele
abgeben
.
Gut
,
Herr
Trotzkopf
,
fliehn
Sie nur
vor
mir, wir sind doch
unzertrennlich
. Sie haben mein
Gold
und ich Ihren
Schatten
; das
läßt
uns
beiden
keine
Ruhe
. - Hat man
je
gehört
, daß ein
Schatten
von seinem
Herrn
gelassen
hätte? Ihrer
zieht
mich Ihnen nach, bis Sie
ihn
wieder zu
Gnaden
annehmen
und ich
ihn
los
bin. Was Sie
versäumt
haben, aus
frischer
Lust
zu tun, werden Sie, nur zu
spät
, aus
Überdruß
und
Langeweile
nachholen
müssen
; man
entgeht
seinem
Schicksale
nicht." Er
sprach
aus demselben
Tone
fort
und
fort
; ich
floh
umsonst
, er
ließ
nicht nach, und immer
gegenwärtig
,
redete
er
höhnend
von
Gold
und
Schatten
. Ich konnte zu
keinem
eigenen
Gedanken
kommen
.
Ich hatte durch
menschenleere
Straßen
einen
Weg
nach
meinem
Hause
eingeschlagen
. Als ich
davor
stand
und es
ansah
, konnte ich es
kaum
erkennen
; hinter den
eingeschlagenen
Fenstern
brannte
kein
Licht
. Die
Türen
waren
zu, kein
Dienervolk
regte
sich mehr darin. Er
lachte
laut
auf neben mir: "Ja, ja, so
gehts
! Aber Ihren
Bendel
finden
Sie
wohl
daheim, den hat man
jüngst
vorsorglich
so
müde
nach
Hause
geschickt
, daß er es
wohl
seitdem
gehütet
haben wird." Er
lachte
wieder. "Der wird
Geschichten
zu
erzählen
haben! -
Wohlan
denn
!
für
heute
gute
Nacht
, auf
baldiges
Wiedersehen
!"
Ich hatte
wiederholt
geklingelt
, es
erschien
Licht
;
Bendel
frug
von
innen
, wer
geklingelt
habe. Als der
gute
Mann meine
Stimme
erkannte
, konnte er seine
Freude
kaum
bändigen
; die
Tür
flog
auf, wir
lagen
weinend
einander
in den
Armen
. Ich
fand
ihn
sehr
verändert
,
schwach
und
krank
; mir war aber das
Haar
ganz
grau
geworden
.
Er
führte
mich durch die
verödeten
Zimmer
nach einem
innern
,
verschont
gebliebenen
Gemach
; er
holte
Speise
und
Trank
herbei
, wir
setzten
uns, er
fing
wieder an zu
weinen
. Er
erzählte
mir, daß er
letzthin
den
grau
gekleideten
dürren
Mann, den er mit
meinem
Schatten
angetroffen
hatte, so
lange
und so
weit
geschlagen
habe, bis er selbst meine
Spur
verloren
und
vor
Müdigkeit
hingesunken
sei
; daß nachher, wie er mich nicht wieder
finden
gekonnt
, er nach
Hause
zurückgekehrt
, wo
bald
darauf der
Pöbel
, auf
Rascals
Anstiften
,
herangestürmt
, die
Fenster
eingeschlagen
und seine
Zerstörungslust
gebüßt
. So hatten sie an ihrem
Wohltäter
gehandelt
. Meine
Dienerschaft
war aus
einander
geflohen
. Die
örtliche
Polizei
hatte mich als
verdächtig
aus der
Stadt
verwiesen
, und mir eine
Frist
von
vierundzwanzig
Stunden
festgesetzt
, um deren
Gebiet
zu
verlassen
. Zu dem, was mir von
Rascals
Reichtum
und
Vermählung
bekannt
war,
wußte
er noch
vieles
hinzuzufügen
. Dieser
Bösewicht
, von dem alles
ausgegangen
, was hier gegen mich
geschehen
war,
mußte
von
Anbeginn
mein
Geheimnis
besessen
haben, es
schien
, er habe, vom
Golde
angezogen
, sich an mich zu
drängen
gewußt
, und schon in der
ersten
Zeit
einen
Schlüssel
zu jenem
Goldschrank
sich
verschafft
, wo er den
Grund
zu dem
Vermögen
gelegt
, das noch zu
vermehren
er jetzt
verschmähen
konnte.
Das alles
erzählte
mir
Bendel
unter
häufigen
Tränen
, und
weinte
dann wieder
vor
Freuden
, daß er mich wieder
sah
, mich wieder hatte, und daß, nachdem er
lang
gezweifelt
,
wohin
das
Unglück
mich
gebracht
haben
möchte
, er mich es
ruhig
und
gefaßt
ertragen
sah
.
Denn
solche
Gestaltung
hatte nun die
Verzweiflung
in mir
genommen
. Ich
sah
mein
Elend
riesengroß
,
unwandelbar
vor
mir, ich hatte
ihm
meine
Tränen
ausgeweint
, es konnte kein
Geschrei
mehr aus meiner
Brust
pressen
, ich
trug
ihm
kalt
und
gleichgültig
mein
entblößtem
Haupt
entgegen
.
"
Bendel
",
hub
ich an, "du
weißt
mein
Los
. Nicht ohne
früheres
Verschulden
trifft
mich
schwere
Strafe
. Du
sollst
länger
nicht,
unschuldiger
Mann, dein
Schicksal
an das meine
binden
, ich will es nicht. Ich
reite
die
Nacht
noch
fort
,
sattle
mir ein
Pferd
, ich
reite
allein; du
bleibst
, ich
wills
. Es
müssen
hier noch einige
Kisten
Goldes
liegen
, das
behalte
du. Ich
werde
allein
unstät
in der
Welt
wandern
; wann mir aber
je
eine
heitere
Stunde
wieder
lacht
und das
Glück
mich
versöhnt
anblickt
, dann will ich deiner
getreu
gedenken
,
denn
ich habe an deiner
getreuen
Brust
in
schweren
,
schmerzlichen
Stunden
geweint
."
Mit
gebrochenem
Herzen
mußte
der
Redliche
diesem
letzten
Befehle
seines
Herrn
,
worüber
er in der
Seele
erschrak
,
gehorchen
; ich war seinen
Bitten
, seinen
Vorstellungen
taub
,
blind
seinen
Tränen
; er
führte
mir das
Pferd
vor
. Ich
drückte
noch
einmal
den
Weinenden
an meine
Brust
,
schwang
mich in den
Sattel
und
entfernte
mich unter dem
Mantel
der
Nacht
von dem
Grabe
meines
Lebens
,
unbekümmert
,
welchen
Weg
mein
Pferd
mich
führen
werde
;
denn
ich hatte weiter auf
Erden
kein
Ziel
,
keinen
Wunsch
, keine
Hoffnung
.
zurück
-
vor
Index
|
Wörter
:
alphabetisch
-
Frequenz
-
rückläufig
-
Länge
-
Statistik
|
Hilfe
|
IntraText-Bibliothek
Best viewed with any browser at 800x600 or 768x1024 on Tablet PC
IntraText®
(V89) - Some rights reserved by
EuloTech SRL
- 1996-2007. Content in this page is licensed under a
Creative Commons License