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Chamisso, Adelbert von
Peter Schlemihls wundersame Geschichte
IntraText CT - Text
VIII.
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VIII
.
Es
gesellte
sich
bald
ein
Fußgänger
zu mir,
welcher
mich
bat
, nachdem er eine
Weile
neben
meinem
Pferde
geschritten
war,
da
wir doch
denselben
Weg
hielten
, einen
Mantel
, den er
trug
,
hinten
auf mein
Pferd
legen
zu
dürfen
; ich
ließ
es
stillschweigend
geschehen
. Er
dankte
mir mit
leichtem
Anstand
für
den
leichten
Dienst
,
lobte
mein
Pferd
,
nahm
daraus
Gelegenheit
, das
Glück
und die
Macht
der
Reichen
hoch
zu
preisen
, und
ließ
sich, ich
weiß
nicht wie, in eine
Art
von
Selbstgespräch
ein, bei dem er mich
bloß
zum
Zuhörer
hatte.
Er
entfaltete
seine
Ansichten
von dem
Leben
und der
Welt
, und
kam
sehr
bald
auf die
Metaphysik
, an die die
Forderung
erging
, das
Wort
aufzufinden
, das aller
Rätsel
Lösung
sei
. Er
setzte
die
Aufgabe
mit
vieler
Klarheit
aus
einander
und
schritt
fürder
zu deren
Beantwortung
.
Du
weißt
, mein
Freund
, daß ich
deutlich
erkannt
habe,
seitdem
ich den
Philosophen
durch die
Schule
gelaufen
, daß ich zur
philosophischen
Spekulation
keineswegs
berufen
bin, und daß ich mir dieses
Feld
völlig
abgesprochen
habe; ich habe
seither
vieles
auf sich
beruhen
lassen
,
vieles
zu
wissen
und zu
begreifen
Verzicht
geleistet
, und bin, wie du es mir
selber
geraten
,
meinem
geraden
Sinn
vertrauend
, der
Stimme
in mir, so viel es in meiner
Macht
gewesen
, auf dem
eigenen
Wege
gefolgt
. Nun
schien
mir dieser
Redekünstler
mit
großem
Talent
ein
fest
gefügtes
Gebäude
aufzuführen
, das in sich selbst
begründet
sich
emportrug
, und wie durch eine
innere
Notwendigkeit
bestand
. Nur
vermißt
ich
ganz
in
ihm
, was ich
eben
darin hätte
suchen
wollen
, und so
ward
es mir zu einem
bloßen
Kunstwerk
, dessen
zierliche
Geschlossenheit
und
Vollendung
dem
Auge
allein zur
Ergötzung
diente
; aber ich
hörte
dem
wohlberedten
Manne
gerne
zu, der meine
Aufmerksamkeit
von meinen
Leiden
auf sich selbst
abgelenkt
, und ich hätte mich
ihm
willig
ergeben
, wenn er meine
Seele
wie meinen
Verstand
in
Anspruch
genommen
hätte.
Mittlerweile
war die
Zeit
hingegangen
, und
unbemerkt
hatte schon die
Morgendämmerung
den
Himmel
erhellt
; ich
erschrak
, als ich mit einem
Mal
aufblickte
und im
Osten
die
Pracht
der
Farben
sich
entfalten
sah
, die die
nahe
Sonne
verkünden
, und gegen sie war in dieser
Stunde
, wo die
Schlagschatten
mit ihrer
ganzen
Ausdehnung
prunken
, kein
Schutz
, kein
Bollwerk
in der
offenen
Gegend
zu
ersehn
! und ich war nicht allein! Ich
warf
einen
Blick
auf meinen
Begleiter
, und
erschrak
wieder. - Es war kein anderer, als der Mann im
grauen
Rock
.
Er
lächelte
über meine
Bestürzung
, und
fuhr
fort
, ohne mich zum
Wort
kommen
zu
lassen
: "
Laßt
doch, wie es
einmal
in der
Welt
Sitte
ist, unsern
wechselseitigen
Vorteil
uns auf eine
Weile
verbinden
, zu
scheiden
haben wir immer noch
Zeit
. Die
Straße
hier
längs
dem
Gebirge
, ob Sie
gleich
noch nicht daran
gedacht
haben, ist doch die
einzige
, die Sie
vernünftiger
Weise
einschlagen
können
; hinab in das
Tal
dürfen
Sie nicht, und über das
Gebirg
werden Sie noch
weniger
zurückkehren
wollen
, von wo Sie
hergekommen
sind - diese ist auch
gerade
meine
Straße
. - Ich
sehe
Sie schon
vor
der
aufgehenden
Sonne
erblassen
. Ich will Ihnen Ihren
Schatten
auf die
Zeit
unserer
Gesellschaft
leihen
, und Sie
dulden
mich dafür in Ihrer
Nähe
; Sie haben so Ihren
Bendel
nicht mehr bei sich; ich will Ihnen
gute
Dienste
leisten
. Sie
lieben
mich nicht, das ist mir
leid
. Sie
können
mich darum doch
benutzen
. Der
Teufel
ist nicht so
schwarz
, als man
ihn
malt
.
Gestern
haben Sie mich
geärgert
, das ist
wahr
,
heute
will
ichs
Ihnen nicht
nachtragen
, und ich habe Ihnen schon den
Weg
bis
hieher
verkürzt
, das
müssen
Sie selbst
gestehen
-
Nehmen
Sie doch nur
einmal
Ihren
Schatten
auf
Probe
wieder an."
Die
Sonne
war
aufgegangen
, auf der
Straße
kamen
uns
Menschen
entgegen
; ich
nahm
, obgleich mit
innerlichem
Widerwillen
, den
Antrag
an. Er
ließ
lächelnd
meinen
Schatten
zur
Erde
gleiten
, der
alsbald
seine
Stelle
auf des
Pferdes
Schatten
einnahm
und
lustig
neben mir
hertrabte
. Mir war sehr
seltsam
zu
Mut
. Ich
ritt
an einem
Trupp
Landleute
vorbei
, die
vor
einem
wohlhabenden
Mann
ehrerbietig
mit
entblößtem
Haupte
Platz
machten
. Ich
ritt
weiter, und
blickte
gierigen
Auges
und
klopfenden
Herzens
seitwärts
vom
Pferde
herab auf diesen sonst meinen
Schatten
, den ich jetzt von einem
Fremden
, ja von einem
Feinde
,
erborgt
hatte.
Dieser
ging
unbekümmert
neben her, und
pfiff
eben
ein
Liedchen
. Er zu
Fuß
, ich zu
Pferd
, ein
Schwindel
ergriff
mich, die
Versuchung
war zu
groß
, ich
wandte
plötzlich
die
Zügel
,
drückte
beide
Sporen
an, und so in
voller
Carriere
einen
Seitenweg
eingeschlagen
; aber ich
entführte
den
Schatten
nicht, der bei der
Wendung
vom
Pferde
glitt
und seinen
gesetzmäßigen
Eigentümer
auf der
Landstraße
erwartete
. Ich
mußte
beschämt
umlenken
; der Mann im
grauen
Rocke
, als er
ungestört
sein
Liedchen
zu
Ende
gebracht
,
lachte
mich aus,
setzte
mir den
Schatten
wieder
zurecht
, und
belehrte
mich, er
würde
erst
an mir
festhängen
und bei mir
bleiben
wollen
, wenn ich
ihn
wiederum
als
rechtmäßiges
Eigentum
besitzen
würde
. "Ich
halte
Sie",
fuhr
er
fort
, "am
Schatten
fest
, und Sie
kommen
mir nicht
los
. Ein
reicher
Mann, wie Sie,
braucht
einmal
einen
Schatten
, das ist nicht anders, Sie sind nur darin zu
tadeln
, daß Sie es nicht
früher
eingesehen
haben."
Ich
setzte
meine
Reise
auf
derselben
Straße
fort
; es
fanden
sich bei mir alle
Bequemlichkeiten
des
Lebens
und selbst ihre
Pracht
wieder ein; ich konnte mich
frei
und
leicht
bewegen
,
da
ich einen, obgleich nur
erborgten
,
Schatten
besaß
, und ich
flößte
überall
die
Ehrfurcht
ein, die der
Reichtum
gebietet
; aber ich hatte den
Tod
im
Herzen
. Mein
wundersamer
Begleiter
, der sich selbst
für
den
unwürdigen
Diener
des
reichsten
Mannes
in der
Welt
ausgab
, war von einer
außerordentlichen
Dienstfertigkeit
, über die
Maßen
gewandt
und
geschickt
, der
wahre
Inbegriff
eines
Kammerdieners
für
einen
reichen
Mann, aber er
wich
nicht von meiner
Seite
, und
führte
unaufhörlich
das
Wort
gegen mich,
stets
die
größte
Zuversicht
an den
Tag
legend
, daß ich
endlich
,
sei
es auch nur, um
ihn
los
zu werden, den
Handel
mit dem
Schatten
abschließen
würde
. - Er war mir
eben
so
lästig
als
verhaßt
. Ich konnte mich
ordentlich
vor
ihm
fürchten
. Ich hatte mich von
ihm
abhängig
gemacht
. Er
hielt
mich, nachdem er mich in die
Herrlichkeit
der
Welt
, die ich
floh
,
zurückgeführt
hatte. Ich
mußte
seine
Beredsamkeit
über mich
ergehen
lassen
, und
fühlte
schier
, er habe
recht
. Ein
Reicher
muß
in der
Welt
einen
Schatten
haben, und
sobald
ich den
Stand
behaupten
wollte
, den er mich wieder
geltend
zu
machen
verleitet
hatte, war nur ein
Ausgang
zu
ersehen
. Dieses aber
stand
bei mir
fest
, nachdem ich meine
Liebe
hingeopfert
, nachdem mir das
Leben
verblaßt
war,
wollt
ich meine
Seele
nicht,
sei
es um alle
Schatten
der
Welt
, dieser
Kreatur
verschreiben
. Ich
wußte
nicht, wie es
enden
sollte
.
Wir
saßen
einst
vor
einer
Höhle
,
welche
die
Fremden
, die das
Gebirg
bereisen
, zu
besuchen
pflegen
. Man
hört
dort das
Gebrause
unterirdischer
Ströme
aus
ungemessener
Tiefe
heraufschallen
, und kein
Grund
scheint
den
Stein
, den man
hineinwirft
, in seinem
hallenden
Fall
aufzuhalten
. Er
malte
mir, wie er
öfters
tat
, mit
verschwenderischer
Einbildungskraft
und im
schimmernden
Reize
der
glänzendsten
Farben
,
sorgfältig
ausgeführte
Bilder
von dem, was ich in der
Welt
,
kraft
meines
Seckels
,
ausführen
würde
, wenn ich
erst
meinen
Schatten
wieder in meiner
Gewalt
hätte. Die
Ellenbogen
auf die
Knie
gestützt
,
hielt
ich mein
Gesicht
in meinen
Händen
verborgen
und
hörte
dem
Falschen
zu, das
Herz
zwiefach
geteilt
zwischen der
Verführung
und dem
strengen
Willen
in mir. Ich konnte bei
solchem
innerlichen
Zwiespalt
länger
nicht
ausdauern
, und
begann
den
entscheidenden
Kampf
:
"Sie
scheinen
, mein
Herr
, zu
vergessen
, daß ich Ihnen zwar
erlaubt
habe, unter
gewissen
Bedingungen
in meiner
Begleitung
zu
bleiben
, daß ich mir aber meine
völlige
Freiheit
vorbehalten
habe." - "Wenn Sie
befehlen
, so
pack
ich ein." Die
Drohung
war
ihm
geläufig
. Ich
schwieg
; er
setzte
sich
gleich
daran, meinen
Schatten
wieder
zusammenzurollen
. Ich
erblaßte
, aber ich
ließ
es
stumm
geschehen
. Es
erfolgte
ein
langes
Stillschweigen
. Er
nahm
zuerst
das
Wort
:
"Sie
können
mich nicht
leiden
, mein
Herr
, Sie
hassen
mich, ich
weiß
es; doch warum
hassen
Sie mich? Ist es etwa, weil Sie mich auf
öffentlicher
Straße
angefallen
, und mir mein
Vogelnest
mit
Gewalt
zu
rauben
gemeint
? oder ist es darum, daß Sie mein
Gut
, den
Schatten
, den Sie Ihrer
bloßen
Ehrlichkeit
anvertraut
glaubten
, mir
diebischer
Weise
zu
entwenden
gesucht
haben? Ich
meinerseits
hasse
Sie darum nicht; ich
finde
ganz
natürlich
, daß Sie alle Ihre
Vorteile
,
List
und
Gewalt
geltend
zu
machen
suchen
; daß Sie
übrigens
die
allerstrengsten
Grundsätze
haben und wie die
Ehrlichkeit
selbst
denken
, ist eine
Liebhaberei
,
wogegen
ich auch nichts habe. - Ich
denke
in der
Tat
nicht so
streng
als Sie; ich
handle
bloß
, wie Sie
denken
. Oder hab ich Ihnen etwa
irgend
wann den
Daumen
auf die
Gurgel
gedrückt
, um Ihre
werteste
Seele
, zu der ich
einmal
Lust
habe, an mich zu
bringen
? Hab ich von wegen meines
ausgetauschten
Seckels
einen
Diener
auf Sie
losgelassen
? hab ich Ihnen damit
durchzugehen
versucht
?" Ich hatte
dagegen
nichts zu
erwidern
; er
fuhr
fort
: "Schon
recht
, mein
Herr
, schon
recht
! Sie
können
mich nicht
leiden
; auch das
begreife
ich
wohl
, und
verarge
es Ihnen weiter nicht. Wir
müssen
scheiden
, das ist
klar
, und auch Sie
fangen
an, mir sehr
langweilig
vorzukommen
. Um sich also meiner
ferneren
beschämenden
Gegenwart
völlig
zu
entziehen
,
rate
ich es Ihnen noch
einmal
:
Kaufen
Sie mir das
Ding
ab." - Ich
hielt
ihm
den
Seckel
hin: "Um den
Preis
." - "Nein!" - Ich
seufzte
schwer
auf und
nahm
wieder das
Wort
: "Auch also. Ich
dringe
darauf, mein
Herr
,
laßt
uns
scheiden
,
vertreten
Sie mir
länger
nicht den
Weg
auf einer
Welt
, die
hoffentlich
geräumig
genug ist
für
uns
beide
." Er
lächelte
und
erwiderte
: "Ich
gehe
, mein
Herr
, zuvor aber will ich Sie
unterrichten
, wie Sie mir
klingeln
können
, wenn Sie
je
Verlangen
nach Ihrem
untertänigsten
Knecht
tragen
sollten
: Sie
brauchen
nur Ihren
Seckel
zu
schütteln
, daß die
ewigen
Goldstücke
darinnen
rasseln
, der
Ton
zieht
mich
augenblicklich
an. Ein jeder
denkt
auf seinen
Vorteil
in dieser
Welt
; Sie
sehen
, daß ich auf Ihren
zugleich
bedacht
bin,
denn
ich
eröffne
Ihnen
offenbar
eine
neue
Kraft
. -
O
dieser
Seckel
! - Und
hätten
gleich
die
Motten
Ihren
Schatten
schon
aufgefressen
, der
würde
noch ein
starkes
Band
zwischen uns
sein
. Genug, Sie haben mich an
meinem
Gold
,
befehlen
Sie auch in der
Ferne
über Ihren
Knecht
, Sie
wissen
, daß ich mich meinen
Freunden
dienstfertig
genug
erweisen
kann, und daß die
Reichen
besonders
gut
mit mir
stehen
; Sie haben es selbst
gesehen
. - Nur Ihren
Schatten
, mein
Herr
- das
lassen
Sie sich
gesagt
sein
-
nie
wieder, als unter einer
einzigen
Bedingung
."
Gestalten
der
alten
Zeit
traten
vor
meine
Seele
. Ich
frug
ihn
schnell
: "Hatten Sie eine
Unterschrift
vom
Herrn
John
?" - Er
lächelte
. - "Mit einem so
guten
Freund
hab ich es
keineswegs
nötig
gehabt
." - "Wo ist er? bei
Gott
, ich will es
wissen
!" Er
steckte
zögernd
die
Hand
in die
Tasche
, und daraus bei den
Haaren
hervorgezogen
erschien
Thomas
Johns
bleiche
,
entstellte
Gestalt
, und die
blauen
Leichenlippen
bewegten
sich zu
schweren
Worten
: "
Justo
judicio
Dei
judicatus
sum
;
justo
judicio
Dei
condemnatus
sum
." Ich
entsetzte
mich, und
schnell
den
klingenden
Seckel
in den
Abgrund
werfend
,
sprach
ich zu
ihm
die
letzten
Worte
: "So
beschwör
ich dich im
Namen
Gottes
,
Entsetzlicher
!
hebe
dich von
dannen
und
lasse
dich
nie
wieder
vor
meinen
Augen
blicken
!" Er
erhub
sich
finster
und
verschwand
sogleich
hinter den
Felsenmassen
, die den
wild
bewachsenen
Ort
begrenzten
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