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Chamisso, Adelbert von
Peter Schlemihls wundersame Geschichte
IntraText CT - Text
IX.
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IX
.
Ich
saß
da
ohne
Schatten
und ohne
Geld
; aber ein
schweres
Gewicht
war von meiner
Brust
genommen
, ich war
heiter
. Hätte ich nicht auch meine
Liebe
verloren
, oder
hätt
ich mich nur bei deren
Verlust
vorwurfsfrei
gefühlt
, ich
glaube
, ich hätte
glücklich
sein
können
- ich
wußte
aber nicht, was ich
anfangen
sollte
. Ich
durchsuchte
meine
Taschen
und
fand
noch einige
Goldstücke
darin; ich
zählte
sie und
lachte
. - Ich hatte meine
Pferde
unten
im
Wirtshause
, ich
schämte
mich,
dahin
zurückzukehren
, ich
mußte
wenigstens
den
Untergang
der
Sonne
erwarten
; sie
stand
noch
hoch
am
Himmel
. Ich
legte
mich in den
Schatten
der
nächsten
Bäume
und
schlief
ruhig
ein.
Anmutige
Bilder
verwoben
sich mir im
luftigen
Tanze
zu einem
gefälligen
Traum
.
Mina
, einen
Blumenkranz
in den
Haaren
,
schwebte
an mir
vorüber
, und
lächelte
mich
freundlich
an. Auch der
ehrliche
Bendel
war mit
Blumen
bekränzt
, und
eilte
mit
freundlichem
Gruße
vorüber
. Viele
sah
ich noch, und wie mich
dünkt
, auch Dich,
Chamisso
, im
fernen
Gewühl
; ein
helles
Licht
schien
, es hatte aber keiner einen
Schatten
, und was
seltsamer
ist, es
sah
nicht
übel
aus, -
Blumen
und
Lieder
,
Liebe
und
Freude
, unter
Palmenhainen
. -- Ich konnte die
beweglichen
,
leicht
verwehten
,
lieblichen
Gestalten
weder
festhalten
noch
deuten
; aber ich
weiß
, daß ich
gerne
solchen
Traum
träumte
und mich
vor
dem
Erwachen
in acht
nahm
; ich
wachte
wirklich
schon, und
hielt
noch die
Augen
zu, um die
weichenden
Erscheinungen
länger
vor
meiner
Seele
zu
behalten
.
Ich
öffnete
endlich
die
Augen
, die
Sonne
stand
noch am
Himmel
, aber im
Osten
; ich hatte die
Nacht
verschlafen
. Ich
nahm
es
für
ein
Zeichen
, daß ich nicht nach dem
Wirtshause
zurückkehren
sollte
. Ich
gab
leicht
, was ich dort noch
besaß
,
verloren
, und
beschloß
, eine
Nebenstraße
, die durch den
waldbewachsenen
Fuß
des
Gebirges
führte
, zu
Fuß
einzuschlagen
, dem
Schicksal
es
anheim
stellend
, was es mit mir
vorhatte
, zu
erfüllen
. Ich
schaute
nicht hinter mich
zurück
, und
dachte
auch nicht daran, an
Bendel
, den ich
reich
zurückgelassen
hatte, mich zu
wenden
,
welches
ich
allerdings
gekonnt
hätte. Ich
sah
mich an auf den
neuen
Charakter
, den ich in der
Welt
bekleiden
sollte
: mein
Anzug
war sehr
bescheiden
. Ich hatte eine
alte
schwarze
Kurtka
an, die ich schon in
Berlin
getragen
, und die mir, ich
weiß
nicht wie, zu dieser
Reise
erst
wieder in die
Hand
gekommen
war. Ich hatte sonst eine
Reisemütze
auf dem
Kopf
und ein
Paar
alte
Stiefeln
an den
Füßen
. Ich
erhob
mich,
schnitt
mir an
selbiger
Stelle
einen
Knotenstock
zum
Andenken
, und
trat
sogleich
meine
Wanderung
an.
Ich
begegnete
im
Wald
einem
alten
Bauer
, der mich
freundlich
begrüßte
, und mit dem ich mich in
Gespräch
einließ
. Ich
erkundigte
mich, wie ein
wißbegieriger
Reisender
,
erst
nach dem
Wege
, dann nach der
Gegend
und deren
Bewohnern
, den
Erzeugnissen
des
Gebirges
und
derlei
mehr. Er
antwortete
verständig
und
redselig
auf meine
Fragen
. Wir
kamen
an das
Bette
eines
Bergstromes
, der über einen
weiten
Strich
des
Waldes
seine
Verwüstung
verbreitet
hatte. Mich
schauderte
innerlich
vor
dem
sonnenhellen
Raum
; ich
ließ
den
Landmann
vorangehen
. Er
hielt
aber
mitten
im
gefährlichen
Orte
still
und
wandte
sich zu mir, um mir die
Geschichte
dieser
Verwüstung
zu
erzählen
. Er
bemerkte
bald
, was mir
fehlte
, und
hielt
mitten
in seiner
Rede
ein: "Aber wie
geht
denn
das zu, der
Herr
hat ja
keinen
Schatten
!" - "
Leider
!
leider
!"
erwiderte
ich
seufzend
. "Es sind mir
während
einer
bösen
langen
Krankheit
,
Haare
,
Nägel
und
Schatten
ausgegangen
.
Seht
,
Vater
, in
meinem
Alter
, die
Haare
, die ich wieder
gekriegt
habe,
ganz
weiß
, die
Nägel
sehr
kurz
, und der
Schatten
, der will noch nicht wieder
wachsen
." - "
Ei
!
ei
!"
versetzte
der
alte
Mann
kopfschüttelnd
, "
keinen
Schatten
, das ist
bös
! das war eine
böse
Krankheit
, die der
Herr
gehabt
hat." Aber er
hub
seine
Erzählung
nicht wieder an, und bei dem
nächsten
Querweg
, der sich
darbot
,
ging
er, ohne ein
Wort
zu
sagen
, von mir ab. -
Bittere
Tränen
zitterten
aufs
neue
auf meinen
Wangen
, und meine
Heiterkeit
war hin.
Ich
setzte
traurigen
Herzens
meinen
Weg
fort
und
suchte
ferner
keines
Menschen
Gesellschaft
. Ich
hielt
mich im
dunkelsten
Walde
, und
mußte
manchmal, um über einen
Strich
, wo die
Sonne
schien
, zu
kommen
,
stundenlang
darauf
warten
, daß mir
keines
Menschen
Auge
den
Durchgang
verbot
. Am
Abend
suchte
ich
Herberge
in den
Dörfern
zu
nehmen
. Ich
ging
eigentlich
nach einem
Bergwerk
im
Gebirge
, wo ich
Arbeit
unter der
Erde
zu
finden
gedachte
;
denn
, davon
abgesehen
, daß meine
jetzige
Lage
mir
gebot
,
für
meinen
Lebensunterhalt
selbst zu
sorgen
, hatte ich dieses
wohl
erkannt
, daß mich allein
angestrengte
Arbeit
gegen meine
zerstörenden
Gedanken
schützen
könnte
.
Ein
paar
regnichte
Tage
förderten
mich
leicht
auf dem
Weg
, aber auf
Kosten
meiner
Stiefel
, deren
Sohlen
für
den
Grafen
Peter
, und nicht
für
den
Fußknecht
berechnet
worden
. Ich
ging
schon auf den
bloßen
Füßen
. Ich
mußte
ein
Paar
neue
Stiefel
anschaffen
. Am
nächsten
Morgen
besorgte
ich dieses
Geschäft
mit
vielem
Ernst
in einem
Flecken
, wo
Kirmeß
war, und wo in einer
Bude
alte
und
neue
Stiefel
zu
Kauf
standen
. Ich
wählte
und
handelte
lange
. Ich
mußte
auf ein
Paar
neue
, die ich
gern
gehabt
hätte,
Verzicht
leisten
; mich
schreckte
die
unbillige
Forderung
. Ich
begnügte
mich also mit
alten
, die noch
gut
und
stark
waren
, und die mir der
schöne
blondlockige
Knabe
, der die
Bude
hielt
, gegen
gleich
bare
Bezahlung
,
freundlich
lächelnd
einhändigte
,
indem
er mir
Glück
auf den
Weg
wünschte
. Ich
zog
sie
gleich
an und
ging
zum
nördlich
gelegenen
Tor
aus dem
Ort
.
Ich war in meinen
Gedanken
sehr
vertieft
, und
sah
kaum
, wo ich den
Fuß
hinsetzte
,
denn
ich
dachte
an das
Bergwerk
, wo ich auf den
Abend
noch
anzulangen
hoffte
, und wo ich nicht
recht
wußte
, wie ich mich
ankündigen
sollte
. Ich war noch keine
zweihundert
Schritte
gegangen
, als ich
bemerkte
, daß ich aus dem
Wege
gekommen
war; ich
sah
mich danach um, ich
befand
mich in einem
wüsten
,
uralten
Tannenwalde
,
woran
die
Axt
nie
gelegt
worden
zu
sein
schien
. Ich
drang
noch einige
Schritte
vor
, ich
sah
mich
mitten
unter
öden
Felsen
, die nur mit
Moos
und
Steinbrecharten
bewachsen
waren
, und zwischen
welchen
Schnee-
und
Eisfelder
lagen
. Die
Luft
war sehr
kalt
, ich
sah
mich um, der
Wald
war hinter mir
verschwunden
. Ich
machte
noch einige
Schritte
- um mich
herrschte
die
Stille
des
Todes
,
unabsehbar
dehnte
sich das
Eis
,
worauf
ich
stand
, und
worauf
ein
dichter
Nebel
schwer
ruhte
; die
Sonne
stand
blutig
am
Rande
des
Horizontes
. Die
Kälte
war
unerträglich
. Ich
wußte
nicht, wie mir
geschehen
war, der
erstarrende
Frost
zwang
mich, meine
Schritte
zu
beschleunigen
, ich
vernahm
nur das
Gebrause
ferner
Gewässer
, ein
Schritt
, und ich war am
Eisufer
eines
Ozeans
.
Unzählbare
Herden
von
Seehunden
stürzten
sich
vor
mir
rauschend
in die
Flut
. Ich
folgte
diesem
Ufer
, ich
sah
wieder
nackte
Felsen
,
Land
,
Birken-
und
Tannenwälder
, ich
lief
noch ein
paar
Minuten
gerade
vor
mir hin. Es war
erstickend
heiß
, ich
sah
mich um, ich
stand
zwischen
schön
gebauten
Reisfeldern
unter
Maulbeerbäumen
. Ich
setzte
mich in deren
Schatten
, ich
sah
nach meiner
Uhr
, ich hatte
vor
nicht einer
Viertelstunde
den
Marktflecken
verlassen
, - ich
glaubte
zu
träumen
, ich
biß
mich in die
Zunge
, um mich zu
erwecken
; aber ich
wachte
wirklich
. - Ich
schloß
die
Augen
zu, um meine
Gedanken
zusammen
zu
fassen
. - Ich
hörte
vor
mir
seltsame
Sylben
durch die
Nase
zählen
; ich
blickte
auf: zwei
Chinesen
, an der
asiatischen
Gesichtsbildung
unverkennbar
, wenn ich auch ihrer
Kleidung
keinen
Glauben
beimessen
wollte
,
redeten
mich mit
landesüblichen
Begrüßungen
in ihrer
Sprache
an; ich
stand
auf und
trat
zwei
Schritte
zurück
. Ich
sah
sie nicht mehr, die
Landschaft
war
ganz
verändert
:
Bäume
,
Wälder
, statt der
Reisfelder
. Ich
betrachtete
diese
Bäume
und die
Kräuter
, die um mich
blühten
; die ich
kannte
,
waren
südöstlich
asiatische
Gewächse
; ich
wollte
auf den einen
Baum
zugehen
, ein
Schritt
- und
wiederum
alles
verändert
. Ich
trat
nun an, wie ein
Rekrut
, der
geübt
wird, und
schritt
langsam
,
gesetzt
einher
.
Wunderbar
veränderliche
Länder
,
Fluren
,
Auen
,
Gebirge
,
Steppen
,
Sandwüsten
,
entrollen
sich
vor
meinem
staunenden
Blick
: es war kein
Zweifel
, ich hatte
Siebenmeilenstiefel
an den
Füßen
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