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Friedrich Wilhelm Nietzsche
Die Geburt der Tragödie
IntraText CT - Text
Versuch einer Selbstkritik.
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5.
Bereits
im
Vorwort
an
Richard
Wagner
wird die
Kunst
- und nicht die
Moral
- als die
eigentlich
metaphysische
Thätigkeit
des
Menschen
hingestellt
; im
Buche
selbst
kehrt
der
anzügliche
Satz
mehrfach
wieder,
dass
nur als
ästhetisches
Phänomen
das
Dasein
der
Welt
gerechtfertigt
ist. In der
That
, das
ganze
Buch
kennt
nur einen
Künstler-Sinn
und -
Hintersinn
hinter allem
Geschehen
, - einen "
Gott
", wenn man will, aber
gewiss
nur einen
gänzlich
unbedenklichen
und
unmoralischen
Künstler-Gott
, der im
Bauen
wie im
Zerstören
, im
Guten
wie im
Schlimmen
, seiner
gleichen
Lust
und
Selbstherrlichkeit
inne
werden will, der sich,
Welten
schaffend
, von der
Noth
der
Fülle
und
Ueberfülle
, vom
Leiden
der in
ihm
gedrängten
Gegensätze
löst
. Die
Welt
, in jedem
Augenblicke
die
erreichte
Erlösung
Gottes
, als die
ewig
wechselnde
,
ewig
neue
Vision
des
Leidendsten
,
Gegensätzlichsten
,
Widerspruchreichsten
, der nur im
Scheine
sich zu
erlösen
weiss
: diese
ganze
Artisten-Metaphysik
mag
man
willkürlich
,
müssig
,
phantastisch
nennen
-, das
Wesentliche
daran ist,
dass
sie
bereits
einen
Geist
verräth
, der sich
einmal
auf jede
Gefahr
hin gegen die
moralische
Ausdeutung
und
Bedeutsamkeit
des
Daseins
zur
Wehre
setzen
wird. Hier
kündigt
sich, vielleicht zum
ersten
Male
, ein
Pessimismus
"
jenseits
von
Gut
und
Böse
" an, hier
kommt
jene
"
Perversität
der
Gesinnung
" zu
Wort
und
Formel
, gegen
welche
Schopenhauer
nicht
müde
geworden
ist, im
Voraus
seine
zornigsten
Flüche
und
Donnerkeile
zu
schleudern
, - eine
Philosophie
,
welche
es
wagt
, die
Moral
selbst in die
Welt
der
Erscheinung
zu
setzen
,
herabzusetzen
und nicht nur unter die "
Erscheinungen
" (im
Sinne
des
idealistischen
terminus
technicus
),
sondern
unter die "
Täuschungen
", als
Schein
,
Wahn
,
Irrthum
,
Ausdeutung
,
Zurechtmachung
,
Kunst
. Vielleicht
lässt
sich die
Tiefe
dieses
widermoralischen
Hanges
am
besten
aus dem
behutsamen
und
feindseligen
Schweigen
ermessen
, mit dem in dem
ganzen
Buche
das
Christenthum
behandelt
ist, - das
Christenthum
als die
ausschweifendste
Durchfigurirung
des
moralischen
Thema
'
s
,
welche
die
Menschheit
bisher
anzuhören
bekommen
hat. In
Wahrheit
, es
giebt
zu der
rein
ästhetischen
Weltauslegung
und
Welt-Rechtfertigung
, wie sie in diesem
Buche
gelehrt
wird,
keinen
grösseren
Gegensatz
als die
christliche
Lehre
,
welche
nur
moralisch
ist und
sein
will und mit ihren
absoluten
Maassen
, zum
Beispiel
schon mit ihrer
Wahrhaftigkeit
Gottes
, die
Kunst
, jede
Kunst
in'
s
Reich
der
Lüge
verweist
, - das
heisst
verneint
,
verdammt
,
verurtheilt
. Hinter einer
derartigen
Denk-
und
Werthungsweise
,
welche
kunstfeindlich
sein
muss
, so
lange
sie irgendwie
ächt
ist,
empfand
ich von
jeher
auch das
Lebensfeindliche
, den
ingrimmigen
rachsüchtigen
Widerwillen
gegen das
Leben
selbst:
denn
alles
Leben
ruht
auf
Schein
,
Kunst
,
Täuschung
,
Optik
,
Nothwendigkeit
des
Perspektivischen
und des
Irrthums
.
Christenthum
war von
Anfang
an,
wesentlich
und
gründlich
,
Ekel
und
Ueberdruss
des
Lebens
am
Leben
,
welcher
sich unter dem
Glauben
an ein "
anderes
" oder "
besseres
"
Leben
nur
verkleidete
, nur
versteckte
, nur
aufputzte
. Der
Hass
auf die "
Welt
", der
Fluch
auf die
Affekte
, die
Furcht
vor
der
Schönheit
und
Sinnlichkeit
, ein
Jenseits
,
erfunden
, um das
Diesseits
besser
zu
verleumden
, im
Grunde
ein
Verlangen
in'
s
Nichts, an'
s
Ende
, in'
s
Ausruhen
, hin zum "
Sabbat
der
Sabbate
" - dies Alles
dünkte
mich,
ebenso
wie der
unbedingte
Wille
des
Christenthums
, nur
moralische
Werthe
gelten
zu
lassen
, immer wie die
gefährlichste
und
unheimlichste
Form
aller
möglichen
Formen
eines "
Willens
zum
Untergang
", zum
Mindesten
ein
Zeichen
tiefster
Erkrankung
,
Müdigkeit
,
Missmuthigkeit
,
Erschöpfung
,
Verarmung
an
Leben
, -
denn
vor
der
Moral
(in
Sonderheit
christlichen
, das
heisst
unbedingten
Moral
)
muss
das
Leben
beständig
und
unvermeidlich
Unrecht
bekommen
, weil
Leben
etwas
essentiell
Unmoralisches
ist, -
muss
endlich
das
Leben
,
erdrückt
unter dem
Gewichte
der
Verachtung
und des
ewigen
Nein'
s
, als
begehrens-unwürdig
, als
unwerth
an sich
empfunden
werden.
Moral
selbst - wie?
sollte
Moral
nicht ein "
Wille
zur
Verneinung
des
Lebens
", ein
heimlicher
Instinkt
der
Vernichtung
, ein
Verfalls-
,
Verkleinerungs-
,
Verleumdungsprincip
, ein
Anfang
vom
Ende
sein
? Und,
folglich
, die
Gefahr
der
Gefahren
?... Gegen die
Moral
also
kehrte
sich damals, mit diesem
fragwürdigen
Buche
, mein
Instinkt
, als ein
fürsprechender
Instinkt
des
Lebens
, und
erfand
sich eine
grundsätzliche
Gegenlehre
und
Gegenwerthung
des
Lebens
, eine
rein
artistische
, eine
antichristliche
. Wie sie
nennen
? Als
Philologe
und
Mensch
der
Worte
taufte
ich sie, nicht ohne einige
Freiheit
-
denn
wer
wüsste
den
rechten
Namen
des
Antichrist
? - auf den
Namen
eines
griechischen
Gottes
: ich
hiess
sie die
dionysische
. -
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