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Friedrich Wilhelm Nietzsche
Die Geburt der Tragödie
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Vorwort an Richard Wagner.
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21.
Von diesen
exhortativen
Tönen
in die
Stimmung
zurückgleitend
, die dem
Beschaulichen
geziemt
,
wiederhole
ich,
dass
nur von den
Griechen
gelernt
werden kann, was ein
solches
wundergleiches
plötzliches
Aufwachen
der
Tragödie
für
den
innersten
Lebensgrund
eines
Volkes
zu
bedeuten
hat. Es ist das
Volk
der
tragischen
Mysterien
, das die
Perserschlachten
schlägt
: und
wiederum
braucht
das
Volk
, das
jene
Kriege
geführt
hat, die
Tragödie
als
nothwendigen
Genesungstrank
. Wer
würde
gerade
bei diesem
Volke
, nachdem es durch mehrere
Generationen
von den
stärksten
Zuckungen
des
dionysischen
Dämon
bis in'
s
Innerste
erregt
wurde
, noch einen so
gleichmässig
kräftigen
Erguss
des
einfachsten
politischen
Gefühls
, der
natürlichsten
Heimatsinstincte
, der
ursprünglichen
männlichen
Kampflust
vermuthen
? Ist es doch bei jedem
bedeutenden
Umsichgreifen
dionysischer
Erregungen
immer zu
spüren
, wie die
dionysische
Lösung
von den
Fesseln
des
Individuums
sich am
allerersten
in einer bis zur
Gleichgültigkeit
, ja
Feindseligkeit
gesteigerten
Beeinträchtigung
der
politischen
Instincte
fühlbar
macht
, so
gewiss
andererseits
der
staatenbildende
Apollo
auch der
Genius
des
principii
individuationis
ist und
Staat
und
Heimatssinn
nicht ohne
Bejahung
der
individuellen
Persönlichkeit
leben
können
. Von dem
Orgiasmus
aus
führt
für
ein
Volk
nur ein
Weg
, der
Weg
zum
indischen
Buddhaismus
, der, um
überhaupt
mit seiner
Sehnsucht
in'
s
Nichts
ertragen
zu werden,
jener
seltnen
ekstatischen
Zustände
mit ihrer
Erhebung
über
Raum
,
Zeit
und
Individuum
bedarf
: wie diese
wiederum
eine
Philosophie
fordern
, die es
lehrt
, die
unbeschreibliche
Unlust
der
Zwischenzustände
durch eine
Vorstellung
zu
überwinden
.
Eben
so
nothwendig
geräth
ein
Volk
, von der
unbedingten
Geltung
der
politischen
Triebe
aus, in eine
Bahn
äusserster
Verweltlichung
, deren
grossartigster
, aber auch
erschrecklichster
Ausdruck
das
römische
imperium
ist.
Zwischen
Indien
und
Rom
hingestellt
und zu
verführerischer
Wahl
gedrängt
, ist es den
Griechen
gelungen
, in
classischer
Reinheit
eine
dritte
Form
hinzuzuerfinden
,
freilich
nicht zu
langem
eigenen
Gebrauche
, aber
eben
darum
für
die
Unsterblichkeit
.
Denn
dass
die
Lieblinge
der
Götter
früh
sterben
,
gilt
in
allen
Dingen
, aber
eben
so
gewiss
,
dass
sie mit den
Göttern
dann
ewig
leben
. Man
verlange
doch von dem
Alleredelsten
nicht,
dass
es die
haltbare
Zähigkeit
des
Leders
habe; die
derbe
Dauerhaftigkeit
, wie sie
z
.
B
. dem
römischen
Nationaltriebe
zu eigen war,
gehört
wahrscheinlich
nicht zu den
nothwendigen
Prädicaten
der
Vollkommenheit
. Wenn wir aber
fragen
, mit
welchem
Heilmittel
es den
Griechen
ermöglicht
war, in ihrer
grossen
Zeit
, bei der
ausserordentlichen
Stärke
ihrer
dionysischen
und
politischen
Triebe
, weder durch ein
ekstatisches
Brüten
, noch durch ein
verzehrendes
Haschen
nach
Weltmacht
und
Weltehre
sich zu
erschöpfen
,
sondern
jene
herrliche
Mischung
zu
erreichen
, wie sie ein
edler
,
zugleich
befeuernder
und
beschaulich
stimmender
Wein
hat, so
müssen
wir der
ungeheuren
, das
ganze
Volksleben
erregenden
,
reinigenden
und
entladenden
Gewalt
der
Tragödie
eingedenk
sein
; deren
höchsten
Werth
wir
erst
ahnen
werden, wenn sie uns, wie bei den
Griechen
, als
Inbegriff
aller
prophylaktischen
Heilkräfte
, als die zwischen den
stärksten
und an sich
verhängnissvollsten
Eigenschaften
des
Volkes
waltende
Mittlerin
entgegentritt
.
Die
Tragödie
saugt
den
höchsten
Musikorgiasmus
in sich hinein, so
dass
sie
geradezu
die
Musik
, bei den
Griechen
, wie bei uns, zur
Vollendung
bringt
,
stellt
dann aber den
tragischen
Mythus
und den
tragischen
Helden
daneben
, der dann, einem
mächtigen
Titanen
gleich
, die
ganze
dionysische
Welt
auf seinen
Rücken
nimmt
und uns davon
entlastet
:
während
sie
andrerseits
durch
denselben
tragischen
Mythus
, in der
Person
des
tragischen
Helden
, von dem
gierigen
Drange
nach diesem
Dasein
zu
erlösen
weiss
, und mit
mahnender
Hand
an ein
anderes
Sein
und an eine
höhere
Lust
erinnert
, zu
welcher
der
kämpfende
Held
durch seinen
Untergang
, nicht durch seine
Siege
sich
ahnungsvoll
vorbereitet
. Die
Tragödie
stellt
zwischen die
universale
Geltung
ihrer
Musik
und den
dionysisch
empfänglichen
Zuhörer
ein
erhabenes
Gleichniss
, den
Mythus
, und
erweckt
bei jenem den
Schein
, als ob die
Musik
nur ein
höchstes
Darstellungsmittel
zur
Belebung
der
plastischen
Welt
des
Mythus
sei
. Dieser
edlen
Täuschung
vertrauend
darf
sie jetzt ihre
Glieder
zum
dithyrambischen
Tanze
bewegen
und sich
unbedenklich
einem
orgiastischen
Gefühle
der
Freiheit
hingeben
, in
welchem
sie als
Musik
an sich, ohne
jene
Täuschung
, nicht zu
schwelgen
wagen
dürfte
. Der
Mythus
schützt
uns
vor
der
Musik
, wie er ihr
andrerseits
erst
die
höchste
Freiheit
giebt
. Dafür
verleiht
die
Musik
, als
Gegengeschenk
, dem
tragischen
Mythus
eine so
eindringliche
und
überzeugende
metaphysische
Bedeutsamkeit
, wie sie
Wort
und
Bild
, ohne
jene
einzige
Hülfe
,
nie
zu
erreichen
vermögen
; und
insbesondere
überkommt
durch sie den
tragischen
Zuschauer
gerade
jenes
sichere
Vorgefühl
einer
höchsten
Lust
, zu der der
Weg
durch
Untergang
und
Verneinung
führt
, so
dass
er zu
hören
meint
, als ob der
innerste
Abgrund
der
Dinge
zu
ihm
vernehmlich
spräche
.
Habe ich dieser
schwierigen
Vorstellung
mit den
letzten
Sätzen
vielleicht nur einen
vorläufigen
,
für
Wenige
sofort
verständlichen
Ausdruck
zu
geben
vermocht
, so
darf
ich
gerade
an dieser
Stelle
nicht
ablassen
, meine
Freunde
zu einem
nochmaligen
Versuche
anzureizen
und sie zu
bitten
, an einem
einzelnen
Beispiele
unsrer
gemeinsamen
Erfahrung
sich
für
die
Erkenntniss
des
allgemeinen
Satzes
vorzubereiten
. Bei diesem
Beispiele
darf
ich mich nicht auf
jene
beziehn
,
welche
die
Bilder
der
scenischen
Vorgänge
, die
Worte
und
Affecte
der
handelnden
Personen
benutzen
, um sich mit dieser
Hülfe
der
Musikempfindung
anzunähern
;
denn
diese alle
reden
nicht
Musik
als
Muttersprache
und
kommen
auch,
trotz
jener
Hülfe
, nicht weiter als in die
Vorhallen
der
Musikperception
, ohne
je
deren
innerste
Heiligthümer
berühren
zu
dürfen
;
manche
von diesen, wie
Gervinus
,
gelangen
auf diesem
Wege
nicht
einmal
in die
Vorhallen
.
Sondern
nur an
diejenigen
habe ich mich zu
wenden
, die,
unmittelbar
verwandt
mit der
Musik
, in ihr
gleichsam
ihren
Mutterschooss
haben und mit den
Dingen
fast nur durch
unbewusste
Musikrelationen
in
Verbindung
stehen
. An diese
ächten
Musiker
richte
ich die
Frage
, ob sie sich einen
Menschen
denken
können
, der den
dritten
Act
von "
Tristan
und
Isolde
" ohne alle
Beihülfe
von
Wort
und
Bild
rein
als
ungeheuren
symphonischen
Satz
zu
percipiren
im
Stande
wäre
, ohne unter einem
krampfartigen
Ausspannen
aller
Seelenflügel
zu
verathmen
? Ein
Mensch
, der wie hier das
Ohr
gleichsam
an die
Herzkammer
des
Weltwillens
gelegt
hat, der das
rasende
Begehren
zum
Dasein
als
donnernden
Strom
oder als
zartesten
zerstäubten
Bach
von hier aus in alle
Adern
der
Welt
sich
ergiessen
fühlt
, er
sollte
nicht
jählings
zerbrechen
? Er
sollte
es
ertragen
, in der
elenden
gläsernen
Hülle
des
menschlichen
Individuums
, den
Wiederklang
zahlloser
Lust
- und
Weherufe
aus dem "
weiten
Raum
der
Weltennacht
" zu
vernehmen
, ohne bei diesem
Hirtenreigen
der
Metaphysik
sich seiner
Urheimat
unaufhaltsam
zuzuflüchten
? Wenn aber doch ein
solches
Werk
als
Ganzes
percipirt
werden kann, ohne
Verneinung
der
Individualexistenz
, wenn eine solche
Schöpfung
geschaffen
werden konnte, ohne ihren
Schöpfer
zu
zerschmettern
- woher
nehmen
wir die
Lösung
eines
solchen
Widerspruches
?
Hier
drängt
sich zwischen unsre
höchste
Musikerregung
und
jene
Musik
der
tragische
Mythus
und der
tragische
Held
, im
Grunde
nur als
Gleichniss
der
alleruniversalsten
Thatsachen
, von denen allein die
Musik
auf
directem
Wege
reden
kann. Als
Gleichniss
würde
nun aber der
Mythus
, wenn wir als
rein
dionysische
Wesen
empfänden
,
gänzlich
wirkungslos
und
unbeachtet
neben uns
stehen
bleiben
, und uns
keinen
Augenblick
abwendig
davon
machen
, unser
Ohr
dem
Wiederklang
der
universalia
ante
rem
zu
bieten
. Hier
bricht
jedoch
die
apollinische
Kraft
, auf
Wiederherstellung
des fast
zersprengten
Individuums
gerichtet
, mit dem
Heilbalsam
einer
wonnevollen
Täuschung
hervor
:
plötzlich
glauben
wir nur noch
Tristan
zu
sehen
, wie er
bewegungslos
und
dumpf
sich
fragt
: "die
alte
Weise
; was
weckt
sie mich?" Und was uns
früher
wie ein
hohles
Seufzen
aus dem
Mittelpunkte
des
Seins
anmuthete
, das will uns jetzt nur
sagen
, wie "
öd
und
leer
das
Meer
." Und wo wir
athemlos
zu
erlöschen
wähnten
, im
krampfartigen
Sichausrecken
aller
Gefühle
, und nur ein
Weniges
uns mit dieser
Existenz
zusammenknüpfte
,
hören
und
sehen
wir jetzt nur den zum
Tode
verwundeten
und doch nicht
sterbenden
Helden
, mit seinem
verzweiflungsvollen
Rufe
: "
Sehnen
!
Sehnen
! Im
Sterben
mich zu
sehnen
,
vor
Sehnsucht
nicht zu
sterben
!" Und wenn
früher
der
Jubel
des
Horns
nach
solchem
Uebermaass
und
solcher
Ueberzahl
verzehrender
Qualen
fast wie der
Qualen
höchste
uns das
Herz
zerschnitt
, so
steht
jetzt zwischen uns und diesem "
Jubel
an sich" der
jauchzende
Kurwenal
, dem
Schiffe
, das
Isolden
trägt
,
zugewandt
. So
gewaltig
auch das
Mitleiden
in uns
hineingreift
, in einem
gewissen
Sinne
rettet
uns doch das
Mitleiden
vor
dem
Urleiden
der
Welt
, wie das
Gleichnissbild
des
Mythus
uns
vor
dem
unmittelbaren
Anschauen
der
höchsten
Weltidee
, wie der
Gedanke
und das
Wort
uns
vor
dem
ungedämmten
Ergusse
des
unbewussten
Willens
rettet
. Durch
jene
herrliche
apollinische
Täuschung
dünkt
es uns, als ob uns selbst das
Tonreich
wie eine
plastische
Welt
gegenüber
träte
, als ob auch in ihr nur
Tristan
'
s
und
Isoldens
Schicksal
, wie in einem
allerzartesten
und
ausdrucksfähigsten
Stoffe
,
geformt
und
bildnerisch
ausgeprägt
worden
sei
.
So
entreisst
uns das
Apollinische
der
dionysischen
Allgemeinheit
und
entzückt
uns
für
die
Individuen
; an diese
fesselt
es unsre
Mitleidserregung
, durch diese
befriedigt
es den nach
grossen
und
erhabenen
Formen
lechzenden
Schönheitssinn
; es
führt
an uns
Lebensbilder
vorbei
und
reizt
uns zu
gedankenhaftem
Erfassen
des in ihnen
enthaltenen
Lebenskernes
. Mit der
ungeheuren
Wucht
des
Bildes
, des
Begriffs
, der
ethischen
Lehre
, der
sympathischen
Erregung
reisst
das
Apollinische
den
Menschen
aus seiner
orgiastischen
Selbstvernichtung
empor
und
täuscht
ihn
über die
Allgemeinheit
des
dionysischen
Vorganges
hinweg
zu dem
Wahne
,
dass
er ein
einzelnes
Weltbild
,
z
.
B
.
Tristan
und
Isolde
,
sehe
und es, durch die
Musik
, nur noch
besser
und
innerlicher
sehen
solle
. Was
vermag
nicht der
heilkundige
Zauber
des
Apollo
, wenn er selbst in uns die
Täuschung
aufregen
kann, als ob
wirklich
das
Dionysische
, im
Dienste
des
Apollinischen
, dessen
Wirkungen
zu
steigern
vermöchte
, ja als ob die
Musik
sogar
wesentlich
Darstellungskunst
für
einen
apollinischen
Inhalt
sei
?
Bei
jener
prästabilirten
Harmonie
, die zwischen dem
vollendeten
Drama
und seiner
Musik
waltet
,
erreicht
das
Drama
einen
höchsten
,
für
das
Wortdrama
sonst
unzugänglichen
Grad
von
Schaubarkeit
. Wie alle
lebendigen
Gestalten
der
Scene
in den
selbständig
bewegten
Melodienlinien
sich zur
Deutlichkeit
der
geschwungenen
Linie
vor
uns
vereinfachen
,
ertönt
uns das
Nebeneinander
dieser
Linien
in dem mit dem
bewegten
Vorgange
auf
zarteste
Weise
sympathisirenden
Harmonienwechsel
: durch
welchen
uns die
Relationen
der
Dinge
in
sinnlich
wahrnehmbarer
,
keinesfalls
abstracter
Weise
,
unmittelbar
vernehmbar
werden, wie wir
gleichfalls
durch
ihn
erkennen
,
dass
erst
in diesen
Relationen
das
Wesen
eines
Charakters
und einer
Melodienlinie
sich
rein
offenbare
. Und
während
uns so die
Musik
zwingt
, mehr und
innerlicher
als sonst zu
sehen
, und den
Vorgang
der
Scene
wie ein
zartes
Gespinnst
vor
uns
auszubreiten
, ist
für
unser
vergeistigtes
, in'
s
Innere
blickendes
Auge
die
Welt
der
Bühne
eben
so
unendlich
erweitert
als von
innen
heraus
erleuchtet
. Was
vermöchte
der
Wortdichter
Analoges
zu
bieten
, der mit einem viel
unvollkommneren
Mechanismus
, auf
indirectem
Wege
, vom
Wort
und vom
Begriff
aus,
jene
innerliche
Erweiterung
der
schaubaren
Bühnenwelt
und ihre
innere
Erleuchtung
zu
erreichen
sich
abmüht
?
Nimmt
nun zwar auch die
musikalische
Tragödie
das
Wort
hinzu, so kann sie doch
zugleich
den
Untergrund
und die
Geburtsstätte
des
Wortes
danebenstellen
und uns das Werden des
Wortes
, von
innen
heraus
,
verdeutlichen
.
Aber von diesem
geschilderten
Vorgang
wäre
doch
eben
so
bestimmt
zu
sagen
,
dass
er nur ein
herrlicher
Schein
,
nämlich
jene
vorhin
erwähnte
apollinische
Täuschung
sei
, durch deren
Wirkung
wir von dem
dionysischen
Andrange
und
Uebermaasse
entlastet
werden
sollen
. Im
Grunde
ist ja das
Verhältniss
der
Musik
zum
Drama
gerade
das
umgekehrte
: die
Musik
ist die
eigentliche
Idee
der
Welt
, das
Drama
nur ein
Abglanz
dieser
Idee
, ein
vereinzeltes
Schattenbild
derselben
.
Jene
Identität
zwischen der
Melodienlinie
und der
lebendigen
Gestalt
, zwischen der
Harmonie
und den
Charakterrelationen
jener
Gestalt
ist in einem
entgegengesetzten
Sinne
wahr
, als es uns, beim
Anschauen
der
musikalischen
Tragödie
,
dünken
möchte
. Wir
mögen
die
Gestalt
uns auf das
Sichtbarste
bewegen
,
beleben
und von
innen
heraus
beleuchten
, sie
bleibt
immer nur die
Erscheinung
, von der es keine
Brücke
giebt
, die in die
wahre
Realität
, in'
s
Herz
der
Welt
führte
. Aus diesem
Herzen
heraus
aber
redet
die
Musik
; und
zahllose
Erscheinungen
jener
Art
dürften
an der
gleichen
Musik
vorüberziehn
, sie
würden
nie
das
Wesen
derselben
erschöpfen
,
sondern
immer nur ihre
veräusserlichten
Abbilder
sein
. Mit dem
populären
und
gänzlich
falschen
Gegensatz
von
Seele
und
Körper
ist
freilich
für
das
schwierige
Verhältniss
von
Musik
und
Drama
nichts zu
erklären
und alles zu
verwirren
; aber die
unphilosophische
Rohheit
jenes
Gegensatzes
scheint
gerade
bei
unseren
Aesthetikern
, wer
weiss
aus
welchen
Gründen
, zu einem
gern
bekannten
Glaubensartikel
geworden
zu
sein
,
während
sie über einen
Gegensatz
der
Erscheinung
und des
Dinges
an sich nichts
gelernt
haben oder, aus
ebenfalls
unbekannten
Gründen
, nichts
lernen
mochten
.
Sollte
es sich bei unserer
Analysis
ergeben
haben,
dass
das
Apollinische
in der
Tragödie
durch seine
Täuschung
völlig
den
Sieg
über das
dionysische
Urelement
der
Musik
davongetragen
und sich diese zu ihren
Absichten
,
nämlich
zu einer
höchsten
Verdeutlichung
des
Drama
'
s
,
nutzbar
gemacht
habe, so
wäre
freilich
eine sehr
wichtige
Einschränkung
hinzuzufügen
: in dem
allerwesentlichsten
Punkte
ist
jene
apollinische
Täuschung
durchbrochen
und
vernichtet
. Das
Drama
, das in so
innerlich
erleuchteter
Deutlichkeit
aller
Bewegungen
und
Gestalten
, mit
Hülfe
der
Musik
, sich
vor
uns
ausbreitet
, als ob wir das
Gewebe
am
Webstuhl
im Auf - und
Niederzucken
entstehen
sehen
-
erreicht
als
Ganzes
eine
Wirkung
, die
jenseits
aller
apollinischen
Kunstwirkungen
liegt
. In der
Gesammtwirkung
der
Tragödie
erlangt
das
Dionysische
wieder das
Uebergewicht
; sie
schliesst
mit einem
Klange
, der
niemals
von dem
Reiche
der
apollinischen
Kunst
her
tönen
könnte
. Und damit
erweist
sich die
apollinische
Täuschung
als das, was sie ist, als die
während
der
Dauer
der
Tragödie
anhaltende
Umschleierung
der
eigentlichen
dionysischen
Wirkung
: die doch so
mächtig
ist, am
Schluss
das
apollinische
Drama
selbst in eine
Sphäre
zu
drängen
, wo es mit
dionysischer
Weisheit
zu
reden
beginnt
und wo es sich selbst und seine
apollinische
Sichtbarkeit
verneint
. So
wäre
wirklich
das
schwierige
Verhältniss
des
Apollinischen
und des
Dionysischen
in der
Tragödie
durch einen
Bruderbund
beider
Gottheiten
zu
symbolisiren
:
Dionysus
redet
die
Sprache
des
Apollo
,
Apollo
aber
schliesslich
die
Sprache
des
Dionysus
: womit das
höchste
Ziel
der
Tragödie
und der
Kunst
überhaupt
erreicht
ist.
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