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Immanuel Kant
Kritik der reinen Vernunft
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II. Transzendentale Methodenlehre
Erstes Hauptstück Die Disziplin der reinen Vernunft
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Erstes
Hauptstück
Die
Disziplin
der
reinen
Vernunft
Die
negativen
Urteile
, die es nicht
bloß
der
logischen
Form
,
sondern
auch dem
Inhalte
nach sind,
stehen
bei der
Wißbegierde
der
Menschen
in keiner
sonderlichen
Achtung
, man
sieht
sie
wohl
gar
als
neidische
Feinde
unseres
unablässig
zur
Erweiterung
strebenden
Erkenntnistriebes
an, und es
bedarf
beinahe
einer
Apologie
, um ihnen nur
Duldung
, und noch mehr, um ihnen
Gunst
und
Hochschätzung
zu
verschaffen
.
Man kann zwar
logisch
alle
Sätze
, die man will,
negativ
ausdrücken
, in
Ansehung
des
Inhalts
aber unserer
Erkenntnis
überhaupt
, ob sie durch ein
Urteil
erweitert
, oder
beschränkt
wird, haben die
verneinenden
das
eigentümliche
Geschäft
,
lediglich
den
Irrtum
abzuhalten
. Daher auch
negative
Sätze
,
welche
eine
falsche
Erkenntnis
abhalten
sollen
, wo doch
niemals
ein
Irrtum
möglich
ist, zwar sehr
wahr
, aber doch
leer
,
d.i.
ihrem
Zwecke
gar
nicht
angemessen
, und
eben
darum
oft
lächerlich
sind. Wie der
Satz
jenes
Schulredners
: daß
Alexander
ohne
Kriegsheer
keine
Länder
hätte
erobern
können
.
Wo aber die
Schranken
unserer
möglichen
Erkenntnis
sehr
enge
, der
Anreiz
zum
Urteilen
groß
, der
Schein
, der sich
darbietet
, sehr
betrüglich
, und der
Nachteil
aus dem
Irrtum
erheblich
ist,
da
hat das
Negative
der
Unterweisung
,
welches
bloß
dazu
dient
, um uns
vor
Irrtümer
zu
verwahren
, noch mehr
Wichtigkeit
, als
manche
positive
Belehrung
,
dadurch
unser
Erkenntnis
Zuwachs
bekommen
könnte
. Man
nennt
den
Zwang
,
wodurch
der
beständige
Hang
, von
gewissen
Regeln
abzuweichen
,
eingeschränkt
, und
endlich
vertilgt
wird, die
Disziplin
. Sie ist von der
Kultur
unterschieden
,
welche
bloß
eine
Fertigkeit
verschaffen
soll
, ohne eine
andere
, schon
vorhandene
,
dagegen
aufzuheben
. Zu der
Bildung
eines
Talents
,
welches
schon
vor
sich selbst einen
Antrieb
zur
Äußerung
hat, wird also die
Disziplin
einen
negativen
68
, die
Kultur
aber und
Doktrin
einen
positiven
Beitrag
leisten
.
Daß das
Temperament
,
imgleichen
daß
Talente
, die sich
gern
eine
freie
und
uneingeschränkte
Bewegung
erlauben
, (als
Einbildungskraft
und
Witz
,) in
mancher
Absicht
einer
Disziplin
bedürfen
, wird
jedermann
leicht
zugeben
. Daß aber die
Vernunft
, der es
eigentlich
obliegt
,
allen
anderen
Bestrebungen
ihre
Disziplin
vorzuschreiben
, selbst noch eine solche
nötig
habe, das
mag
allerdings
befremdlich
scheinen
, und in der
Tat
ist sie auch einer
solchen
Demütigung
eben
darum
bisher
entgangen
, weil, bei der
Feierlichkeit
und dem
gründlichen
Anstande
, womit sie
auftritt
, niemand auf den
Verdacht
eines
leichtsinnigen
Spiels
, mit
Einbildungen
statt
Begriffen
, und
Worten
statt
Sachen
,
leichtlich
geraten
konnte.
Es
bedarf
keiner
Kritik
der
Vernunft
im
empirischen
Gebrauche
, weil ihre
Grundsätze
am
Probierstein
der
Erfahrung
einer
kontinuierlichen
Prüfung
unterworfen
werden;
imgleichen
auch nicht in der
Mathematik
, wo ihre
Begriffe
an der
reinen
Anschauung
sofort
in
concreto
dargestellt
werden
müssen
, und jedes
Ungegründete
und
Willkürliche
dadurch
alsbald
offenbar
wird. Wo aber weder
empirische
noch
reine
Anschauung
die
Vernunft
in einem
sichtbaren
Geleise
halten
,
nämlich
in ihrem
transzendentalen
Gebrauche
, nach
bloßen
Begriffen
,
da
bedarf
sie so sehr einer
Disziplin
, die ihren
Hang
zur
Erweiterung
, über die
engen
Grenzen
möglicher
Erfahrung
,
bändige
, und sie von
Ausschweifung
und
Irrtum
abhalte
, daß auch die
ganze
Philosophie
der
reinen
Vernunft
bloß
mit diesem
negativen
Nutzen
zu tun hat.
Einzelnen
Verirrungen
kann durch
Zensur
und den
Ursachen
derselben
durch
Kritik
abgeholfen
werden. Wo aber, wie in der
reinen
Vernunft
, ein
ganzes
System
von
Täuschungen
und
Blendwerken
angetroffen
wird, die unter sich
wohl
verbunden
und unter
gemeinschaftlichen
Prinzipien
vereinigt
sind,
da
scheint
eine
ganz
eigene und zwar
negative
Gesetzgebung
erforderlich
zu
sein
,
welche
unter dem
Namen
einer
Disziplin
aus der
Natur
der
Vernunft
und der
Gegenstände
ihres
reinen
Gebrauchs
gleichsam
ein
System
der
Vorsicht
und
Selbstprüfung
errichte
,
vor
welchem
kein
falscher
vernünftelnder
Schein
bestehen
kann,
sondern
sich
sofort
,
unerachtet
aller
Gründe
seiner
Beschönigung
,
verraten
muß
.
Es ist aber
wohl
zu
merken
: daß ich in diesem
zweiten
Hauptteile
der
transzendentalen
Kritik
die
Disziplin
der
reinen
Vernunft
nicht auf den
Inhalt
,
sondern
bloß
auf die
Methode
der
Erkenntnis
aus
reiner
Vernunft
richte
. Das
erstere
ist schon in der
Elementarlehre
geschehen
. Es hat aber der
Vernunftgebrauch
so viel
Ähnliches
, auf
welchen
Gegenstand
er auch
angewandt
werden
mag
, und ist doch,
sofern
er
transzendental
sein
soll
,
zugleich
von allem
anderen
so
wesentlich
unterschieden
, daß, ohne die
warnende
Negativlehre
einer
besonders
darauf
gestellten
Disziplin
, die
Irrtümer
nicht zu
verhüten
sind, die aus einer
unschicklichen
Befolgung
solcher
Methoden
, die zwar sonst der
Vernunft
, aber nur nicht hier
anpassen
,
notwendig
entspringen
müssen
.
68
Ich
weiß
wohl
, daß man in der
Schulsprache
den
Namen
der
Disziplin
mit dem der
Unterweisung
gleichgeltend
zu
brauchen
pflegt
. Allein, es
gibt
dagegen
so viele
andere
Fälle
,
da
der
erstere
Ausdruck
, als
Zucht
, von dem
zweiten
, als
Belehrung
,
sorgfältig
unterschieden
wird, und die
Natur
der
Dinge
erheischt
es auch selbst,
für
diesen
Unterschied
die
einzigen
schicklichen
Ausdrücke
aufzubewahren
, daß ich
wünsche
, man
möge
niemals
erlauben
,
jenes
Wort
in anderer als
negativer
Bedeutung
zu
brauchen
.
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