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Immanuel Kant
Kritik der reinen Vernunft
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II. Transzendentale Methodenlehre
Erstes Hauptstück Die Disziplin der reinen Vernunft
Dritter Abschnitt Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung der Hypothesen
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Dritter
Abschnitt
Die
Disziplin
der
reinen
Vernunft
in
Ansehung
der
Hypothesen
Weil wir
denn
durch
Kritik
unserer
Vernunft
endlich
so viel
wissen
, daß wir in ihrem
reinen
und
spekulativen
Gebrauche
in der
Tat
gar
nichts
wissen
können
;
sollte
sie nicht ein
desto
weiteres
Feld
zu
Hypothesen
eröffnen
,
da
es
wenigstens
vergönnt
ist, zu
dichten
und zu meinen,
wenngleich
nicht zu
behaupten
?
Wo nicht etwa
Einbildungskraft
schwärmen
,
sondern
, unter der
strengen
Aufsicht
der
Vernunft
,
dichten
soll
, so
muß
immer
vorher
etwas
völlig
gewiß
und nicht
erdichtet
, oder
bloße
Meinung
sein
, und das ist die
Möglichkeit
des
Gegenstandes
selbst.
Alsdann
ist es
wohl
erlaubt
, wegen der
Wirklichkeit
desselben
, zur
Meinung
seine
Zuflucht
zu
nehmen
, die aber, um nicht
grundlos
zu
sein
, mit dem, was
wirklich
gegeben
und
folglich
gewiß
ist, als
Erklärungsgrund
in
Verknüpfung
gebracht
werden
muß
, und
alsdann
Hypothese
heißt
.
Da
wir uns nun von der
Möglichkeit
der
dynamischen
Verknüpfung
a
priori
nicht den
mindesten
Begriff
machen
können
, und die
Kategorie
des
reinen
Verstandes
nicht dazu
dient
,
dergleichen
zu
erdenken
,
sondern
nur, wo sie in der
Erfahrung
angetroffen
wird, zu
verstehen
: so
können
wir nicht einen
einzigen
Gegenstand
, nach einer
neuen
und
empirisch
nicht
anzugebenden
Beschaffenheit
, diesen
Kategorien
gemäß
,
ursprünglich
aussinnen
und sie einer
erlaubten
Hypothese
zum
Grunde
legen
;
denn
dieses
hieße
, der
Vernunft
leere
Hirngespinste
, statt der
Begriffe
von
Sachen
,
unterzulegen
. So ist es nicht
erlaubt
, sich
irgend
neue
ursprüngliche
Kräfte
zu
erdenken
,
z
.
B
. einen
Verstand
, der
vermögend
sei
, seinen
Gegenstand
ohne
Sinne
anzuschauen
, oder eine
Anziehungskraft
ohne alle
Berührung
, oder eine
neue
Art
Substanzen
,
z
.
B
. die ohne
Undurchdringlichkeit
im
Raume
gegenwärtig
wäre
,
folglich
auch keine
Gemeinschaft
der
Substanzen
, die von aller
derjenigen
unterschieden
ist,
welche
Erfahrung
an die
Hand
gibt
: keine
Gegenwart
anders, als im
Raume
; keine
Dauer
, als
bloß
in der
Zeit
. Mit einem
Worte
: es ist unserer
Vernunft
nur
möglich
, die
Bedingungen
möglicher
Erfahrung
als
Bedingungen
der
Möglichkeit
der
Sachen
zu
brauchen
;
keineswegs
aber,
ganz
unabhängig
von diesen, sich selbst
welche
gleichsam
zu
schaffen
, weil
dergleichen
Begriffe
,
obzwar
ohne
Widerspruch
,
dennoch
auch ohne
Gegenstand
sein
würden
.
Die
Vernunftbegriffe
sind, wie
gesagt
,
bloße
Ideen
, und haben
freilich
keinen
Gegenstand
in irgendeiner
Erfahrung
, aber
bezeichnen
darum doch nicht
gedichtete
und
zugleich
dabei
für
möglich
angenommene
Gegenstände
. Sie sind
bloß
problematisch
gedacht
, um, in
Beziehung
auf sie (als
heuristische
Fiktionen
),
regulative
Prinzipien
des
systematischen
Verstandesgebrauchs
im
Felde
der
Erfahrung
zu
gründen
.
Geht
man davon ab, so sind es
bloße
Gedankendinge
, deren
Möglichkeit
nicht
erweislich
ist, und die daher auch nicht der
Erklärung
wirklicher
Erscheinungen
durch eine
Hypothese
zum
Grunde
gelegt
werden
können
. Die
Seele
sich als
einfach
denken
, ist
ganz
wohl
erlaubt
, um, nach dieser
Idee
, eine
vollständige
und
notwendige
Einheit
aller
Gemütskräfte
, ob man sie
gleich
nicht in
concreto
einsehen
kann, zum
Prinzip
unserer
Beurteilung
ihrer
inneren
Erscheinungen
zu
legen
. Aber die
Seele
als
einfache
Substanz
anzunehmen
(ein
transzendenter
Begriff
),
wäre
ein
Satz
, der nicht allein
unerweislich
, (wie es mehrere
physische
Hypothesen
sind,)
sondern
auch
ganz
willkürlich
und
blindlings
gewagt
sein
würde
, weil das
Einfache
in
ganz
und
gar
keiner
Erfahrung
vorkommen
kann, und, wenn man unter
Substanz
hier das
beharrliche
Objekt
der
sinnlichen
Anschauung
versteht
, die
Möglichkeit
einer
einfachen
Erscheinung
gar
nicht
einzusehen
ist.
Bloß
intelligible
Wesen
, oder
bloß
intelligible
Eigenschaften
der
Dinge
der
Sinnenwelt
,
lassen
sich mit keiner
gegründeten
Befugnis
der
Vernunft
als
Meinung
annehmen
,
obzwar
(weil man von ihrer
Möglichkeit
oder
Unmöglichkeit
keine
Begriffe
hat) auch durch keine
vermeinte
bessere
Einsicht
dogmatisch
ableugnen
.
Zur
Erklärung
gegebener
Erscheinungen
können
keine
anderen
Dinge
und
Erklärungsgründe
, als die, so nach schon
bekannten
Gesetzen
der
Erscheinungen
mit den
gegebenen
in
Verknüpfung
gesetzt
worden
,
angeführt
werden. Eine
transzendentale
Hypothese
, bei der eine
bloße
Idee
der
Vernunft
zur
Erklärung
der
Naturdinge
gebraucht
würde
,
würde
daher
gar
keine
Erklärung
sein
,
indem
das, was man aus
bekannten
empirischen
Prinzipien
nicht
hinreichend
versteht
, durch etwas
erklärt
werden
würde
, davon man
gar
nichts
versteht
. Auch
würde
das
Prinzip
einer
solchen
Hypothese
eigentlich
nur zur
Befriedigung
der
Vernunft
und nicht zur
Beförderung
des
Verstandesgebrauchs
in
Ansehung
der
Gegenstände
dienen
.
Ordnung
und
Zweckmäßigkeit
in der
Natur
muß
wiederum
aus
Naturgründen
und nach
Naturgesetzen
erklärt
werden, und hier sind selbst die
wildesten
Hypothesen
, wenn sie nur
physisch
sind,
erträglicher
, als eine
hyperphysische
,
d.i.
die
Berufung
auf einen
göttlichen
Urheber
, den man zu diesem
Behuf
voraussetzt
.
Denn
das
wäre
ein
Prinzip
der
faulen
Vernunft
(
ignava
ratio
), alle
Ursachen
, deren
objektive
Realität
,
wenigstens
der
Möglichkeit
nach, man noch durch
fortgesetzte
Erfahrung
kann
kennenlernen
, auf
einmal
vorbeizugehen
, um in einer
bloßen
Idee
, die der
Vernunft
sehr
bequem
ist, zu
ruhen
. Was aber die
absolute
Totalität
des
Erklärungsgrundes
in der
Reihe
derselben
betrifft
, so kann das kein
Hindernis
in
Ansehung
der
Weltobjekte
machen
, weil,
da
diese nichts als
Erscheinungen
sind, an ihnen
niemals
etwas
Vollendetes
in der
Synthesis
der
Reihen
von
Bedingungen
gehofft
werden kann.
Transzendentale
Hypothesen
des
spekulativen
Gebrauchs
der
Vernunft
, und eine
Freiheit
, zu
Ersetzung
des
Mangels
an
physischen
Erklärungsgründen
, sich
allenfalls
hyperphysischer
zu
bedienen
, kann
gar
nicht
gestattet
werden,
teils
weil die
Vernunft
dadurch
gar
nicht weiter
gebracht
wird,
sondern
vielmehr
den
ganzen
Fortgang
ihres
Gebrauchs
abschneidet
,
teils
weil diese
Lizenz
sie
zuletzt
um alle
Früchte
der
Bearbeitung
ihres
eigentümlichen
Bodens
,
nämlich
der
Erfahrung
,
bringen
müßte
.
Denn
, wenn uns die
Naturerklärung
hier oder
da
schwer
wird, so haben wir
beständig
einen
transzendenten
Erklärungsgrund
bei der
Hand
, der uns
jener
Untersuchung
überhebt
, und
unsere
Nachforschung
schließt
nicht durch
Einsicht
,
sondern
durch
gänzliche
Unbegreiflichkeit
eines
Prinzips
,
welches
so schon zum
voraus
ausgedacht
war, daß es den
Begriff
des
absolut
Ersten
enthalten
mußte
.
Das
zweite
erforderliche
Stück
zur
Annehmungswürdigkeit
einer
Hypothese
ist die
Zulänglichkeit
derselben
, um daraus
a
priori
die
Folgen
,
welche
gegeben
sind, zu
bestimmen
. Wenn man zu diesem
Zwecke
hilfleistende
Hypothesen
herbeizurufen
genötigt
ist, so
geben
sie den
Verdacht
einer
bloßen
Erdichtung
, weil jede
derselben
an sich
dieselbe
Rechtfertigung
bedarf
,
welche
der zum
Grunde
gelegte
Gedanke
nötig
hatte, und daher
keinen
tüchtigen
Zeugen
abgeben
kann. Wenn, unter
Voraussetzung
einer
unbeschränkt
vollkommenen
Ursache
, zwar an
Erklärungsgründen
aller
Zweckmäßigkeit
,
Ordnung
und
Größe
, die sich in der
Welt
finden
, kein
Mangel
ist, so
bedarf
jene
doch, bei den,
wenigstens
nach
unseren
Begriffen
, sich
zeigenden
Abweichungen
und
Übeln
, noch
neuer
Hypothesen
, um gegen diese, als
Einwürfe
,
gerettet
zu werden. Wenn die
einfache
Selbständigkeit
der
menschlichen
Seele
, die zum
Grunde
ihrer
Erscheinungen
gelegt
worden
, durch die
Schwierigkeiten
ihrer, den
Abänderungen
einer
Materie
(dem
Wachstum
und
Abnahme
)
ähnlichen
Phänomene
angefochten
wird, so
müssen
neue
Hypothesen
zu
Hilfe
gerufen
werden, die zwar nicht ohne
Schein
, aber doch ohne alle
Beglaubigung
sind,
außer
derjenigen
,
welche
ihnen die zum
Hauptgrunde
angenommene
Meinung
gibt
, der sie
gleichwohl
das
Wort
reden
sollen
.
Wenn die hier zum
Beispiele
angeführten
Vernunftbehauptungen
(
unkörperliche
Einheit
der
Seele
und
Dasein
eines
höchsten
Wesens
) nicht als
Hypothesen
,
sondern
a
priori
bewiesene
Dogmate
gelten
sollen
, so ist
alsdann
von ihnen
gar
nicht die
Rede
. In
solchem
Falle
aber
sehe
man sich ja
vor
, daß der
Beweis
die
apodiktische
Gewißheit
einer
Demonstration
habe.
Denn
die
Wirklichkeit
solcher
Ideen
bloß
wahrscheinlich
machen
zu
wollen
, ist ein
ungereimter
Vorsatz
,
ebenso
, als wenn man einen
Satz
der
Geometrie
bloß
wahrscheinlich
zu
beweisen
gedächte
. Die von aller
Erfahrung
abgesonderte
Vernunft
kann alles nur
a
priori
und als
notwendig
oder
gar
nicht
erkennen
; daher ist ihr
Urteil
niemals
Meinung
,
sondern
entweder
Enthaltung
von allem
Urteile
, oder
apodiktische
Gewißheit
.
Meinungen
und
wahrscheinliche
Urteile
von dem, was
Dingen
zukommt
,
können
nur als
Erklärungsgründe
dessen, was
wirklich
gegeben
ist, oder
Folgen
nach
empirischen
Gesetzen
von dem, was als
wirklich
zum
Grunde
liegt
,
mithin
nur in der
Reihe
der
Gegenstände
der
Erfahrung
vorkommen
.
Außer
diesem
Felde
ist meinen so viel, als mit
Gedanken
spielen
, es
müßte
denn
sein
, daß man von einem
unsicheren
Wege
des
Urteils
bloß
die
Meinung
hätte, vielleicht auf
ihm
die
Wahrheit
zu
finden
.
Ob aber
gleich
bei
bloß
spekulativen
Fragen
der
reinen
Vernunft
keine
Hypothesen
stattfinden
, um
Sätze
darauf zu
gründen
, so sind sie
dennoch
ganz
zulässig
, um sie
allenfalls
nur zu
verteidigen
,
d.i.
zwar nicht im
dogmatischen
, aber doch im
polemischen
Gebrauche
. Ich
verstehe
aber unter
Verteidigung
nicht die
Vermehrung
der
Beweisgründe
seiner
Behauptung
,
sondern
die
bloße
Vereitlung
der
Scheineinsichten
des
Gegners
,
welche
unserem
behaupteten
Satze
Abbruch
tun
sollen
. Nun haben aber alle
synthetischen
Sätze
aus
reiner
Vernunft
das
Eigentümliche
an sich: daß, wenn der,
welcher
die
Realität
gewisser
Ideen
behauptet
,
gleich
niemals
so viel
weiß
, um diesen seinen
Satz
gewiß
zu
machen
, auf der
anderen
Seite
der
Gegner
ebensowenig
wissen
kann, um das
Widerspiel
zu
behaupten
. Diese
Gleichheit
des
Loses
der
menschlichen
Vernunft
,
begünstigt
nun zwar im
spekulativen
Erkenntnisse
keinen
von
beiden
, und
da
ist auch der
rechte
Kampfplatz
nimmer
beizulegender
Fehden
. Es wird sich aber in der
Folge
zeigen
, daß doch, in
Ansehung
des
praktischen
Gebrauchs
, die
Vernunft
ein
Recht
habe, etwas
anzunehmen
, was sie auf keine
Weise
im
Felde
der
bloßen
Spekulation
, ohne
hinreichende
Beweisgründe
,
vorauszusetzen
befugt
wäre
; weil alle solche
Voraussetzungen
der
Vollkommenheit
der
Spekulation
Abbruch
tun, um
welche
sich aber das
praktische
Interesse
gar
nicht
bekümmert
. Dort ist sie also im
Besitze
, dessen
Rechtmäßigkeit
sie nicht
beweisen
darf
, und
wovon
sie in der
Tat
den
Beweis
auch nicht
führen
könnte
. Der
Gegner
soll
also
beweisen
.
Da
dieser aber
ebensowenig
etwas von dem
bezweifelten
Gegenstande
weiß
, um dessen
Nichtsein
darzutun
, als der
erstere
, der dessen
Wirklichkeit
behauptet
: so
zeigt
sich hier ein
Vorteil
auf der
Seite
desjenigen
, der etwas als
praktisch
notwendige
Voraussetzung
behauptet
(
melior
est
conditio
possidentis
). Es
steht
ihm
nämlich
frei
, sich
gleichsam
aus
Notwehr
eben
derselben
Mittel
für
seine
gute
Sache
, als der
Gegner
wider
dieselbe
,
d.i.
der
Hypothesen
zu
bedienen
, die
gar
nicht dazu
dienen
sollen
, um den
Beweis
derselben
zu
verstärken
,
sondern
nur zu
zeigen
, daß der
Gegner
viel zu wenig von dem
Gegenstande
des
Streites
verstehe
, als daß er sich eines
Vorteils
der
spekulativen
Einsicht
in
Ansehung
unserer
schmeicheln
könne
.
Hypothesen
sind also im
Felde
der
reinen
Vernunft
nur als
Kriegswaffen
erlaubt
, nicht um darauf ein
Recht
zu
gründen
,
sondern
nur es zu
verteidigen
. Den
Gegner
aber
müssen
wir hier
jederzeit
in uns selbst
suchen
.
Denn
spekulative
Vernunft
in ihrem
transzendentalen
Gebrauche
ist an sich
dialektisch
. Die
Einwürfe
, die zu
fürchten
sein
möchten
,
liegen
in uns selbst. Wir
müssen
sie,
gleich
alten
, aber
niemals
verjährenden
Ansprüchen
,
hervorsuchen
, um einen
ewigen
Frieden
auf deren
Vernichtigung
zu
gründen
.
Äußere
Ruhe
ist nur
scheinbar
. Der
Keim
der
Anfechtungen
, der in der
Natur
der
Menschenvernunft
liegt
,
muß
ausgerottet
werden; wie
können
wir
ihn
aber
ausrotten
, wenn wir
ihm
nicht
Freiheit
, ja selbst
Nahrung
geben
,
Kraut
auszuschießen
, um sich
dadurch
zu
entdecken
, und es nachher mit der
Wurzel
zu
vertilgen
?
Sinnet
demnach
selbst auf
Einwürfe
, auf die noch kein
Gegner
gefallen
ist, und
leihet
ihm
sogar
Waffen
, oder
räumet
ihm
den
günstigsten
Platz
ein, den er sich nur
wünschen
kann. Es ist
hierbei
gar
nichts zu
fürchten
,
wohl
aber zu
hoffen
,
nämlich
, daß ihr
euch
einen in alle
Zukunft
niemals
mehr
anzufechtenden
Besitz
verschaffen
werdet
.
Zu
euerer
vollständigen
Rüstung
gehören
nun auch die
Hypothesen
der
reinen
Vernunft
,
welche
,
obzwar
nur
bleierne
Waffen
(weil sie durch kein
Erfahrungsgesetz
gestählt
sind),
dennoch
immer so viel
vermögen
, als die, deren sich irgendein
Gegner
wider
euch
bedienen
mag
. Wenn
euch
also, wider die (in irgendeiner
anderen
nicht
spekulativen
Rücksicht
)
angenommene
immaterielle
und keiner
körperlichen
Umwandlung
unterworfene
Natur
der
Seele
, die
Schwierigkeit
aufstößt
, daß
gleichwohl
die
Erfahrung
sowohl die
Erhebung
, als
Zerrüttung
unserer
Geisteskräfte
bloß
als
verschiedene
Modifikation
unserer
Organen
zu
beweisen
scheine
; so
könnt
ihr die
Kraft
dieses
Beweises
dadurch
schwächen
, daß ihr
annehmt
, unser
Körper
sei
nichts, als die
Fundamentalerscheinung
,
worauf
, als
Bedingung
, sich in dem
jetzigen
Zustande
(im
Leben
) das
ganze
Vermögen
der
Sinnlichkeit
und hiermit alles
Denken
bezieht
. Die
Trennung
vom
Körper
sei
das
Ende
dieses
sinnlichen
Gebrauchs
eurer
Erkenntniskraft
und der
Anfang
des
intellektuellen
. Der
Körper
wäre
also nicht die
Ursache
des
Denkens
,
sondern
eine
bloß
restringierende
Bedingung
desselben
,
mithin
zwar als
Beförderung
des
sinnlichen
und
animalischen
, aber
desto
mehr auch als
Hindernis
des
reinen
und
spirituellen
Lebens
anzusehen
, und die
Abhängigkeit
des
ersteren
von der
körperlichen
Beschaffenheit
bewiese
nichts
für
die
Abhängigkeit
des
ganzen
Lebens
von dem
Zustande
unserer
Organen
. Ihr
könnt
aber noch weiter
gehen
, und
wohl
gar
neue
, entweder nicht
aufgeworfene
, oder nicht
weit
genug
getriebene
Zweifel
ausfindig
machen
.
Die
Zufälligkeit
der
Zeugungen
, die bei
Menschen
,
sowie
beim
vernunftslosen
Geschöpfe
, von der
Gelegenheit
,
überdem
aber auch
oft
vom
Unterhalte
, von der
Regierung
, deren
Launen
und
Einfällen
,
oft
sogar vom
Laster
abhängt
,
macht
eine
große
Schwierigkeit
wider die
Meinung
der auf
Ewigkeiten
sich
erstreckenden
Fortdauer
eines
Geschöpfs
, dessen
Leben
unter so
unerheblichen
und unserer
Freiheit
so
ganz
und
gar
überlassenen
Umständen
zuerst
angefangen
hat. Was die
Fortdauer
der
ganzen
Gattung
(hier auf
Erden
)
betrifft
, so hat diese
Schwierigkeit
in
Ansehung
derselben
wenig auf sich, weil der
Zufall
im
Einzelnen
nichtsdestoweniger
einer
Regel
im
Ganzen
unterworfen
ist; aber in
Ansehung
eines
jeden
Individuum
eine so
mächtige
Wirkung
von so
geringfügigen
Ursachen
zu
erwarten
,
scheint
allerdings
bedenklich
.
Hiewider
könnt
ihr aber eine
transzendentale
Hypothese
aufbieten
: daß alles
Leben
eigentlich
nur
intelligibel
sei
, den
Zeitveränderungen
gar
nicht
unterworfen
, und weder durch
Geburt
angefangen
habe, noch durch den
Tod
geendigt
werde
. Daß dieses
Leben
nichts als eine
bloße
Erscheinung
,
d.i.
eine
sinnliche
Vorstellung
von dem
reinen
geistigen
Leben
, und die
ganze
Sinnenwelt
ein
bloßes
Bild
sei
,
welches
unserer
jetzigen
Erkenntnisart
vorschwebt
, und, wie ein
Traum
, an sich keine
objektive
Realität
habe:
dass
, wenn wir die
Sachen
und uns selbst
anschauen
sollen
, wie sie sind, wir uns in einer
Welt
geistiger
Naturen
sehen
würden
, mit
welcher
unsere
einzig
wahre
Gemeinschaft
weder durch
Geburt
angefangen
habe, noch durch den
Leibestod
(als
bloße
Erscheinungen
)
aufhören
werde
,
usw
.
Ob wir nun
gleich
von allem diesem, was wir hier wider den
Angriff
hypothetisch
vorschützen
, nicht das
Mindeste
wissen
, noch im
Ernste
behaupten
,
sondern
alles nicht
einmal
Vernunftidee
,
sondern
bloß
zur
Gegenwehr
ausgedachter
Begriff
ist, so
verfahren
wir doch
hierbei
ganz
vernunftmäßig
,
indem
wir dem
Gegner
,
welcher
alle
Möglichkeit
erschöpft
zu haben
meint
,
indem
er den
Mangel
ihrer
empirischen
Bedingungen
für
einen
Beweis
der
gänzlichen
Unmöglichkeit
des von uns
Geglaubten
fälschlich
ausgibt
, nur
zeigen
: daß er
ebensowenig
durch
bloße
Erfahrungsgesetze
das
ganze
Feld
möglicher
Dinge
an sich selbst
umspannen
, als wir
außerhalb
der
Erfahrung
für
unsere
Vernunft
irgend
etwas auf
gegründete
Art
erwerben
können
. Der solche
hypothetische
Gegenmittel
wider die
Anmaßungen
des
dreist
verneinenden
Gegners
verkehrt
,
muß
nicht dafür
gehalten
werden, als
wolle
er sie sich als seine
wahren
Meinungen
eigen
machen
. Er
verläßt
sie,
sobald
er den
dogmatischen
Eigendünkel
des
Gegners
abgefertigt
hat.
Denn
so
bescheiden
und
gemäßigt
es auch
anzusehen
ist, wenn
jemand
sich in
Ansehung
fremder
Behauptungen
bloß
weigernd
und
verneinend
verhält
, so ist doch
jederzeit
,
sobald
er diese seine
Einwürfe
als
Beweise
des
Gegenteils
geltend
machen
will, der
Anspruch
nicht
weniger
stolz
und
eingebildet
, als ob er die
bejahende
Partei
und deren
Behauptung
ergriffen
hätte.
Man
sieht
also
hieraus
, daß im
spekulativen
Gebrauche
der
Vernunft
Hypothesen
keine
Gültigkeit
als
Meinungen
an sich selbst,
sondern
nur
relativ
auf
entgegengesetzte
transzendente
Anmaßungen
haben.
Denn
die
Ausdehnung
der
Prinzipien
möglicher
Erfahrung
auf die
Möglichkeit
der
Dinge
überhaupt
ist
ebensowohl
transzendent
, als die
Behauptung
der
objektiven
Realität
solcher
Begriffe
,
welche
ihre
Gegenstände
nirgends als
außerhalb
der
Grenze
aller
möglichen
Erfahrung
finden
können
. Was
reine
Vernunft
assertorisch
urteilt
,
muß
(wie alles, was
Vernunft
erkennt
,)
notwendig
sein
, oder es ist
gar
nichts.
Demnach
enthält
sie in der
Tat
gar
keine
Meinungen
. Die
gedachten
Hypothesen
aber sind nur
problematische
Urteile
, die
wenigstens
nicht
widerlegt
, obgleich
freilich
durch nichts
bewiesen
werden
können
, und sind also keine
Privatmeinungen
,
können
aber doch nicht
füglich
(selbst zur
inneren
Beruhigung
) gegen sich
regende
Skrupel
entbehrt
werden. In dieser
Qualität
aber
muß
man sie
erhalten
, und ja
sorgfältig
verhüten
, daß sie nicht als an sich selbst
beglaubigt
, und von
einiger
absoluten
Gültigkeit
,
auftreten
, und die
Vernunft
unter
Erdichtungen
und
Blendwerken
ersäufen
.
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