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Immanuel Kant
Kritik der reinen Vernunft
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II. Transzendentale Methodenlehre
Erstes Hauptstück Die Disziplin der reinen Vernunft
Vierter Abschnitt Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihrer Beweise
zurück
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Vierter
Abschnitt
Die
Disziplin
der
reinen
Vernunft
in
Ansehung
ihrer
Beweise
Die
Beweise
transzendentaler
und
synthetischer
Sätze
haben das
Eigentümliche
, unter
allen
Beweisen
einer
synthetischen
Erkenntnis
a
priori
, an sich, daß die
Vernunft
bei
jenen
vermittelst
ihrer
Begriffe
sich nicht
geradezu
an den
Gegenstand
wenden
darf
,
sondern
zuvor die
objektive
Gültigkeit
der
Begriffe
und die
Möglichkeit
der
Synthesis
derselben
a
priori
dartun
muß
. Dieses ist nicht etwa
bloß
eine
nötige
Regel
der
Behutsamkeit
,
sondern
betrifft
das
Wesen
und die
Möglichkeit
der
Beweise
selbst. Wenn ich über den
Begriff
von einem
Gegenstande
a
priori
hinausgehen
soll
, so ist dieses, ohne einen
besonderen
und
außerhalb
diesem
Begriffe
befindlichen
Leitfaden
,
unmöglich
. In der
Mathematik
ist es die
Anschauung
a
priori
, die meine
Synthesis
leitet
, und
da
können
alle
Schlüsse
unmittelbar
von der
reinen
Anschauung
geführt
werden. Im
transzendentalen
Erkenntnis
, so
lange
es
bloß
mit
Begriffen
des
Verstandes
zu tun hat, ist diese
Richtschnur
die
mögliche
Erfahrung
. Der
Beweis
zeigt
nämlich
nicht, daß der
gegebene
Begriff
(
z
.
B
. von dem, was
geschieht
,)
geradezu
auf einen
anderen
Begriff
(den einer
Ursache
)
führe
;
denn
dergleichen
Übergang
wäre
ein
Sprung
, der sich
gar
nicht
verantworten
ließe
;
sondern
er
zeigt
, daß die
Erfahrung
selbst,
mithin
das
Objekt
der
Erfahrung
, ohne eine solche
Verknüpfung
unmöglich
wäre
. Also
mußte
der
Beweis
zugleich
die
Möglichkeit
anzeigen
,
synthetisch
und
a
priori
zu einer
gewissen
Erkenntnis
von
Dingen
zu
gelangen
, die in dem
Begriffe
von ihnen nicht
enthalten
war. Ohne diese
Aufmerksamkeit
laufen
die
Beweise
wie
Wasser
,
welche
ihre
Ufer
durchbrechen
,
wild
und
querfeldein
,
dahin
, wo der
Hang
der
verborgenen
Assoziation
sie
zufälligerweise
herleitet
. Der
Schein
der
Überzeugung
,
welcher
auf
subjektiven
Ursachen
der
Assoziation
beruht
, und
für
die
Einsicht
einer
natürlichen
Affinität
gehalten
wird, kann der
Bedenklichkeit
gar
nicht die
Wage
halten
, die sich
billigermaßen
über
dergleichen
gewagte
Schritte
einfinden
muß
. Daher sind auch alle
Versuche
, den
Satz
des
zureichenden
Grundes
zu
beweisen
, nach dem
allgemeinen
Geständnisse
der
Kenner
,
vergeblich
gewesen
, und
ehe
die
transzendentale
Kritik
auftrat
, hat man
lieber
,
da
man diesen
Grundsatz
doch nicht
verlassen
konnte, sich
trotzig
auf den
gesunden
Menschenverstand
berufen
, (eine
Zuflucht
, die
jederzeit
beweist
, daß die
Sache
der
Vernunft
verzweifelt
ist,) als
neue
dogmatische
Beweise
versuchen
wollen
.
Ist aber der
Satz
, über den ein
Beweis
geführt
werden
soll
, eine
Behauptung
der
reinen
Vernunft
, und will ich sogar
vermittelst
bloßer
Ideen
über meine
Erfahrungsbegriffe
hinausgehen
, so
müßte
derselbe
noch
vielmehr
die
Rechtfertigung
eines
solchen
Schrittes
der
Synthesis
(wenn er anders
möglich
wäre
) als eine
notwendige
Bedingung
seiner
Beweiskraft
in sich
enthalten
. So
scheinbar
daher auch der
vermeintliche
Beweis
der
einfachen
Natur
unserer
denkenden
Substanz
aus der
Einheit
der
Apperzeption
sein
mag
, so
steht
ihm
doch die
Bedenklichkeit
unabweislich
entgegen
: daß,
da
die
absolute
Einfachheit
doch kein
Begriff
ist, der
unmittelbar
auf eine
Wahrnehmung
bezogen
werden kann,
sondern
als
Idee
bloß
geschlossen
werden
muß
,
gar
nicht
einzusehen
ist, wie mich das
bloße
Bewußtsein
,
welches
in allem
Denken
enthalten
ist, oder
wenigstens
sein
kann, ob es zwar
sofern
eine
einfache
Vorstellung
ist, zu dem
Bewußtsein
und der
Kenntnis
eines
Dinges
überführen
solle
, in
welchem
das
Denken
allein
enthalten
sein
kann.
Denn
, wenn ich mir die
Kraft
meines
Körpers
in
Bewegung
vorstelle
, so ist er
sofern
für
mich
absolute
Einheit
, und meine
Vorstellung
von
ihm
ist
einfach
; daher kann ich diese auch durch die
Bewegung
eines
Punkts
ausdrücken
, weil
sein
Volumen
hierbei
nichts tut, und, ohne
Verminderung
der
Kraft
, so
klein
, wie man will, und also auch als in einem
Punkt
befindlich
gedacht
werden kann.
Hieraus
werde
ich aber doch nicht
schließen
: daß, wenn mir nichts, als die
bewegende
Kraft
eines
Körpers
,
gegeben
ist, der
Körper
als
einfache
Substanz
gedacht
werden
könne
, darum, weil seine
Vorstellung
von aller
Größe
des
Raumesinhalts
abstrahiert
und also
einfach
ist.
Hierdurch
nun, daß das
Einfache
in der
Abstraktion
vom
Einfachen
im
Objekt
ganz
unterschieden
ist, und daß das Ich,
welches
im
ersteren
Verstande
gar
keine
Mannigfaltigkeit
in sich
faßt
, im
zweiten
,
da
es die
Seele
selbst
bedeutet
, ein sehr
komplexen
Begriff
sein
kann,
nämlich
sehr
vieles
unter sich zu
enthalten
und zu
bezeichnen
,
entdecke
ich einen
Paralogismus
. Allein, um diesen
vorher
zu
ahnden
, (
denn
ohne eine solche
vorläufige
Vermutung
würde
man
gar
keinen
Verdacht
gegen den
Beweis
fassen
,) ist
durchaus
nötig
, ein
immerwährendes
Kriterium
der
Möglichkeit
solcher
synthetischen
Sätze
die mehr
beweisen
sollen
, als
Erfahrung
geben
kann, bei
Hand
zu haben,
welches
darin
besteht
: daß der
Beweis
nicht
geradezu
auf das
verlangte
Prädikat
,
sondern
nur
vermittelst
eines
Prinzips
der
Möglichkeit
,
unseren
gegebenen
Begriff
a
priori
bis zu
Ideen
zu
erweitern
, und diese zu
realisieren
,
geführt
werde
. Wenn diese
Behutsamkeit
immer
gebraucht
wird, wenn man,
ehe
der
Beweis
noch
versucht
wird, zuvor
weislich
bei sich zu
Rate
geht
, wie und mit
welchem
Grunde
der
Hoffnung
man
wohl
eine solche
Erweiterung
durch
reine
Vernunft
erwarten
könne
, und woher man, in
dergleichen
Falle
, diese
Einsichten
, die nicht aus
Begriffen
entwickelt
, und auch nicht in
Beziehung
auf
mögliche
Erfahrung
antizipiert
werden
können
,
denn
hernehmen
wolle
: so kann man sich viel
schwere
und
dennoch
fruchtlose
Bemühungen
ersparen
,
indem
man der
Vernunft
nichts
zumutet
, was
offenbar
über ihr
Vermögen
geht
, oder
vielmehr
sie, die, bei
Anwandlungen
ihrer
spekulativen
Erweiterungssucht
, sich nicht
gerne
einschränken
läßt
, der
Disziplin
der
Enthaltsamkeit
unterwirft
.
Die
erste
Regel
ist also diese: keine
transzendentalen
Beweise
zu
versuchen
, ohne zuvor
überlegt
und sich
desfalls
gerechtfertigt
zu haben, woher man die
Grundsätze
nehmen
wolle
, auf
welche
man sie zu
errichten
gedenkt
, und mit
welchem
Rechte
man von ihnen den
guten
Erfolg
der
Schlüsse
erwarten
könne
. Sind es
Grundsätze
des
Verstandes
(
z
.
B
. der
Kausalität
), so ist es
umsonst
,
vermittelst
ihrer zu
Ideen
der
reinen
Vernunft
zu
gelangen
;
denn
jene
gelten
nur
für
Gegenstände
möglicher
Erfahrung
.
Sollen
es
Grundsätze
aus
reiner
Vernunft
sein
, so ist
wiederum
alle
Mühe
umsonst
.
Denn
die
Vernunft
hat deren zwar, aber als
objektive
Grundsätze
sind sie
insgesamt
dialektisch
, und
können
allenfalls
nur wie
regulative
Prinzipien
des
systematisch
zusammenhängenden
Erfahrungsgebrauchs
gültig
sein
. Sind aber
dergleichen
angebliche
Beweise
schon
vorhanden
: so
setzet
der
trüglichen
Überzeugung
das
non
liquet
eurer
gereiften
Urteilskraft
entgegen
, und, ob ihr
gleich
das
Blendwerk
derselben
noch nicht
durchdringen
könnt
, so habt ihr doch
völliges
Recht
, die
Deduktion
der darin
gebrauchten
Grundsätze
zu
verlangen
,
welche
, wenn sie aus
bloßer
Vernunft
entsprungen
sein
sollen
,
euch
niemals
geschafft
werden kann. Und so habt ihr nicht
einmal
nötig
,
euch
mit der
Entwicklung
und
Widerlegung
eines
jeden
grundlosen
Scheins
zu
befassen
,
sondern
könnt
alle an
Kunstgriffen
unerschöpfliche
Dialektik
am
Gerichtshofe
einer
kritischen
Vernunft
,
welche
Gesetze
verlangt
, in
ganzen
Haufen
auf
einmal
abweisen
.
Die
zweite
Eigentümlichkeit
transzendentaler
Beweise
ist diese: daß zu jedem
transzendentalen
Satze
nur ein
einziger
Beweis
gefunden
werden
könne
.
Soll
ich nicht aus
Begriffen
,
sondern
aus der
Anschauung
, die einem
Begriffe
korrespondiert
, es
sei
nun eine
reine
Anschauung
, wie in der
Mathematik
, oder
empirische
, wie in der
Naturwissenschaft
,
schließen
: so
gibt
mir die zum
Grunde
gelegte
Anschauung
mannigfaltigen
Stoff
zu
synthetischen
Sätzen
,
welchen
ich auf mehr als eine
Art
verknüpfen
, und,
indem
ich von mehr als einem
Punkte
ausgehen
darf
, durch
verschiedene
Wege
zu demselben
Satze
gelangen
kann.
Nun
geht
aber ein jeder
transzendentaler
Satz
bloß
von Einem
Begriffe
aus, und
sagt
die
synthetische
Bedingung
der
Möglichkeit
des
Gegenstandes
nach diesem
Begriffe
. Der
Beweisgrund
kann also nur ein
einziger
sein
, weil
außer
diesem
Begriffe
nichts weiter ist,
wodurch
der
Gegenstand
bestimmt
werden
könnte
, der
Beweis
also nichts weiter, als die
Bestimmung
eines
Gegenstandes
überhaupt
nach diesem
Begriffe
, der auch nur ein
einziger
ist,
enthalten
kann. Wir hatten
z
.
B
. in der
transzendentalen
Analytik
den
Grundsatz
: alles, was
geschieht
, hat eine
Ursache
, aus der
einzigen
Bedingung
der
objektiven
Möglichkeit
eines
Begriffs
, von dem, was
überhaupt
geschieht
,
gezogen
: daß die
Bestimmung
einer
Begebenheit
in der
Zeit
,
mithin
diese (
Begebenheit
) als zur
Erfahrung
gehörig
, ohne unter einer
solchen
dynamischen
Regel
zu
stehen
,
unmöglich
wäre
. Dieses ist nun auch der
einzig
mögliche
Beweisgrund
;
denn
dadurch
nur, daß dem
Begriffe
vermittelst
des
Gesetzes
der
Kausalität
ein
Gegenstand
bestimmt
wird, hat die
vorgestellte
Begebenheit
objektive
Gültigkeit
,
d.i.
Wahrheit
. Man hat zwar noch
andere
Beweise
von diesem
Grundsatze
z
.
B
. aus der
Zufälligkeit
versucht
; allein, wenn dieser beim
Lichte
betrachtet
wird, so kann man kein
Kennzeichen
der
Zufälligkeit
auffinden
, als das
Geschehen
,
d.i.
das
Dasein
,
vor
welchem
ein
Nichtsein
des
Gegenstandes
vorhergeht
, und
kommt
also immer
wiederum
auf den
nämlichen
Beweisgrund
zurück
. Wenn der
Satz
bewiesen
werden
soll
: alles, was
denkt
, ist
einfach
; so
hält
man sich nicht bei dem
Mannigfaltigen
des
Denkens
auf,
sondern
beharrt
bloß
bei dem
Begriffe
des Ich,
welcher
einfach
ist und
worauf
alles
Denken
bezogen
wird.
Ebenso
ist es mit dem
transzendentalen
Beweise
vom
Dasein
Gottes
bewandt
,
welcher
lediglich
auf der
Reziprokabilität
der
Begriffe
vom
realsten
und
notwendigen
Wesen
beruht
, und nirgends anders
gesucht
werden kann.
Durch diese
warnende
Anmerkung
wird die
Kritik
der
Vernunftbehauptungen
sehr
ins
Kleine
gebracht
. Wo
Vernunft
ihr
Geschäft
durch
bloße
Begriffe
treibt
,
da
ist nur ein
einziger
Beweis
möglich
, wenn
überall
nur irgendeiner
möglich
ist. Daher, wenn man schon den
Dogmatiker
mit zehn
Beweisen
auftreten
sieht
,
da
kann man
sicher
glauben
, daß er
gar
keinen
habe.
Denn
, hätte er einen, der (wie es in
Sachen
der
reinen
Vernunft
sein
muß
)
apodiktisch
bewiese
, wozu
bedürfte
er der
übrigen
? Seine
Absicht
ist nur, wie die von jenem
Parlamentsadvokaten
: das eine
Argument
ist
für
diesen, das
andere
für
jenen
,
nämlich
, um sich die
Schwäche
seiner
Richter
zunutze
zu
machen
, die, ohne sich
tief
einzulassen
, und, um von dem
Geschäft
bald
loszukommen
, das
Erstebeste
, was ihnen
eben
auffällt
,
ergreifen
und
darnach
entscheiden
.
Die
dritte
eigentümliche
Regel
der
reinen
Vernunft
, wenn sie in
Ansehung
transzendentaler
Beweise
einer
Disziplin
unterworfen
wird, ist: daß ihre
Beweise
niemals
apagogisch
,
sondern
jederzeit
ostensiv
sein
müssen
. Der
direkte
oder
ostensive
Beweis
ist in aller
Art
der
Erkenntnis
derjenige
,
welcher
mit der
Überzeugung
von der
Wahrheit
,
zugleich
Einsicht
in die
Quellen
derselben
verbindet
; der
apagogische
dagegen
kann zwar
Gewißheit
, aber nicht
Begrifflichkeit
der
Wahrheit
in
Ansehung
des
Zusammenhanges
mit den
Gründen
ihrer
Möglichkeit
hervorbringen
. Daher sind die
letzteren
mehr eine
Nothilfe
, als ein
Verfahren
,
welches
allen
Absichten
der
Vernunft
ein
Genüge
tut. Doch haben diese einen
Vorzug
der
Evidenz
vor
den
direkten
Beweisen
, darin: daß der
Widerspruch
allemal
mehr
Klarheit
in der
Vorstellung
bei sich
führt
, als die
beste
Verknüpfung
, und sich
dadurch
dem
Anschaulichen
einer
Demonstration
mehr
nähert
.
Die
eigentliche
Ursache
des
Gebrauchs
apagogischer
Beweise
in
verschiedenen
Wissenschaften
ist
wohl
diese. Wenn die
Gründe
, von denen eine
gewisse
Erkenntnis
abgeleitet
werden
soll
, zu
mannigfaltig
oder zu
tief
verborgen
liegen
: so
versucht
man, ob sie nicht durch die
Folgen
zu
erreichen
sei
. Nun
wäre
der
modus
ponens
, auf die
Wahrheit
einer
Erkenntnis
aus der
Wahrheit
ihrer
Folgen
zu
schließen
, nur
alsdann
erlaubt
, wenn alle
möglichen
Folgen
daraus
wahr
sind;
denn
alsdann
ist zu diesem nur ein
einziger
Grund
möglich
, der also auch der
wahre
ist. Dieses
Verfahren
aber ist
untunlich
, weil es über
unsere
Kräfte
geht
, alle
möglichen
Folgen
von
irgendeinem
angenommenen
Satze
einzusehen
; doch
bedient
man sich dieser
Art
zu
schließen
,
obzwar
freilich
mit einer
gewissen
Nachsicht
, wenn es darum zu tun ist, um etwas
bloß
als
Hypothese
zu
beweisen
,
indem
man den
Schluß
nach der
Analogie
einräumt
: daß, wenn so viele
Folgen
, als man nur immer
versucht
hat, mit einem
angenommenen
Grunde
wohl
zusammenstimmen
, alle
übrigen
möglichen
auch darauf
einstimmen
werden. Um
deswillen
kann durch diesen
Weg
niemals
eine
Hypothese
in
demonstrierte
Wahrheit
verwandelt
werden. Der
modus
tollens
der
Vernunftschlüsse
, die von den
Folgen
auf die
Gründe
schließen
,
beweist
nicht allein
ganz
strenge
,
sondern
auch
überaus
leicht
.
Denn
, wenn auch nur eine
einzige
falsche
Folge
aus einem
Satze
gezogen
werden kann, so ist dieser
Satz
falsch
.
Anstatt
nun die
ganze
Reihe
der
Gründe
in einem
ostensiven
Beweise
durchzulaufen
, die auf die
Wahrheit
einer
Erkenntnis
,
vermittelst
der
vollständigen
Einsicht
in ihre
Möglichkeit
,
führen
kann,
darf
man nur unter den aus dem
Gegenteil
derselben
fließenden
Folgen
eine
einzige
falsch
finden
, so ist dieses
Gegenteil
auch
falsch
,
mithin
die
Erkenntnis
,
welche
man zu
beweisen
hatte,
wahr
.
Die
apagogische
Beweisart
kann aber nur in den
Wissenschaften
erlaubt
sein
, wo es
unmöglich
ist, das
Subjektive
unserer
Vorstellungen
dem
Objektiven
,
nämlich
der
Erkenntnis
desjenigen
, was am
Gegenstande
ist,
unterzuschieben
. Wo dieses
letztere
aber
herrschend
ist,
da
muß
es sich
häufig
zutragen
, daß das
Gegenteil
eines
gewissen
Satzes
entweder
bloß
den
subjektiven
Bedingungen
des
Denkens
widerspricht
, aber nicht dem
Gegenstande
, oder daß
beide
Sätze
nur unter einer
subjektiven
Bedingung
, die,
fälschlich
für
objektiv
gehalten
,
einander
widersprechen
, und
da
die
Bedingung
falsch
ist, alle
beide
falsch
sein
können
, ohne daß von der
Falschheit
des einen auf die
Wahrheit
des
anderen
geschlossen
werden kann.
In der
Mathematik
ist diese
Subreption
unmöglich
; daher haben sie daselbst auch ihren
eigentlichen
Platz
. In der
Naturwissenschaft
, weil sich daselbst alles auf
empirische
Anschauungen
gründet
, kann
jene
Erschleichung
durch viel
verglichene
Beobachtungen
zwar so
mehrenteils
verhütet
werden; aber diese
Beweisart
ist daselbst doch
mehrenteils
unerheblich
. Aber die
transzendentalen
Versuche
der
reinen
Vernunft
werden
insgesamt
innerhalb
dem
eigentlichen
Medium
des
dialektischen
Scheins
angestellt
,
d.i.
des
Subjektiven
,
welches
sich der
Vernunft
in ihren
Prämissen
als
objektiv
anbietet
, oder
gar
aufdrängt
. Hier nun kann es, was
synthetische
Sätze
betrifft
,
gar
nicht
erlaubt
werden, seine
Behauptungen
dadurch
zu
rechtfertigen
, daß man das
Gegenteil
widerlegt
.
Denn
, entweder diese
Widerlegung
ist nichts
anderes
, als die
bloße
Vorstellung
des
Widerstreits
der
entgegengesetzten
Meinung
, mit den
subjektiven
Bedingungen
der
Begreiflichkeit
durch
unsere
Vernunft
,
welches
gar
nichts dazu tut, um die
Sache
selbst darum zu
verwerfen
, (
sowie
z
.
B
. die
unbedingte
Notwendigkeit
im
Dasein
eines
Wesens
schlechterdings
von uns nicht
begriffen
werden kann, und sich daher
subjektiv
jedem
spekulativen
Beweise
eines
notwendigen
obersten
Wesens
mit
Recht
, der
Möglichkeit
eines
solchen
Urwesens
aber an sich selbst mit
Unrecht
widersetzt
,) oder
beide
, sowohl der
behauptende
, als der
verneinende
Teil
,
legen
, durch den
transzendentalen
Schein
betrogen
, einen
unmöglichen
Begriff
vom
Gegenstande
zum
Grunde
, und
da
gilt
die
Regel
:
non
entis
nulla
sunt
praedicata
,
d.i.
sowohl was man
bejahend
, als was man
verneinend
von dem
Gegenstande
behauptete
, ist
beides
unrichtig
, und man kann nicht
apagogisch
durch die
Widerlegung
des
Gegenteils
zur
Erkenntnis
der
Wahrheit
gelangen
. So zum
Beispiel
, wenn
vorausgesetzt
wird, daß die
Sinnenwelt
an sich selbst ihrer
Totalität
nach
gegeben
sei
, so ist es
falsch
, daß sie entweder
unendlich
dem
Raume
nach, oder
endlich
und
begrenzt
sein
müsse
, darum weil
beides
falsch
ist.
Denn
Erscheinungen
(als
bloße
Vorstellungen
), die doch an sich selbst (als
Objekte
)
gegeben
wären
, sind etwas
Unmögliches
, und die
Unendlichkeit
dieses
eingebildeten
Ganzen
würde
zwar
unbedingt
sein
,
widerspräche
aber (weil alles an
Erscheinungen
bedingt
ist) der
unbedingten
Größenbestimmung
, die doch im
Begriffe
vorausgesetzt
wird.
Die
apagogische
Beweisart
ist auch das
eigentliche
Blendwerk
, womit die
Bewunderer
der
Gründlichkeit
unserer
dogmatischen
Vernünftler
jederzeit
hingehalten
worden
: sie ist
gleichsam
der
Champion
, der die
Ehre
und das
unstreitige
Recht
seiner
genommenen
Partei
dadurch
beweisen
will, daß er sich mit
jedermann
zu
raufen
anheischig
macht
, der es
bezweifeln
wollte
, obgleich durch solche
Großsprecherei
nichts in der
Sache
,
sondern
nur der
respektiven
Stärke
der
Gegner
ausgemacht
wird, und zwar auch nur auf der
Seite
desjenigen
, der sich
angreifend
verhält
. Die
Zuschauer
,
indem
sie
sehen
, daß ein jeder in seiner
Reihe
bald
Sieger
ist,
bald
unterliegt
,
nehmen
oftmals
daraus
Anlaß
, das
Objekt
des
Streites
selbst
skeptisch
zu
bezweifeln
. Aber sie haben nicht
Ursache
dazu, und es ist genug, ihnen
zuzurufen
:
non
defensoribus
istis
tempus
eget
. Ein jeder
muß
seine
Sache
vermittelst
eines durch
transzendentale
Deduktion
der
Beweisgründe
geführten
rechtlichen
Beweises
,
d.i.
direkt
,
führen
, damit man
sehe
, was seine
Vernunftansprüche
für
sich selbst
anzuführen
haben.
Denn
,
fußet
sich
sein
Gegner
auf
subjektive
Gründe
, so ist er
freilich
leicht
zu
widerlegen
, aber ohne
Vorteil
für
den
Dogmatiker
, der
gemeiniglich
ebenso
den
subjektiven
Ursachen
des
Urteils
anhängt
, und
gleichergestalt
von seinem
Gegner
in die
Enge
getrieben
werden kann.
Verfahren
aber
beide
Teile
bloß
direkt
, so werden sie entweder die
Schwierigkeit
, ja
Unmöglichkeit
, den
Titel
ihrer
Behauptungen
auszufinden
, von selbst
bemerken
, und sich
zuletzt
nur auf
Verjährung
berufen
können
, oder die
Kritik
wird den
dogmatischen
Schein
leicht
entdecken
, und die
reine
Vernunft
nötigen
, ihre zu
hoch
getriebenen
Anmaßungen
im
spekulativen
Gebrauch
aufzugeben
, und sich
innerhalb
die
Grenzen
ihres
eigentümlichen
Bodens
,
nämlich
praktischer
Grundsätze
,
zurückzuziehen
.
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