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Immanuel Kant
Kritik der reinen Vernunft
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II. Transzendentale Methodenlehre
Zweites Hauptstück Der Kanon der reinen Vernunft
Dritter Abschnitt Vom Meinen, Wissen und Glauben
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Dritter
Abschnitt
Vom Meinen,
Wissen
und
Glauben
Das
Fürwahrhalten
ist eine
Begebenheit
in unserem
Verstande
, die auf
objektiven
Gründen
beruhen
mag
, aber auch
subjektive
Ursachen
im
Gemüte
dessen, der
da
urteilt
,
erfordert
. Wenn es
für
jedermann
gültig
ist,
sofern
er nur
Vernunft
hat, so ist der
Grund
desselben
objektiv
hinreichend
, und das
Fürwahrhalten
heißt
alsdann
Überzeugung
. Hat es nur in der
besonderer
Beschaffenheit
des
Subjekts
seinen
Grund
, so wird es
Überredung
genannt
.
Überredung
ist ein
bloßer
Schein
, weil der
Grund
des
Urteils
,
welcher
lediglich
im
Subjekte
liegt
,
für
objektiv
gehalten
wird. Daher hat ein
solches
Urteil
auch nur
Privatgültigkeit
, und das
Fürwahrhalten
läßt
sich nicht
mitteilen
.
Wahrheit
aber
beruht
auf der
Übereinstimmung
mit dem
Objekte
, in
Ansehung
dessen
folglich
die
Urteile
eines
jeden
Verstandes
einstimmig
sein
müssen
(
consentientia
uni
tertio
,
consentiunt
inter
se
). Der
Probierstein
des
Fürwahrhaltens
, ob es
Überzeugung
oder
bloße
Überredung
sei
, ist also,
äußerlich
, die
Möglichkeit
,
dasselbe
mitzuteilen
und das
Fürwahrhalten
für
jedes
Menschen
Vernunft
gültig
zu
befinden
;
denn
alsdann
ist
wenigstens
eine
Vermutung
, der
Grund
der
Einstimmung
aller
Urteile
,
ungeachtet
der
Verschiedenheit
der
Subjekte
untereinander
,
werde
auf dem
gemeinschaftlichen
Grunde
,
nämlich
dem
Objekte
,
beruhen
, mit
welchem
sie daher alle
zusammenstimmen
und
dadurch
die
Wahrheit
des
Urteils
beweisen
werden.
Überredung
demnach
kann von der
Überzeugung
subjektiv
zwar nicht
unterschieden
werden, wenn das
Subjekt
das
Fürwahrhalten
,
bloß
als
Erscheinung
seines
eigenen
Gemüts
,
vor
Augen
hat; der
Versuch
aber, den man mit den
Gründen
desselben
, die
für
uns
gültig
sind, an anderer
Verstand
macht
, ob sie auf
fremde
Vernunft
eben
dieselbe
Wirkung
tun, als auf die
unsrige
, ist doch ein,
obzwar
nur
subjektives
,
Mittel
, zwar nicht
Überzeugung
zu
bewirken
, aber doch die
bloße
Privatgültigkeit
des
Urteils
,
d.i.
etwas in
ihm
, was
bloße
Überredung
ist, zu
entdecken
.
Kann man
überdem
die
subjektiven
Ursachen
des
Urteils
,
welche
wir
für
objektive
Gründe
desselben
nehmen
,
entwickeln
, und
mithin
das
trügliche
Fürwahrhalten
als eine
Begebenheit
in unserem
Gemüte
erklären
, ohne dazu die
Beschaffenheit
des
Objekts
nötig
zu haben, so
entblößen
wir den
Schein
und werden
dadurch
nicht mehr
hintergangen
, obgleich immer noch in
gewissem
Grade
versucht
, wenn die
subjektive
Ursache
des
Scheins
unserer
Natur
anhängt
.
Ich kann nichts
behaupten
,
d.i.
als ein
für
jedermann
notwendig
gültiges
Urteil
aussprechen
, als was
Überzeugung
wirkt
.
Überredung
kann ich
für
mich
behalten
, wenn ich mich dabei
wohlbefinde
, kann sie aber und
soll
sie
außer
mir nicht
geltend
machen
wollen
.
Das
Fürwahrhalten
, oder die
subjektive
Gültigkeit
des
Urteils
, in
Beziehung
auf die
Überzeugung
(
welche
zugleich
objektiv
gilt
), hat
folgende
drei
Stufen
: Meinen,
Glauben
und
Wissen
. Meinen ist ein mit
Bewußtsein
sowohl
subjektiv
, als
objektiv
unzureichendes
Fürwahrhalten
. Ist das
letztere
nur
subjektiv
zureichend
und wird
zugleich
für
objektiv
unzureichend
gehalten
, so
heißt
es
Glauben
.
Endlich
heißt
das sowohl
subjektiv
als
objektiv
zureichende
Fürwahrhalten
das
Wissen
. Die
subjektive
Zulänglichkeit
heißt
Überzeugung
(
für
mich selbst), die
objektive
,
Gewißheit
(
für
jedermann
). Ich
werde
mich bei der
Erläuterung
so
faßlicher
Begriffe
nicht
aufhalten
.
Ich
darf
mich
niemals
unterwinden
, zu meinen, ohne
wenigstens
etwas zu
wissen
,
vermittelst
dessen das an sich
bloß
problematische
Urteil
eine
Verknüpfung
mit
Wahrheit
bekommt
, die, ob sie
gleich
nicht
vollständig
, doch mehr als
willkürliche
Erdichtung
ist. Das
Gesetz
einer
solchen
Verknüpfung
muß
überdem
gewiß
sein
.
Denn
, wenn ich in
Ansehung
dessen auch nichts als
Meinung
habe, so ist alles nur
Spiel
der
Einbildung
, ohne die
mindeste
Beziehung
auf
Wahrheit
. In
Urteilen
aus
reiner
Vernunft
ist es
gar
nicht
erlaubt
, zu meinen.
Denn
, weil sie nicht auf
Erfahrungsgründe
gestützt
werden,
sondern
alles
a
priori
erkannt
werden
soll
, wo alles
notwendig
ist, so
erfordert
das
Prinzip
der
Verknüpfung
Allgemeinheit
und
Notwendigkeit
,
mithin
völlige
Gewißheit
,
widrigenfalls
gar
keine
Leitung
auf
Wahrheit
angetroffen
wird. Daher ist es
ungereimt
, in der
reinen
Mathematik
zu meinen; man
muß
wissen
, oder sich alles
Urteilens
enthalten
.
Ebenso
ist es mit den
Grundsätzen
der
Sittlichkeit
bewandt
,
da
man nicht auf
bloße
Meinung
, daß etwas
erlaubt
sei
, eine
Handlung
wagen
darf
,
sondern
dieses
wissen
muß
.
Im
transzendentalen
Gebrauche
der
Vernunft
ist
dagegen
Meinen
freilich
zu wenig, aber
Wissen
auch zu viel. In
bloß
spekulativer
Absicht
können
wir also hier
gar
nicht
urteilen
; weil
subjektive
Gründe
des
Fürwahrhaltens
, wie die, so das
Glauben
bewirken
können
, bei
spekulativen
Fragen
keinen
Beifall
verdienen
,
da
sie sich
frei
von aller
empirischen
Beihilfe
nicht
halten
, noch in
gleichem
Maße
anderen
mitteilen
lassen
.
Es kann aber
überall
bloß
in
praktischer
Beziehung
das
theoretisch
unzureichende
Fürwahrhalten
Glauben
genannt
werden. Diese
praktische
Absicht
ist nun entweder die der
Geschicklichkeit
, oder der
Sittlichkeit
, die
erste
zu
beliebigen
und
zufälligen
, die
zweite
aber zu
schlechthin
notwendigen
Zwecken
.
Wenn
einmal
ein
Zweck
vorgesetzt
ist, so sind die
Bedingungen
der
Erreichung
desselben
hypothetisch
notwendig
. Diese
Notwendigkeit
ist
subjektiv
, aber doch nur
komparativ
zureichend
, wenn ich
gar
keine
anderen
Bedingungen
weiß
, unter denen der
Zweck
zu
erreichen
wäre
; aber sie ist
schlechthin
und
für
jedermann
zureichend
, wenn ich
gewiß
weiß
, daß niemand
andere
Bedingungen
kennen
könne
, die auf den
vorgesetzten
Zweck
führen
. Im
ersten
Falle
ist meine
Voraussetzung
und das
Fürwahrhalten
gewisser
Bedingungen
ein
bloß
zufälliger
, im
zweiten
Falle
aber ein
notwendiger
Glaube
. Der
Arzt
muß
bei einem
Kranken
, der in
Gefahr
ist, etwas tun,
kennt
aber die
Krankheit
nicht. Er
sieht
auf die
Erscheinungen
, und
urteilt
, weil er nichts
Besseres
weiß
, es
sei
die
Schwindsucht
.
Sein
Glaube
ist selbst in seinem
eigenen
Urteile
bloß
zufällig
, ein anderer
möchte
es vielleicht
besser
treffen
. Ich
nenne
dergleichen
zufälligen
Glauben
, der aber dem
wirklichen
Gebrauche
der
Mittel
zu
gewissen
Handlungen
zum
Grunde
liegt
, den
pragmatischen
Glauben
.
Der
gewöhnliche
Probierstein
: ob etwas
bloße
Überredung
, oder
wenigstens
subjektive
Überzeugung
,
d.i.
festes
Glauben
sei
, was
jemand
behauptet
, ist das
Wetten
.
Öfters
spricht
jemand
seine
Sätze
mit so
zuversichtlichem
und
unlenkbarem
Trotze
aus, daß er alle
Besorgnis
des
Irrtums
gänzlich
abgelegt
zu haben
scheint
. Eine
Wette
macht
ihn
stutzig
.
Bisweilen
zeigt
sich, daß er zwar
Überredung
genug, die auf einen
Dukaten
an
Wert
geschätzt
werden kann, aber nicht auf zehn,
besitze
.
Denn
den
ersten
wagt
er noch
wohl
, aber bei zehn wird er
allererst
inne
, was er
vorher
nicht
bemerkte
, daß es
nämlich
doch
wohl
möglich
sei
, er habe sich
geirrt
. Wenn man sich in
Gedanken
vorstellt
, man
solle
worauf
das
Glück
des
ganzen
Lebens
verwetten
, so
schwindet
unser
triumphierendes
Urteil
gar
sehr, wir werden
überaus
schüchtern
und
entdecken
so
allererst
, daß unser
Glaube
so
weit
nicht
zulange
. So hat der
pragmatische
Glaube
nur einen
Grad
, der nach
Verschiedenheit
des
Interesses
, das dabei im
Spiele
ist,
groß
oder auch
klein
sein
kann.
Weil aber, ob wir
gleich
in
Beziehung
auf ein
Objekt
gar
nichts
unternehmen
können
, also das
Fürwahrhalten
bloß
theoretisch
ist, wir doch in
vielen
Fällen
eine
Unternehmung
in
Gedanken
fassen
und uns
einbilden
können
, zu
welcher
wir
hinreichende
Gründe
zu haben
vermeinen
, wenn es ein
Mittel
gäbe
, die
Gewißheit
der
Sache
auszumachen
, so
gibt
es in
bloß
theoretischen
Urteilen
ein
Analogon
von
praktischen
, auf deren
Fürwahrhaltung
das
Wort
Glauben
paßt
, und den wir den
doktrinalen
Glauben
nennen
können
. Wenn es
möglich
wäre
durch irgendeine
Erfahrung
auszumachen
, so
möchte
ich
wohl
alles das
Meinige
darauf
verwetten
, daß es
wenigstens
in
irgendeinem
von den
Planeten
, die wir
sehen
,
Einwohner
gebe
. Daher
sage
ich, ist es nicht
bloß
Meinung
,
sondern
ein
starker
Glaube
(auf dessen
Richtigkeit
ich schon viele
Vorteile
des
Lebens
wagen
würde
), daß es auch
Bewohner
anderer
Welten
gebe
.
Nun
müssen
wir
gestehen
, daß die
Lehre
vom
Dasein
Gottes
zum
doktrinalen
Glauben
gehöre
.
Denn
, ob ich
gleich
in
Ansehung
der
theoretischen
Weltkenntnis
nichts zu
verfügen
habe, was diesen
Gedanken
, als
Bedingung
meiner
Erklärungen
der
Erscheinungen
der
Welt
,
notwendig
voraussetze
,
sondern
vielmehr
verbunden
bin, meiner
Vernunft
mich so zu
bedienen
, als ob alles
bloß
Natur
sei
; so ist doch die
zweckmäßige
Einheit
eine so
große
Bedingung
der
Anwendung
der
Vernunft
auf
Natur
, daß ich,
da
mir
überdem
Erfahrung
reichlich
davon
Beispiele
darbietet
, sie
gar
nicht
vorbeigehen
kann. Zu dieser
Einheit
aber
kenne
ich keine
andere
Bedingung
, die sie mir zum
Leitfaden
der
Naturforschung
machte
, als wenn ich
voraussetze
, daß eine
höchste
Intelligenz
alles nach den
weisesten
Zwecken
so
geordnet
habe.
Folglich
ist es eine
Bedingung
einer zwar
zufälligen
, aber doch nicht
unerheblichen
Absicht
,
nämlich
, um eine
Leitung
in der
Nachforschung
der
Natur
zu haben, einen
weisen
Welturheber
vorauszusetzen
. Der
Ausgang
meiner
Versuche
bestätigt
auch so
oft
die
Brauchbarkeit
dieser
Voraussetzung
, und nichts kann auf
entscheidende
Art
dawider
angeführt
werden; daß ich viel zu wenig
sage
, wenn ich mein
Fürwahrhalten
bloß
ein Meinen
nennen
wollte
,
sondern
es kann selbst in diesem
theoretischen
Verhältnisse
gesagt
werden, daß ich
festiglich
einen
Gott
glaube
; aber
alsdann
ist dieser
Glaube
in
strenger
Bedeutung
dennoch
nicht
praktisch
,
sondern
muß
ein
doktrinaler
Glaube
genannt
werden, den die
Theologie
der
Natur
(
Physikotheologie
)
notwendig
allerwärts
bewirken
muß
. In
Ansehung
eben
derselben
Weisheit
, in
Rücksicht
auf die
vortreffliche
Ausstattung
der
menschlichen
Natur
und die
derselben
so
schlecht
angemessene
Kürze
des
Lebens
, kann
ebensowohl
genugsamer
Grund
zu einem
doktrinalen
Glauben
des
künftigen
Lebens
der
menschlichen
Seele
angetroffen
werden.
Der
Ausdruck
des
Glaubens
ist in
solchen
Fällen
ein
Ausdruck
der
Bescheidenheit
in
objektiver
Absicht
, aber doch
zugleich
der
Festigkeit
des
Zutrauens
in
subjektiver
. Wenn ich das
bloß
theoretische
Fürwahrhalten
hier auch nur
Hypothese
nennen
wollte
, die ich
anzunehmen
berechtigt
wäre
, so
würde
ich mich
dadurch
schon
anheischig
machen
, mehr, von der
Beschaffenheit
einer
Weltursache
und einer
anderen
Welt
,
Begriff
zu haben, als ich
wirklich
aufzeigen
kann;
denn
was ich auch nur als
Hypothese
annehme
, davon
muß
ich
wenigstens
seinen
Eigenschaften
nach so viel
kennen
, daß ich nicht seinen
Begriff
,
sondern
nur
sein
Dasein
erdichten
darf
. Das
Wort
Glauben
aber
geht
nur auf die
Leitung
, die mir eine
Idee
gibt
, und den
subjektiven
Einfluß
auf die
Beförderung
meiner
Vernunfthandlungen
, die mich an
derselben
festhält
, ob ich
gleich
von ihr nicht
imstande
bin, in
spekulativer
Absicht
Rechenschaft
zu
geben
.
Aber der
bloß
doktrinale
Glaube
hat etwas
Wankendes
in sich; man wird
oft
durch
Schwierigkeiten
, die sich in der
Spekulation
vorfinden
, aus demselben
gesetzt
, ob man zwar
unausbleiblich
dazu immer
wiederum
zurückkehrt
.
Ganz
anders ist es mit dem
moralischen
Glauben
bewandt
.
Denn
da
ist es
schlechterdings
notwendig
, daß etwas
geschehen
muß
,
nämlich
, daß ich dem
sittlichen
Gesetze
in
allen
Stücken
Folge
leiste
. Der
Zweck
ist hier
unumgänglich
festgestellt
, und es ist nur eine
einzige
Bedingung
nach aller meiner
Einsicht
möglich
, unter
welcher
dieser
Zweck
mit
allen
gesamten
Zwecken
zusammenhängt
, und
dadurch
praktische
Gültigkeit
habe,
nämlich
, daß ein
Gott
und eine
künftige
Welt
sei
: ich
weiß
auch
ganz
gewiß
, daß niemand
andere
Bedingungen
kenne
, die auf
dieselbe
Einheit
der
Zwecke
unter dem
moralischen
Gesetze
führe
.
Da
aber also die
sittliche
Vorschrift
zugleich
meine
Maxime
ist (wie
denn
die
Vernunft
gebietet
, daß sie es
sein
soll
), so
werde
ich
unausbleiblich
ein
Dasein
Gottes
und ein
künftiges
Leben
glauben
, und ich bin
sicher
, daß diesen
Glauben
nichts
wankend
machen
könnte
, weil
dadurch
meine
sittlichen
Grundsätze
selbst
umgestürzt
werden
würden
, denen ich nicht
entsagen
kann, ohne in meinen
eigenen
Augen
verabscheuungswürdig
zu
sein
.
Auf solche
Weise
bleibt
uns, nach
Vereitlung
aller
ehrsüchtigen
Absichten
einer über die
Grenzen
aller
Erfahrung
hinaus
herumschweifenden
Vernunft
, noch genug
übrig
, daß wir damit in
praktischer
Absicht
zufrieden
zu
sein
Ursache
haben. Zwar wird
freilich
sich niemand
rühmen
können
: er
wisse
, daß ein
Gott
und daß ein
künftig
Leben
sei
;
denn
, wenn er das
weiß
, so ist er
gerade
der Mann, den ich
längst
gesucht
habe. Alles
Wissen
(wenn es einen
Gegenstand
der
bloßen
Vernunft
betrifft
) kann man
mitteilen
, und ich
würde
also auch
hoffen
können
, durch seine
Belehrung
mein
Wissen
in so
bewunderungswürdigem
Maße
ausgedehnt
zu
sehen
. Nein, die
Überzeugung
ist nicht
logische
,
sondern
moralische
Gewißheit
, und,
da
sie auf
subjektiven
Gründen
(der
moralischen
Gesinnung
)
beruht
, so
muß
ich nicht
einmal
sagen
: es ist
moralisch
gewiß
, daß ein
Gott
sei
usw
.,
sondern
, ich bin
moralisch
gewiß
usw
. Das
heißt
: der
Glaube
an einen
Gott
und eine
andere
Welt
ist mit meiner
moralischen
Gesinnung
so
verwebt
, daß, so wenig ich
Gefahr
laufe
, die
erstere
einzubüßen
,
ebensowenig
besorge
ich, daß mir der
zweite
jemals
entrissen
werden
könne
.
Das
einzige
Bedenkliche
, das sich
hierbei
findet
, ist, daß sich dieser
Vernunftglaube
auf die
Voraussetzung
moralischer
Gesinnungen
gründet
.
Gehen
wir davon ab, und
nehmen
einen, der in
Ansehung
sittlicher
Gesetze
gänzlich
gleichgültig
wäre
, so wird die
Frage
,
welche
die
Vernunft
aufwirft
,
bloß
eine
Aufgabe
für
die
Spekulation
, und kann
alsdann
zwar noch mit
starken
Gründen
aus der
Analogie
, aber nicht mit
solchen
, denen sich die
hartnäckigste
Zweifelsucht
ergeben
müßte
,
unterstützt
werden
73
. Es ist aber kein
Mensch
bei diesen
Fragen
frei
von allem
Interesse
.
Denn
, ob er
gleich
von dem
moralischen
, durch den
Mangel
guter
Gesinnungen
,
getrennt
sein
möchte
: so
bleibt
doch auch in diesem
Falle
genug
übrig
, um zu
machen
, daß er ein
göttliches
Dasein
und eine
Zukunft
fürchte
.
Denn
hierzu
wird nichts mehr
erfordert
, als daß er
wenigstens
keine
Gewißheit
vorschützen
könne
, daß kein
solches
Wesen
und kein
künftig
Leben
anzutreffen
sei
, wozu, weil es durch
bloße
Vernunft
,
mithin
apodiktisch
bewiesen
werden
müßte
, er die
Unmöglichkeit
von
beiden
darzutun
haben
würde
,
welches
gewiß
kein
vernünftiger
Mensch
übernehmen
kann. Das
würde
ein
negativer
Glaube
sein
, der zwar nicht
Moralität
und
gute
Gesinnungen
, aber doch das
Analogon
derselben
bewirken
,
nämlich
den
Ausbruch
der
bösen
mächtig
zurückhalten
könnte
.
Ist das aber alles, wird man
sagen
, was
reine
Vernunft
ausrichtet
,
indem
sie über die
Grenzen
der
Erfahrung
hinaus
Aussichten
eröffnet
? nichts mehr, als zwei
Glaubensartikel
? so viel hätte auch
wohl
der
gemeine
Verstand
, ohne
darüber
die
Philosophen
zu
Rate
zu
ziehen
,
ausrichten
können
!
Ich will hier nicht das
Verdienst
rühmen
, das
Philosophie
durch die
mühsame
Bestrebung
ihrer
Kritik
um die
menschliche
Vernunft
habe;
gesetzt
, es
sollte
auch beim
Ausgange
bloß
negativ
befunden
werden;
denn
davon wird in dem
folgenden
Abschnitte
noch etwas
vorkommen
. Aber
verlangt
ihr
denn
, daß ein
Erkenntnis
,
welches
alle
Menschen
angeht
, den
gemeinen
Verstand
übersteigen
, und
euch
nur von
Philosophen
entdeckt
werden
solle
?
Eben
das, was ihr
tadelt
, ist die
beste
Bestätigung
von der
Richtigkeit
der
bisherigen
Behauptungen
,
da
es das, was man
anfangs
nicht
vorhersehen
konnte,
entdeckt
,
nämlich
, daß die
Natur
, in dem, was
Menschen
ohne
Unterschied
angelegen
ist, keiner
parteiischen
Austeilung
ihrer
Gaben
zu
beschuldigen
sei
, und die
höchste
Philosophie
in
Ansehung
der
wesentlichen
Zwecke
der
menschlichen
Natur
es nicht weiter
bringen
könne
, als die
Leitung
,
welche
sie auch dem
gemeinsten
Verstande
hat
angedeihen
lassen
.
73
Das
menschliche
Gemüt
nimmt
(so wie ich
glaube
, daß es bei jedem
vernünftigen
Wesen
notwendig
geschieht
) ein
natürliches
Interesse
an der
Moralität
, ob es
gleich
nicht
ungeteilt
und
praktisch
überwiegend
ist.
Befestigt
und
vergrößert
dieses
Interesse
, und ihr
werdet
die
Vernunft
sehr
gelehrig
und selbst
aufgeklärter
finden
, um mit dem
praktischen
auch das
spekulative
Interesse
zu
vereinigen
.
Sorget
ihr aber nicht dafür, daß ihr
vorher
,
wenigstens
auf dem
halben
Wege
,
gute
Menschen
macht
, so
werdet
ihr auch
niemals
aus ihnen
aufrichtiggläubige
Menschen
machen
!
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