Index
|
Wörter
:
alphabetisch
-
Frequenz
-
rückläufig
-
Länge
-
Statistik
|
Hilfe
|
IntraText-Bibliothek
Immanuel Kant
Kritik der reinen Vernunft
IntraText CT - Text
I. Transzendentale Elementarlehre
Zweiter Teil Die transzendentale Logik
Erste Abteilung Die transzendentale Analytik
Zweites Buch Die Analytik der Grundsätze
Einleitung Von der transzendentalen Urteilskraft überhaupt
zurück
-
vor
Hier klicken um die Links zu den Konkordanzen auszublenden
Einleitung
Von der
transzendentalen
Urteilskraft
überhaupt
Wenn der
Verstand
überhaupt
als das
Vermögen
der
Regeln
erklärt
wird, so ist
Urteilskraft
das
Vermögen
unter
Regeln
zu
subsumieren
,
d.i.
zu
unterscheiden
, ob etwas unter einer
gegebenen
Regel
(
casus
datae
legis
)
stehe
, oder nicht. Die
allgemeine
Logik
enthält
gar
keine
Vorschriften
für
die
Urteilskraft
, und kann sie auch nicht
enthalten
.
Denn
da
sie von allem
Inhalte
der
Erkenntnis
abstrahiert
, so
bleibt
ihr nichts
übrig
, als das
Geschäft
, die
bloße
Form
der
Erkenntnis
in
Begriffen
,
Urteilen
und
Schlüssen
analytisch
auseinander
zu
setzen
, und
dadurch
formale
Regeln
alles
Verstandesgebrauchs
zustande
zu
bringen
.
Wollte
sie nun
allgemein
zeigen
, wie man unter diese
Regeln
subsumieren
,
d.i.
unterscheiden
sollte
, ob etwas darunter
stehe
oder nicht, so
könnte
dieses nicht anders, als wieder durch eine
Regel
geschehen
. Diese aber
erfordert
eben
darum, weil sie eine
Regel
ist, aufs
neue
eine
Unterweisung
der
Urteilskraft
, und so
zeigt
sich, daß zwar der
Verstand
einer
Belehrung
und
Ausrüstung
durch
Regeln
fähig
,
Urteilskraft
aber ein
besonderes
Talent
sei
,
welches
gar
nicht
belehrt
,
sondern
nur
geübt
sein
will. Daher ist diese auch das
Spezifische
des
sogenannten
Mutterwitzes
, dessen
Mangel
keine
Schule
ersetzen
kann;
denn
, ob diese
gleich
einem
eingeschränkten
Verstande
Regeln
vollauf
, von
fremder
Einsicht
entlehnt
,
darreichen
und
gleichsam
einpfropfen
kann; so
muß
doch das
Vermögen
, sich ihrer richtig zu
bedienen
, dem
Lehrlinge
selbst
angehören
, und keine
Regel
, die man
ihm
in dieser
Absicht
vorschreiben
möchte
, ist, in
Ermangelung
einer
solchen
Naturgabe
,
vor
Mißbrauch
sicher
24
. Ein
Arzt
daher, ein
Richter
, oder ein
Staatskundiger
, kann viel
schöne
pathologische
,
juristische
oder
politische
Regeln
im
Kopfe
haben, in dem
Grade
, daß er selbst darin
gründlicher
Lehrer
werden kann, und wird
dennoch
in der
Anwendung
derselben
leicht
verstoßen
, entweder, weil es
ihm
an
natürlicher
Urteilskraft
(obgleich nicht am
Verstande
)
mangelt
, und er zwar das
Allgemeine
in
abstracto
einsehen
, aber ob ein
Fall
in
concreto
darunter
gehöre
, nicht
unterscheiden
kann, oder auch darum, weil er nicht genug durch
Beispiele
und
wirkliche
Geschäfte
zu diesem
Urteile
abgerichtet
worden
. Dieses ist auch der einige und
große
Nutzen
der
Beispiele
: daß sie die
Urteilskraft
schärfen
.
Denn
was die
Richtigkeit
und
Präzision
der
Verstandeseinsicht
betrifft
, so tun sie
derselben
vielmehr
gemeiniglich
einigen
Abbruch
, weil sie nur
selten
die
Bedingung
der
Regel
adäquat
erfüllen
(als
casus
in
terminis
) und
überdem
diejenige
Anstrengung
des
Verstandes
oftmals
schwächen
,
Regeln
im
allgemeinen
, und
unabhängig
von den
besonderen
Umständen
der
Erfahrung
, nach ihrer
Zulänglichkeit
,
einzusehen
, und sie daher
zuletzt
mehr wie
Formeln
, als
Grundsätze
, zu
gebrauchen
angewöhnen
. So sind
Beispiele
der
Gängelwagen
der
Urteilskraft
,
welchen
derjenige
, dem es am
natürlichen
Talent
desselben
mangelt
,
niemals
entbehren
kann.
Ob nun aber
gleich
die
allgemeine
Logik
der
Urteilskraft
keine
Vorschriften
geben
kann, so ist es doch mit der
transzendentalen
ganz
anders
bewandt
, sogar daß es
scheint
, die
letztere
habe es zu ihrem
eigentlichen
Geschäfte
, die
Urteilskraft
im
Gebrauch
des
reinen
Verstandes
, durch
bestimmte
Regeln
zu
berichtigen
und zu
sichern
.
Denn
, um dem
Verstande
im
Felde
reiner
Erkenntnisse
a
priori
Erweiterung
zu
verschaffen
,
mithin
als
Doktrin
scheint
Philosophie
gar
nicht
nötig
, oder
vielmehr
übel
angebracht
zu
sein
, weil man nach
allen
bisherigen
Versuchen
damit doch wenig oder
gar
kein
Land
gewonnen
hat,
sondern
als
Kritik
, um die
Fehltritte
der
Urteilskraft
(
lapsus
judicii
) im
Gebrauch
der
wenigen
reinen
Verstandesbegriffe
, die wir haben, zu
verhüten
, dazu (obgleich der
Nutzen
alsdann
nur
negativ
ist) wird
Philosophie
mit ihrer
ganzen
Scharfsinnigkeit
und
Prüfungskunst
aufgeboten
.
Es hat aber die
Transzendental-Philosophie
das
Eigentümliche
: daß sie
außer
der
Regel
(oder
vielmehr
der
allgemeinen
Bedingung
zu
Regeln
), die in dem
reinen
Begriffe
des
Verstandes
gegeben
wird,
zugleich
a
priori
den
Fall
anzeigen
kann,
worauf
sie
angewandt
werden
sollen
. Die
Ursache
von dem
Vorzuge
, den sie in diesem
Stücke
vor
allen
anderen
belehrenden
Wissenschaften
hat, (
außer
der
Mathematik
)
liegt
eben
darin: daß sie von
Begriffen
handelt
, die sich auf ihre
Gegenstände
a
priori
beziehen
sollen
,
mithin
kann ihre
objektive
Gültigkeit
nicht
a
posteriori
dargetan
werden;
denn
das
würde
jene
Dignität
derselben
ganz
unberührt
lassen
,
sondern
sie
muß
zugleich
die
Bedingungen
, unter
welchen
Gegenstände
in
Übereinstimmung
mit
jenen
Begriffen
gegeben
werden
können
, in
allgemeinen
aber
hinreichenden
Kennzeichen
darlegen
,
widrigenfalls
sie ohne
allen
Inhalt
,
mithin
bloße
logische
Formen
und nicht
reine
Verstandesbegriffe
sein
würden
.
Diese
transzendentale
Doktrin
der
Urteilskraft
wird nun zwei
Hauptstücke
enthalten
: das
erste
,
welches
von der
sinnlichen
Bedingung
handelt
, unter
welcher
reine
Verstandesbegriffe
allein
gebraucht
werden
können
,
d.i.
von dem
Schematismus
des
reinen
Verstandes
; das
zweite
aber von denen
synthetischen
Urteilen
,
welche
aus
reinen
Verstandesbegriffen
unter diesen
Bedingungen
a
priori
herfließen
, und
allen
übrigen
Erkenntnissen
a
priori
zum
Grunde
liegen
,
d.i.
von den
Grundsätzen
des
reinen
Verstandes
.
24
Der
Mangel
an
Urteilskraft
ist
eigentlich
das, was man
Dummheit
nennt
, und einem
solchen
Gebrechen
ist
gar
nicht
abzuhelfen
. Ein
stumpfer
oder
eingeschränkter
Kopf
, dem es an nichts, als am
gehörigen
Grade
des
Verstandes
und
eigenen
Begriffen
desselben
mangelt
, ist durch
Erlernung
sehr
wohl
, sogar bis zur
Gelehrsamkeit
,
auszurüsten
.
Da
es aber
gemeiniglich
alsdann
auch an jenem (der
secunda
Petri
) zu
fehlen
pflegt
, so ist es nichts
ungewöhnliches
, sehr
gelehrte
Männer
anzutreffen
, die, im
Gebrauche
ihrer
Wissenschaft
,
jenen
nie
zu
bessernden
Mangel
häufig
blicken
lassen
.
zurück
-
vor
Index
|
Wörter
:
alphabetisch
-
Frequenz
-
rückläufig
-
Länge
-
Statistik
|
Hilfe
|
IntraText-Bibliothek
Best viewed with any browser at 800x600 or 768x1024 on Tablet PC
IntraText®
(V89) - Some rights reserved by
EuloTech SRL
- 1996-2007. Content in this page is licensed under a
Creative Commons License