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Immanuel Kant
Kritik der reinen Vernunft
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I. Transzendentale Elementarlehre
Zweiter Teil Die transzendentale Logik
Zweite Abteilung Die transzendentale Dialektik
Einleitung
I Vom transzendentalen Schein
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Zweite
Abteilung
Die
transzendentale
Dialektik
Einleitung
I
Vom
transzendentalen
Schein
Wir haben oben die
Dialektik
überhaupt
eine
Logik
des
Scheins
genannt
. Das
bedeutet
nicht, sie
sei
eine
Lehre
der
Wahrscheinlichkeit
;
denn
diese ist
Wahrheit
, aber durch
unzureichende
Gründe
erkannt
, deren
Erkenntnis
also zwar
mangelhaft
, aber darum doch nicht
trüglich
ist, und
mithin
von dem
analytischen
Teile
der
Logik
nicht
getrennt
werden
muß
. Noch
weniger
dürfen
Erscheinung
und
Schein
für
einerlei
gehalten
werden.
Denn
Wahrheit
oder
Schein
sind nicht im
Gegenstande
,
sofern
er
angeschaut
wird,
sondern
im
Urteile
über
denselben
,
sofern
er
gedacht
wird. Man kann also zwar richtig
sagen
: daß die
Sinne
nicht
irren
, aber nicht darum, weil sie
jederzeit
richtig
urteilen
,
sondern
weil sie
gar
nicht
urteilen
. Daher sind
Wahrheit
sowohl als
Irrtum
,
mithin
auch der
Schein
, als die
Verleitung
zum
letzteren
, nur im
Urteile
,
d.i.
nur in dem
Verhältnisse
des
Gegenstandes
zu unserem
Verstande
anzutreffen
. In einem
Erkenntnis
, das mit den
Verstandesgesetzen
durchgängig
zusammenstimmt
, ist kein
Irrtum
. In einer
Vorstellung
der
Sinne
ist (weil sie
gar
kein
Urteil
enthält
) auch kein
Irrtum
. Keine
Kraft
der
Natur
kann aber von selbst von ihren
eigenen
Gesetzen
abweichen
. Daher
würden
weder der
Verstand
für
sich allein (ohne
Einfluß
einer
anderen
Ursache
), noch die
Sinne
für
sich,
irren
; der
erstere
darum nicht, weil, wenn er
bloß
nach seinen
Gesetzen
handelt
, die
Wirkung
(das
Urteil
) mit diesen
Gesetzen
notwendig
übereinstimmen
muß
. In der
Übereinstimmung
mit den
Gesetzen
des
Verstandes
besteht
aber das
Formale
aller
Wahrheit
. In den
Sinnen
ist
gar
kein
Urteil
, weder ein
wahres
, noch
falsches
. Weil wir nun
außer
diesen
beiden
Erkenntnisquellen
keine
anderen
haben, so
folgt
: daß der
Irrtum
nur durch den
unbemerkten
Einfluß
der
Sinnlichkeit
auf den
Verstand
bewirkt
werde
,
wodurch
es
geschieht
, daß die
subjektiven
Gründe
des
Urteils
mit den
objektiven
zusammenfließen
, und diese von ihrer
Bestimmung
abweichend
machen
34
, so wie ein
bewegter
Körper
zwar
für
sich
jederzeit
die
gerade
Linie
in
derselben
Richtung
halten
würde
, die aber, wenn eine
andere
Kraft
nach einer
anderen
Richtung
zugleich
auf
ihn
einfließt
, in
krummlinige
Bewegung
ausschlägt
. Um die
eigentümliche
Handlung
des
Verstandes
von der
Kraft
, die sich mit
einmengt
, zu
unterscheiden
, wird es daher
nötig
sein
, das
irrige
Urteil
als die
Diagonale
zwischen zwei
Kräften
anzusehen
, die das
Urteil
nach zwei
verschiedenen
Richtungen
bestimmen
, die
gleichsam
einen
Winkel
einschließen
, und
jene
zusammengesetzte
Wirkung
in die
einfache
des
Verstandes
und der
Sinnlichkeit
aufzulösen
,
welches
in
reinen
Urteilen
a
priori
durch
transzendentale
Überlegung
geschehen
muß
,
wodurch
(wie schon
angezeigt
worden
) jeder
Vorstellung
ihre
Stelle
in der ihr
angemessenen
Erkenntniskraft
angewiesen
,
mithin
auch der
Einfluß
der
letzteren
auf
jene
unterschieden
wird.
Unser
Geschäft
ist hier nicht, vom
empirischen
Scheine
(
z
.
B
. dem
optischen
) zu
handeln
, der sich bei dem
empirischen
Gebrauche
sonst
richtiger
Verstandesregeln
vorfindet
, und durch
welchen
die
Urteilskraft
, durch den
Einfluß
der
Einbildung
verleitet
wird,
sondern
wir haben es mit dem
transzendentalen
Scheine
allein zu tun, der auf
Grundsätze
einfließt
, deren
Gebrauch
nicht
einmal
auf
Erfahrung
angelegt
ist, als in
welchem
Falle
wir doch
wenigstens
einen
Probierstein
ihrer
Richtigkeit
haben
würden
,
sondern
der uns selbst, wider alle
Warnungen
der
Kritik
,
gänzlich
über den
empirischen
Gebrauch
der
Kategorien
wegführt
und uns mit dem
Blendwerke
einer
Erweiterung
des
reinen
Verstandes
hinhält
. Wir
wollen
die
Grundsätze
, deren
Anwendung
sich
ganz
und
gar
in den
Schranken
möglicher
Erfahrung
hält
,
immanente
,
diejenigen
aber,
welche
diese
Grenzen
überfliegen
sollen
,
transzendente
Grundsätze
nennen
. Ich
verstehe
aber unter diesen nicht den
transzendentalen
Gebrauch
oder
Mißbrauch
der
Kategorien
,
welcher
ein
bloßer
Fehler
der nicht
gehörig
durch
Kritik
gezügelten
Urteilskraft
ist, die auf die
Grenze
des
Bodens
,
worauf
allein dem
reinen
Verstande
sein
Spiel
erlaubt
ist, nicht genug
achthat
;
sondern
wirkliche
Grundsätze
, die uns
zumuten
, alle
jene
Grenzpfähle
niederzureißen
und sich einen
ganz
neuen
Boden
, der
überall
keine
Demarkation
erkennt
,
anzumaßen
. Daher sind
transzendental
und
transzendent
nicht
einerlei
. Die
Grundsätze
des
reinen
Verstandes
, die wir oben
vortrugen
,
sollen
bloß
von
empirischem
und nicht von
transzendentalem
,
d.i.
über die
Erfahrungsgrenze
hinausreichendem
Gebrauche
sein
. Ein
Grundsatz
aber, der diese
Schranken
wegnimmt
, ja
gar
sie zu
überschreiten
gebietet
,
heißt
transzendent
. Kann
unsere
Kritik
dahin
gelangen
, den
Schein
dieser
angemaßten
Grundsätze
aufzudecken
, so werden
jene
Grundsätze
des
bloß
empirischen
Gebrauchs
, im
Gegensatz
mit den
letzteren
,
immanente
Grundsätze
des
reinen
Verstandes
genannt
werden
können
.
Der
logische
Schein
, der in der
bloßen
Nachahmung
der
Vernunftform
besteht
, (der
Schein
der
Trugschlüsse
,)
entspringt
lediglich
aus einem
Mangel
der
Achtsamkeit
auf die
logische
Regel
.
Sobald
daher diese auf den
vorliegenden
Fall
geschärft
wird, so
verschwindet
er
gänzlich
. Der
transzendentale
Schein
dagegen
hört
gleichwohl
nicht auf, ob man
ihn
schon
aufgedeckt
und seine
Nichtigkeit
durch die
transzendentale
Kritik
deutlich
eingesehen
hat. (
Z
.
B
. der
Schein
in dem
Satze
: die
Welt
muß
der
Zeit
nach einen
Anfang
haben.) Die
Ursache
hiervon
ist diese, daß in unserer
Vernunft
(
subjektiv
als ein
menschliches
Erkenntnisvermögen
betrachtet
)
Grundregeln
und
Maximen
ihres
Gebrauchs
liegen
,
welche
gänzlich
das
Ansehen
objektiver
Grundsätze
haben, und
wodurch
es
geschieht
, daß die
subjektive
Notwendigkeit
einer
gewissen
Verknüpfung
unserer
Begriffe
,
zugunsten
des
Verstandes
,
für
eine
objektive
Notwendigkeit
, der
Bestimmung
der
Dinge
an sich selbst,
gehalten
wird. Eine
Illusion
, die
gar
nicht zu
vermeiden
ist, so wenig als wir es
vermeiden
können
, daß uns das
Meer
in der
Mitte
nicht
höher
scheine
, wie an dem
Ufer
, weil wir
jene
durch
höhere
Lichtstrahlen
als diese
sehen
, oder, noch mehr, so wenig selbst der
Astronom
verhindern
kann, daß
ihm
der
Mond
im
Aufgange
nicht
größer
scheine
, ob er
gleich
durch diesen
Schein
nicht
betrogen
wird.
Die
transzendentale
Dialektik
wird also sich damit
begnügen
, den
Schein
transzendenter
Urteile
aufzudecken
, und
zugleich
zu
verhüten
, daß er nicht
betrüge
; daß er aber auch (wie der
logische
Schein
) sogar
verschwinde
, und ein
Schein
zu
sein
aufhöre
, das kann sie
niemals
bewerkstelligen
.
Denn
wir haben es mit einer
natürlichen
und
unvermeidlichen
Illusion
zu tun, die selbst auf
subjektiven
Grundsätzen
beruht
, und sie als
objektive
unterschiebt
,
anstatt
daß die
logische
Dialektik
in
Auflösung
der
Trugschlüsse
es nur mit einem
Fehler
, in
Befolgung
der
Grundsätze
, oder mit einem
gekünstelten
Scheine
, in
Nachahmung
derselben
, zu tun hat. Es
gibt
also eine
natürliche
und
unvermeidliche
Dialektik
der
reinen
Vernunft
, nicht eine, in die sich etwa ein
Stümper
, durch
Mangel
an
Kenntnissen
, selbst
verwickelt
, oder die irgendein
Sophist
, um
vernünftige
Leute
zu
verwirren
,
künstlich
ersonnen
hat,
sondern
die der
menschlichen
Vernunft
unhintertreiblich
anhängt
, und selbst, nachdem wir ihr
Blendwerk
aufgedeckt
haben,
dennoch
nicht
aufhören
wird, ihr
vorzugaukeln
und sie
unablässig
in
augenblickliche
Verirrungen
zu
stoßen
, die
jederzeit
gehoben
zu werden
bedürfen
.
34
Die
Sinnlichkeit
, dem
Verstande
untergelegt
, als das
Objekt
,
worauf
dieser seine
Funktion
anwendet
, ist der
Quell
realer
Erkenntnisse
.
Eben
dieselbe
aber,
sofern
sie auf die
Verstandeshandlung
selbst
einfließt
, und
ihn
zum
Urteilen
bestimmt
, ist der
Grund
des
Irrtums
.
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