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Immanuel Kant
Kritik der Urteilskraft
IntraText CT - Text
Erster Teil. Kritik der ästhetischen Urteilskraft
Erster Abschnitt. Analytik der ästhetischen Urteilskraft
Zweites Buch Analytik des Erhabenen
B. Vom Dynamisch-Erhabenen der Natur
§ 28 Von der Natur als einer Macht
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B
. Vom
Dynamisch-Erhabenen
der
Natur
§ 28
Von der
Natur
als einer
Macht
Macht
ist ein
Vermögen
,
welches
großen
Hindernissen
überlegen
ist.
Ebendieselbe
heißt
eine
Gewalt
, wenn sie auch dem
Widerstande
dessen, was selbst
Macht
besitzt
,
überlegen
ist. Die
Natur
im
ästhetischen
Urteile
als
Macht
, die über uns keine
Gewalt
hat,
betrachtet
, ist
dynamisch-erhaben
.
Wenn von uns die
Natur
dynamisch
als
erhaben
beurteilt
werden
soll
, so
muß
sie als
Furcht
erregend
vorgestellt
werden (obgleich nicht
umgekehrt
, jeder
Furcht
erregende
Gegenstand
in unserm
ästhetischen
Urteile
erhaben
gefunden
wird).
Denn
in der
ästhetischen
Beurteilung
(ohne
Begriff
) kann die
Überlegenheit
über
Hindernisse
nur nach der
Größe
des
Widerstandes
beurteilt
werden. Nun ist aber das, dem wir zu
widerstehen
bestrebt
sind, ein
Übel
, und, wenn wir unser
Vermögen
demselben nicht
gewachsen
finden
, ein
Gegenstand
der
Furcht
. Also kann
für
die
ästhetische
Urteilskraft
die
Natur
nur
sofern
als
Macht
,
mithin
dynamisch-erhaben
gelten
,
sofern
sie als
Gegenstand
der
Furcht
betrachtet
wird.
Man kann aber einen
Gegenstand
als
furchtbar
betrachten
, ohne sich
vor
ihm
zu
fürchten
, wenn wir
ihn
nämlich
so
beurteilen
, daß wir uns
bloß
den
Fall
denken
,
da
wir
ihm
etwa
Widerstand
tun
wollten
, und daß
alsdann
aller
Widerstand
bei
weitem
vergeblich
sein
würde
. So
fürchtet
der
Tugendhafte
Gott
, ohne sich
vor
ihm
zu
fürchten
, weil er
ihm
und seinen
Geboten
widerstehen
zu
wollen
, sich als
keinen
von
ihm
besorglichen
Fall
denkt
. Aber auf
jeden
solchen
Fall
, den er als an sich nicht
unmöglich
denkt
,
erkennt
er
ihn
als
furchtbar
.
Wer sich
fürchtet
, kann über das
Erhabene
der
Natur
gar
nicht
urteilen
, so wenig als der,
welcher
durch
Neigung
und
Appetit
eingenommen
ist, über das
Schöne
.
Jener
fliehet
den
Anblick
eines
Gegenstandes
, der
ihm
Scheu
einjagt
; und es ist
unmöglich
, an einem
Schrecken
, der
ernstlich
gemeint
wäre
,
Wohlgefallen
zu
finden
. Daher ist die
Annehmlichkeit
aus dem
Aufhören
einer
Beschwerde
das
Frohsein
. Dieses aber, wegen der
Befreiung
von einer
Gefahr
, ist ein
Frohsein
mit dem
Vorsatze
, sich
derselben
nie
mehr
auszusetzen
; ja man
mag
an
jene
Empfindung
nicht
einmal
gerne
zurückdenken
,
weit
gefehlt
, daß man die
Gelegenheit
dazu selbst
aufsuchen
sollte
.
Kühne
überhangende
gleichsam
drohende
Felsen
, am
Himmel
sich
auftürmende
Donnerwolken
, mit
Blitzen
und
Krachen
einherziehend
,
Vulkane
in ihrer
ganzen
zerstörenden
Gewalt
,
Orkane
mit ihrer
zurückgelassenen
Verwüstung
, der
grenzenlose
Ozean
, in
Empörung
gesetzt
, ein
hoher
Wasserfall
eines
mächtigen
Flusses
u
.
dgl
.
machen
unser
Vermögen
zu
widerstehen
, in
Vergleichung
mit ihrer
Macht
, zur
unbedeutenden
Kleinigkeit
. Aber ihr
Anblick
wird nur um
desto
anziehender
,
je
furchtbarer
er ist, wenn wir uns nur in
Sicherheit
befinden
; und wir
nennen
diese
Gegenstände
gern
erhaben
, weil sie die
Seelenstärke
über ihr
gewöhnliches
Mittelmaß
erhöhen
, und ein
Vermögen
zu
widerstehen
von
ganz
anderer
Art
in uns
entdecken
lassen
,
welches
uns
Mut
macht
, uns mit der
scheinbaren
Allgewalt
der
Natur
messen
zu
können
.
Denn
, so wie wir zwar an der
Unermeßlichkeit
der
Natur
, und der
Unzulänglichkeit
unseres
Vermögens
einen der
ästhetischen
Größenschätzung
ihres
Gebiets
proportionierten
Maßstab
zu
nehmen
,
unsere
eigene
Einschränkung
,
gleichwohl
aber doch auch an unserm
Vernunftvermögen
zugleich
einen
andern
nicht-sinnlichen
Maßstab
,
welcher
jene
Unendlichkeit
selbst als
Einheit
unter sich hat, gegen den alles in der
Natur
klein
ist,
mithin
in unserm
Gemüte
eine
Überlegenheit
über die
Natur
selbst in ihrer
Unermeßlichkeit
fanden
: so
gibt
auch die
Unwiderstehlichkeit
ihrer
Macht
uns, als
Naturwesen
betrachtet
, zwar
unsere
physische
Ohnmacht
zu
erkennen
, aber
entdeckt
zugleich
ein
Vermögen
, uns als von ihr
unabhängig
zu
beurteilen
, und eine
Überlegenheit
über die
Natur
,
worauf
sich eine
Selbsterhaltung
von
ganz
andrer
Art
gründet
, als
diejenige
ist, die von der
Natur
außer
uns
angefochten
und in
Gefahr
gebracht
werden kann,
wobei
die
Menschheit
in unserer
Person
unerniedrigt
bleibt
, obgleich der
Mensch
jener
Gewalt
unterliegen
müßte
. Auf solche
Weise
wird die
Natur
in unserm
ästhetischen
Urteile
nicht,
sofern
sie
furchterregend
ist, als
erhaben
beurteilt
,
sondern
weil sie
unsere
Kraft
(die nicht
Natur
ist) in uns
aufruft
, um das, wofür wir
besorgt
sind (
Güter
Gesundheit
und
Leben
) als
klein
, und daher ihre
Macht
(der wir in
Ansehung
dieser
Stücke
allerdings
unterworfen
sind)
für
uns und
unsere
Persönlichkeit
demungeachtet
doch
für
keine solche
Gewalt
anzusehen
, unter die wir uns zu
beugen
hätten
, wenn es auf unsre
höchste
Grundsätze
und deren
Behauptung
oder
Verlassung
ankäme
. Also
heißt
die
Natur
hier
erhaben
,
bloß
weil sie die
Einbildungskraft
zu
Darstellung
derjenigen
Fälle
erhebt
, in
welchen
das
Gemüt
die eigene
Erhabenheit
seiner
Bestimmung
, selbst über die
Natur
, sich
fühlbar
machen
kann.
Diese
Selbstschätzung
verliert
dadurch
nichts, daß wir uns
sicher
sehen
müssen
, um dieses
begeisternde
Wohlgefallen
zu
empfinden
;
mithin
, weil es mit der
Gefahr
nicht
Ernst
ist, es auch (wie es
scheinen
möchte
) mit der
Erhabenheit
unseres
Geistesvermögens
ebensowenig
Ernst
sein
möchte
.
Denn
das
Wohlgefallen
betrifft
hier nur die sich in
solchem
Falle
entdeckende
Bestimmung
unseres
Vermögens
, so wie die
Anlage
zu demselben in unserer
Natur
ist;
indessen
daß die
Entwickelung
und
Übung
desselben
uns
überlassen
und
abliegend
bleibt
. Und hierin ist
Wahrheit
; so sehr sich auch der
Mensch
, wenn er seine
Reflexion
bis
dahin
erstreckt
, seiner
gegenwärtigen
wirklichen
Ohnmacht
bewußt
sein
mag
.
Dieses
Prinzip
scheint
zwar zu
weit
hergeholt
und
vernünftelt
,
mithin
für
ein
ästhetisches
Urteil
überschwenglich
zu
sein
; allein die
Beobachtung
des
Menschen
beweiset
das
Gegenteil
, und daß es den
gemeinsten
Beurteilungen
zum
Grunde
liegen
kann, ob man sich
gleich
desselben
nicht immer
bewußt
ist.
Denn
was ist das, was selbst dem
Wilden
ein
Gegenstand
der
größten
Bewunderung
ist? Ein
Mensch
, der nicht
erschrickt
, der sich nicht
fürchtet
, also der
Gefahr
nicht
weicht
,
zugleich
aber mit
völliger
Überlegung
rüstig
zu
Werke
geht
. Auch im
aller-gesittetsten
Zustande
bleibt
diese
vorzügliche
Hochachtung
für
den
Krieger
; nur daß man noch dazu
verlangt
, daß er
zugleich
alle
Tugenden
des
Friedens
,
Sanftmut
,
Mitleid
, und selbst
geziemende
Sorgfalt
für
seine
eigne
Person
beweise
:
eben
darum, weil daran die
Unbezwinglichkeit
seines
Gemüts
durch
Gefahr
erkannt
wird. Daher
mag
man noch so viel in der
Vergleichung
des
Staatsmanns
mit dem
Feldherrn
über die
Vorzüglichkeit
der
Achtung
, die einer
vor
dem
andern
verdient
,
streiten
; das
ästhetische
Urteil
entscheidet
für
den
letztern
. Selbst der
Krieg
, wenn er mit
Ordnung
und
Heiligachtung
der
bürgerlichen
Rechte
geführt
wird, hat etwas
Erhabenes
an sich, und
macht
zugleich
die
Denkungsart
des
Volks
,
welches
ihn
auf diese
Art
führt
, nur um
desto
erhabener
,
je
mehreren
Gefahren
es
ausgesetzt
war, und sich
mutig
darunter hat
behaupten
können
:
da
hingegen
ein
langer
Frieden
den
bloßen
Handelsgeist
, mit
ihm
aber den
niedrigen
Eigennutz
,
Feigheit
und
Weichlichkeit
herrschend
zu
machen
, und die
Denkungsart
des
Volks
zu
erniedrigen
pflegt
.
Wider diese
Auflösung
des
Begriffs
des
Erhabenen
,
sofern
dieses der
Macht
beigelegt
wird,
scheint
zu
streiten
: daß wir
Gott
im
Ungewitter
, im
Sturm
, im
Erdbeben
u
.
dgl
. als im
Zorn
,
zugleich
aber auch in seiner
Erhabenheit
sich
darstellend
vorstellig
zu
machen
pflegen
,
wobei
doch die
Einbildung
einer
Überlegenheit
unseres
Gemüts
über die
Wirkungen
, und, wie es
scheint
,
gar
über die
Absichten
einer
solchen
Macht
,
Torheit
und
Frevel
zugleich
sein
würde
. Hier
scheint
kein
Gefühl
der
Erhabenheit
unserer
eigenen
Natur
,
sondern
vielmehr
Unterwerfung
,
Niedergeschlagenheit
und
Gefühl
der
gänzlichen
Ohnmacht
die
Gemütsstimmung
zu
sein
, die sich
für
die
Erscheinung
eines
solchen
Gegenstandes
schickt
, und auch
gewöhnlichermaßen
mit der
Idee
desselben
bei
dergleichen
Naturbegebenheit
verbunden
zu
sein
pflegt
. In der
Religion
überhaupt
scheint
Niederwerfen
,
Anbetung
mit
niederhängendem
Haupte
, mit
zerknirschten
,
angstvollen
Gebärden
und
Stimmen
, das
einzig
schickliche
Benehmen
in
Gegenwart
der
Gottheit
zu
sein
,
welches
daher auch die
meisten
Völker
angenommen
haben und noch
beobachten
. Allein diese
Gemütsstimmung
ist auch bei
weitem
nicht mit der
Idee
der
Erhabenheit
einer
Religion
und ihres
Gegenstandes
an sich und
notwendig
verbunden
. Der
Mensch
, der sich
wirklich
fürchtet
, weil er dazu in sich
Ursache
findet
,
indem
er sich
bewußt
ist, mit seiner
verwerflichen
Gesinnung
wider eine
Macht
zu
verstoßen
, deren
Wille
unwiderstehlich
und
zugleich
gerecht
ist,
befindet
sich
gar
nicht in der
Gemütsverfassung
, um die
göttliche
Größe
zu
bewundern
, wozu eine
Stimmung
zur
ruhigen
Kontemplation
und
ganz
freies
Urteil
erforderlich
ist. Nur
alsdann
, wenn er sich seiner
aufrichtigen
gottgefälligen
Gesinnung
bewußt
ist,
dienen
jene
Wirkungen
der
Macht
, in
ihm
die
Idee
der
Erhabenheit
dieses
Wesens
zu
erwecken
,
sofern
er eine dessen
Willen
gemäße
Erhabenheit
der
Gesinnung
bei sich selbst
erkennt
, und
dadurch
über die
Furcht
vor
solchen
Wirkungen
der
Natur
, die er nicht als
Ausbrüche
seines
Zorns
ansieht
,
erhoben
wird. Selbst die
Demut
, als
unnachsichtliche
Beurteilung
seiner
Mängel
, die sonst, beim
Bewußtsein
guter
Gesinnungen
,
leicht
mit der
Gebrechlichkeit
der
menschlichen
Natur
bemäntelt
werden
könnten
, ist eine
erhabene
Gemütsstimmung
, sich
willkürlich
dem
Schmerze
der
Selbstverweise
zu
unterwerfen
, um die
Ursache
dazu nach und nach zu
vertilgen
. Auf solche
Weise
allein
unterscheidet
sich
innerlich
Religion
von
Superstition
;
welche
letztere
nicht
Ehrfurcht
für
das
Erhabene
,
sondern
Furcht
und
Angst
vor
dem
übermächtigen
Wesen
, dessen
Willen
der
erschreckte
Mensch
sich
unterworfen
sieht
, ohne
ihn
doch
hochzuschätzen
, im
Gemüte
gründet
:
woraus
denn
freilich
nichts als
Gunstbewerbung
und
Einschmeichelung
, statt einer
Religion
des
guten
Lebenswandels
entspringen
kann.
Also ist die
Erhabenheit
in
keinem
Dinge
der
Natur
,
sondern
nur in unserm
Gemüte
enthalten
,
sofern
wir der
Natur
in uns, und
dadurch
auch der
Natur
(
sofern
sie auf uns
einfließt
)
außer
uns,
überlegen
zu
sein
uns
bewußt
werden
können
. Alles, was dieses
Gefühl
in uns
erregt
, wozu die
Macht
der
Natur
gehört
,
welche
unsere
Kräfte
auffordert
,
heißt
alsdenn
(
obzwar
uneigentlich
)
erhaben
; und nur unter der
Voraussetzung
dieser
Idee
in uns, und in
Beziehung
auf sie, sind wir
fähig
, zur
Idee
der
Erhabenheit
desjenigen
Wesens
zu
gelangen
,
welches
nicht
bloß
durch seine
Macht
, die es in der
Natur
beweiset
,
innige
Achtung
in uns
wirkt
,
sondern
noch mehr durch das
Vermögen
,
welches
in uns
gelegt
ist,
jene
ohne
Furcht
zu
beurteilen
, und
unsere
Bestimmung
als über
dieselbe
erhaben
zu
denken
.
zurück
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