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Internationale Theologische Kommission
Erinnern und Versohnen

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  • Erstes Kapitel DAS THEMA: SCHULDBEKENNTNISSE IN VERGANGENHEIT UND GEGENWART
    • 1.1 Die Sichtweise vor dem II. Vatikanum
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Erstes Kapitel DAS THEMA: SCHULDBEKENNTNISSE IN VERGANGENHEIT UND GEGENWART

1.1 Die Sichtweise vor dem II. Vatikanum

Das Jubiläum ist in der Kirche immer als eine Zeit der Freude über die in Christus empfangene Erlösung und als eine besondere Gelegenheit der Buße und der Versöhnung für die gegenwärtigen Sünden im Leben des Volkes Gottes betrachtet worden. Schon seit der ersten Feier des Heiligen Jahres unter Papst Bonifaz VIII. im Jahre 1300 war die Bußwallfahrt zu den Gräbern der heiligen Apostel Petrus und Paulus mit der Gewährung eines außerordentlichen (vollkommenen oder teilweisen) Ablasses verbunden gewesen, der, zusammen mit der Vergebung im Bußsakrament, der Ausheilung und Überwindung der zeitlichen Sündenstrafen dienen sollte, die als negative Auswirkungen der Sünden auf das Verhältnis des Menschen zu Gott und zu den Mitmenschen zu verstehen sind4. In diesem Kontext wird sowohl hinsichtlich der sakramentalen Vergebung wie im Hinblick auf den Nachlass der Sündenstrafen der personale Charakter der Buße sichtbar. Im Laufe des "Jahres der Vergebung und der Gnade"5 öffnet die Kirche in außergewöhnlicher Weise den "Schatz der Gnaden", den Christus für das pastorale Wirken hinterlassen hat6

Allerdings gab es bisher bei keinem Jubeljahr eine Gewissenserforschung über mögliche Verfehlungen der Kirche in der Vergangenheit. Ebensowenig wurde eine Vergebungsbitte an Gott gerichtet für ihr Verhalten in der näheren oder ferneren Geschichte.

Man findet in der gesamten Geschichte der Kirche keinen Präzedenzfall einer vom Lehramt selbst formulierten Vergebungsbitte für die Verfehlungen der Vergangenheit. Die Konzilien und die päpstlichen Dekretalien sanktionierten zwar die Missbräuche, derer sich Kleriker und Laien schuldig gemacht hatten, und nicht wenige Hirten der Kirche bemühten sich darum, sie abzustellen. Ganz selten ergab sich die Gelegenheit, dass kirchliche Autoritäten - Päpste, Bischöfe oder Konzilien - öffentlich Schuld und Verfehlungen anerkannt haben, für die sie die Verantwortung trugen. Ein berühmtes Beispiel dafür hat der Reformpapst Hadrian VI. gegeben, der in einer Botschaf t an den Reichstag von Nürnberg am 25. November 1522 aufrichtig bekannte: "Missbräuche in geistlichen Dingen, Übertretungen der Gebote, ja, dass alles sich zum Ärgeren verkehrt hat. So ist es nicht zu verwundern, dass die Krankheit sich vom Haupt auf die Glieder, von den Päpsten auf die Prälaten verpflanzt hat. <Wir alle>, Prälaten und Geistliche, <sind vom Wege des Rechtes abgewichen, und es gab schon lange keinen einzigen, der Gutes tat> (Ps 14,3). Deshalb müssen wir alle Gott die Ehre geben und uns vor ihm demütigen; ein jeder von uns soll betrachten, weshalb er gefallen, und sich lieber selber richten, als dass er von Gott am Tage seines Zornes gerichtet werde."7

Hadrian VI. beklagte die zeitgenössischen Sünden und Fehler, genaugenommen die seines unmittelbaren Vorgängers Leos X. und seiner Kurie, ohne jedoch damit eine Vergebungsbitte zu verbinden

Erst Papst Paul VI. wird eine Vergebungsbitte an Gott und auch an eine Gruppe von Zeitgenossen richten. Bei der Eröffnungsansprache zur z. Konzilssession bat der Papst "Gott und die getrennten Brüder des Orients" um Verzeihung, und er erklärte sich von seiner Seite aus dazu bereit, die Anfeindungen zu vergeben, denen die katholische Kirche ausgesetzt war. 

In der Sicht Pauls VI. betrafen die von beiden Seiten vorauszusetzende Bitte um Vergebung und das gegenseitige Angebot der Vergebung allein die Sünde der Spaltung unter Christen




4 Vgl. Extravagantes communes, lib. V, tit. IX, c. 1 (A. Friedberg, Corpus iuris canonici, II, c. 1304).


5 Vgl. Benedikt XIV., Brief Salutis nostrae, 30.4.1774, § 2. Leo XIL, Brief Quod hoc ineunte, 24. Mai 1824, § 2, spricht vom "Jahr der Sühne, der Verzeihung und Befreiung, der Gnade, der Vergebung und des Nachlasses".


6 In diesem Sinne ist die Definition des Ablasses zu verstehen, den Clemens VI. bei der Festlegung des alle 50 Jahre wiederkehrenden Jubeljahres gegeben hat. Er sieht im kirchlichen Jubeljahr "die geistliche Erfüllung" des "Jubeljahres der Vergebung und der Freude" aus dem Alten Testament (Lev 25).


7 Zitiert nach Erwin Iserloh, Die protestantische Reformation, in: Handbuch der Kirchengeschichte IV, hg. v. Hubert Jedin, Freiburg / Basel / Wien 1967,111.





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