1.3 Die Vergebungsbitten
Johannes Pauls II.
Papst Johannes Paul II. hat das
Bedauern über die "schmerzenden Erinnerungen", die die Geschichte der
innerchristlichen Spaltungen begleiten, nicht einfach nur wiederholt. Er ist
über die Erklärungen seines Vorgängers Pauls VI. wie auch des II. Vatikanischen
Konzils hinausgegangen18 und hat die Vergebungsbitte auf eine Vielzahl
von historischen Vorgängen ausgedehnt, in die die Kirche oder einzelne Gruppen
von Christen - freilich in jeweils spezifischer rechtlich-politischer Kompetenz
- involviert waren19.
In dem Apostolischen Schreiben Tertio
Millennio Adveniente 20 kündigte der Papst an, dass das Jubiläum
des Jahres 2000 die Gelegenheit biete zu einer "Reinigung des
Gedächtnisses" der Kirche "von allen Denk und Handlungsweisen, die im
Verlauf des vergangenen Millenniums geradezu Formen eines Gegenzeugnisses
und Skandals darstellten"21.
Die Kirche ist eingeladen,
"sich stärker der Schuld ihrer Söhne und Töchter bewusst zu werden".
"Die Heilige Pforte des Jubeljahres 2000 wird in symbolischer Hinsicht
größer sein müssen als die vorhergehenden." Darum kann sie "die
Schwelle des neuen Jahrtausends nicht überschreiten, ohne ihre Kinder dazu
anzuhalten, sich durch Reue von Irrungen, Treulosigkeiten, Inkonsequenzen und
Verspätungen zu reinigen"22. Auch an die Verantwortlichkeit der
Christen für die Übel unserer Zeit wird erinnert23, wenngleich der
Akzent vornehmlich auf der Solidarität der Kirche von heute mit den Fehlhaltungen
von gestern liegt, wovon schon die Rede war, wobei etwa an die Spaltung der
Christenheit zu denken ist24 oder an "die Methoden der Intoleranz
oder sogar der Gewalt"25, die für die Verkündigung des Evangeliums
herangezogen wurden.
Fördern möchte der Papst auch
eine theologische Vertiefung dieser bewussten Annahme des historischen
Versagens und der möglichen Bitte um Vergebung gegenüber den
Zeitgenossenz26. Im Apostolischen Schreiben Reconciliatio et
Paenitentia bekräftigt er den Glauben, dass im Sakrament der Buße "der
Sünder sich mit seiner Schuld allein vor Gott gestellt sieht, seiner Reue und
seinem Heilsvertrauen. Keiner kann an dessen Stelle oder in seinem Namen um
Vergebung bitten." Die Sünde ist daher immer der Person eigen, wenn sie
auch die ganze Kirche verletzt und beeinträchtigt, die, vergegenwärtigt durch
den Priester als Diener des Bußsakraments, die sakramentale Vermittlerin der
Versöhnungsgnade mit Gott ist27.
Auch die Situationen, die
innerhalb einer menschlichen Gemeinschaft durch Verletzung der Gerechtigkeit,
der Freiheit und des Friedens die "soziale Sünde" bedingen,
"sind immer Frucht, Verknotungen und Zusammenballung von persönlichen
Sünden". So sehr sich oft auch die moralische Verantwortung in anonymen Ursachen
fast aufzulösen scheint, so sehr muss man dagegen betonen, dass von sozialer
Sünde nur in einem analogen Sinn die Rede sein kann28.
Daraus ergibt sich die Einsicht,
dass Schuld im eigentlichen Sinne des Wortes den Personen nicht angerechnet werden
kann, die nicht freiwillig in Tat, Unterlassung oder Fahrlässigkeit dem
schuldhaften Tun zugestimmt haben.
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