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Internationale Theologische Kommission
Erinnern und Versohnen

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  • Sechstes Kapitel PASTORALE UND MISSIONARISCHE PERSPEKTIVEN
    • 6.2 Ekklesiale Implikationen
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6.2 Ekklesiale Implikationen 

Welche Folgerungen ergeben sich aus dem Schuldbekenntnis für das Leben der Kirche selbst? 

- Erstens muss sich ein Gespür entwickeln für die unterschiedliche Rezeption der einzelnen offiziellen kirchlichen Akte der Buße. Denn sie weisen eine große Bandbreite auf, unterscheiden sich in den religiösen, kulturellen sowie sozialen Kontexten und betreffen die einzelnen Personen in spezieller Weise. Es ist zu bedenken, dass bestimmte Ereignisse und Aussagen, die einem regionalen Geschichtskontext angehören, nicht einfach auf die universale Kirche bezogen werden dürfen und umgekehrt. In theologischer und pastoraler Hinsicht haben diese Akte erhebliche Konsequenzen für die Verbreitung des Evangeliums. Dabei kann man an die unter sich so verschiedenen Modelle und Konzeptionen einer Theologie der Mission denken. Einkalkulieren muss man auch das Verhältnis von geistlichem Gewinn und dem möglichen Preis, den man dafür zu zahlen hat. Von großer Bedeutung ist auch die Aufnahme und Darstellung dieser offiziellen kirchlichen Erklärungen in den Massenmedien, die oft die Aufmerksamkeit auf Nebensächliches lenken und den Blick auf die zentrale Botschaft des kirchlichen Bekenntnisses zu historischer Schuld verstellen. Nicht zu vergessen ist die Mahnung des Apostels, mit Klugheit und Liebe Rücksicht zu nehmen auf  "die Schwachen im Glauben" (Röm 14,1).

Große Bedeutung hat in der enger zusammenrückenden Welt eine stärkere Berücksichtigung der Kirchengeschichte aus der Perspektive der orientalischen Kirchen und der jungen Kirchen in den Ländern, in denen Christen nur eine Minderheit sind. 

- Zweitens muss das adäquate Subjekt genannt werden, das zu diesem Akt der öffentlichen Vergebungsbitte für die Fehler aus der Vergangenheit autorisiert ist. Es sind sowohl die Hirten der Ortskirchen, die als einzelne oder in einem kollegialen bischöflichen Akt diese Bitte aussprechen können. Es ist insbesondere der universale Hirte der Kirche, der Bischof von Rom, der für die Kirche als ganze sprechen kann. Bei dieser Vergebungsbitte und der Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung für die Verfehlungen der Vergangenheit muss man unterscheiden zwischen dem Lehramt der Kirche und der Autorität der Kirche. Nicht jeder Akt kirchlicher Autoritäten hat im eigentlichen Sinn lehramtliche Qualität. Wenn einer oder mehrere Träger der kirchlichen Autorität sich eines Verhaltens schuldig gemacht haben, das dem Evangelium widerspricht, bedeutet das nicht per se, dass darin das Charisma der bischöflichen Lehrvollmacht verwickelt ist, mit dem der Herr die Hirten der Kirche ausgestattet hat. Deshalb kann als Konsequenz der Vergebungsbitte des Papstes und vieler Bischöfe keineswegs die Rücknahme oder Relativierung früherer lehramtlicher Aussagen verlangt werden. 

- Drittens ist festzustellen, dass zuerst Gott der Adressat möglicher Vergebungsbitten ist. Die in Frage kommenden menschlichen Adressaten, vor allem wenn es sich um Gemeinschaften innerhalb oder außerhalb der Kirche handelt, können nur ganz spezifisch angesprochen werden unter Beachtung einer historischen und theologischen Kenntnis der Zusammenhänge. Dies betrifft sowohl geeignete Akte der Wiedergutmachung wie auch die Möglichkeit, ihnen von seiten der Glieder der Kirche den guten Willen und die Liebe zur Wahrheit zu bezeugen. Den Weg der Versöhnung kann man am besten beschreiten im Dialog und in wechselseitiger Bereitschaft, die Sünden der Vergangenheit zu bereuen. Dies hängt im einzelnen aber von dem religiösen Selbstverständnis des Dialogpartners ab. Die Wechselseitigkeit (Reziprozität) soll daher kirchlicherseits nicht zur absoluten Bedingung gemacht werden. Die Kirche sollte die Haltung zuvorkommender Liebe einnehmen, indem sie die Initiative ergreift und sich dabei nicht von der erhofften Reaktion der anderen Seite abhängig macht. 

- Viertens sind die möglichen Gesten einer Wiedergutmachung ins Auge zu fassen. Sie hängen ab vom Bewusstsein einer die Zeit überdauernden Verantwortung. Sie sind von symbolischem Charakter, können aber auch die Bedeutung einer wirksamen Wiederversöhnung bekommen, wenn man zum Beispiel an die Spaltung der Christenheit denkt. Für die nähere Ausgestaltung dieser symbolischen Gesten ist eine gemeinsame Vorbereitung mit den möglichen Adressaten und die Erwägung ihrer legitimen Wünsche und Vorstellungen in Aussicht zu nehmen.

- Fünftens ist der pädagogische Aspekt anzuführen. Ein endloses Weiterschleppen negativer Vorstellungen vom anderen darf keine Zukunft haben. Unerträglich wäre auch die Attitüde einer ständigen Selbstanklage, die das eigene Existenzrecht bezweifelt. Es muss klar werden, dass die Übernahme einer Verantwortung für die Sünden aus der Vergangenheit eine Art von Teilnahme am Mysterium des gekreuzigten und auferstandenen Christus ist, der sich die Schuld aller auf seine Schultern hat legen lassen. In dieser Perspektive, die aus dem Osterereignis hervorgeht, zeigen sich die Früchte sowohl für das Subjekt wie auch für den Adressaten der Bitte um Vergebung. Es sind Befreiung, Versöhnung und Freude, die denen zuteil werden, die diesen Weg aus dem Glauben heraus wagen. 




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