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Internationale Theologische Kommission Erinnern und Versohnen IntraText CT - Text |
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6.3 Konsequenzen für den Dialog und für die Mission Mehrere Auswirkungen auf den Dialog zwischen der Kirche und religiösen und gesellschaftlichen Gruppen wie auch für die Verwirklichung ihrer Mission sind von diesem kirchlichen Schuldbekenntnis zu erwarten. - Auf der Ebene der Mission muss man zunächst beachten, dass diese Akte der Vergebungsbitte nicht den Schwung der Evangeliumsverkündigung hindern, indem man die negativen Aspekte verschärft. Auf der anderen Seite ist aber nicht zu übersehen, dass dadurch auch die Glaubwürdigkeit der Botschaft wachsen kann, wenn nur deutlich wird, dass sie dem Gehorsam gegenüber der Wahrheit entspringen und Früchte der Versöhnung hervorbringen. Die Missionare "ad gentes" wissen sicher, in welchem Kontext sie diese öffentlichen Akte der kirchlichen Autorität ihren Hörern verständlich machen können. Zu beachten ist zum Beispiel, dass viele Christen nichteuropäischer Länder mit bestimmten Aspekten der europäischen Kirchengeschichte möglicherweise nicht viel anzufangen wissen. - In ökumenischer Hinsicht kann das Ziel kirchlicher Vergebungsbitten gar kein anderes als die vom Herrn gewollte Einheit sein. Von einem wechselseitigen Austausch der Vergebungsbitte darf man sich viel erhoffen, wenn es auch manchmal prophetische Gesten geben kann, die eine einseitige und uneingeschränkt großzügige Initiative fordern. - In der interreligiösen Begegnung ist es angezeigt, deutlich herauszustellen, wie das Schuldbekenntnis der Kirche der Fehler der Vergangenheit für die Christgläubigen mit der Forderung der Treue zum Evangelium übereinstimmt und wie sie so ein glänzendes Zeugnis ihres Glaubens an die Wahrheit und Barmherzigkeit Gottes, der sich in Christus geoffenbart hat, ablegen können. Zu vermeiden ist das mögliche Missverständnis dieser Akte der Vergebungs- und Versöhnungsbitten, als übernähme die Kirche selbst damit Vorurteile, die gegen das Christentum gehegt werden. Vielleicht sehen sich die Anhänger anderer Religionen angeregt und motiviert, die Fehler aus ihrer eigenen Vergangenheit einzusehen und anzuerkennen. Die Menschheitsgeschichte ist übervoll von Gewalt, Völkermorden, Menschenrechtsverletzung und Versündigung gegen das Völkerrecht, Ausbeutung der Schwachen und einer Vergötzung der Machthaber. Leider sind nicht wenige Religionen in ihrer Geschichte übersät von Intoleranz, Aberglauben, einem Sicheinlassen mit ungerechten Mächten und mit einer Negation der Würde und Freiheit des Gewissens. Die Christen sehen sich nicht als Ausnahme. Sie sind sich bewusst, wie sehr sie sich alle vor Gott als Sünder zu bekennen haben. - Im Dialog mit den Kulturen ist die Komplexität und Pluralität der verschiedenen Mentalitäten im Auge zu behalten, mit denen ein Dialog über die Idee der Vergebungsbitte begonnen werden soll. Hier ist es dringlicher als sonstwo, diese Vergebungsbitte im Licht des Evangeliums und besonders im Hinblick auf das Geheimnis des gekreuzigten Herrn zu verdeutlichen. Es ist zu sagen, dass die Offenbarung der Barmherzigkeit Gottes die Quelle der Vergebung ist und weiter reicht als die Kirche in ihren sichtbaren Grenzen, als die in Raum und Zeit eine und dieselbe Gemeinschaft. Wenn es sicher auch sehr schwierig sein dürfte, die Vergebungsbitte in einer Kultur verständlich zu machen, der diese Idee völlig fremd ist, muss man dennoch eine günstige Gelegenheit wahrnehmen, um die theologischen und spirituellen Gründe im Licht der biblischen Botschaft zu vermitteln und auf ihren kritischen und prophetischen Charakter aufmerksam zu machen. Wo man mit einer von Vorurteilen bestimmten Gleichgültigkeit gegenüber dem Wort des Glaubens zu rechnen hat, muss man sich immer den doppelt möglichen Effekt kirchlicher Vergebungsbitten klarmachen. Die einen fühlen sich bestätigt in ihren negativen Vorurteilen und einer feindseligen Haltung voller Verachtung, während sich die anderen vom Wunder des "gekreuzigten Gottes"97 angezogen sehen. Im heutigen kulturellen Kontext und besonders in der abendländisch-westlichen Welt bedeutet die "Reinigung der historischen Erinnerung" eine Verpflichtung, die Glaubende und Nicht-Glaubende miteinander verbindet. Eine solche gemeinsame Arbeit ist ein positives Zeugnis für die Lehre, die uns die Wahrheit erteilt. - Im Verhältnis zur weltlichen Gesellschaft ist Wert zu legen auf die Differenz zwischen der Kirche als einem Geheimnis der Gnade und irgendeiner weltlichen Gesellschaftsbildung. Dennoch kann man den exemplarischen Charakter der kirchlichen Vergebungsbitte nicht genug herausstellen. - Es ist zu hoffen, dass sie zu vergleichbaren Schritten ermutigt, eine "Reinigung des Gedächtnisses" und eine Versöhnung zu suchen gerade dort, wo sie sich in ganz bestimmten Zusammenhängen als vordringlich erweist. - Diese Sicht findet ihre Bestätigung in den Worten Johannes Pauls II. in einer Ansprache an die Teilnehmer eines Internationalen Symposiums: "Die Bitte um Vergebung ... betrifft an erster Stelle das Leben der Kirche, ihren Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums von der Erlösung, ihr Zeugnis für Christus, ihr Engagement für die Einheit, in einem Wort die Folgerichtigkeit, die das christliche Dasein prägen muss. Doch Licht und Kraft des Evangeliums, aus dem die Kirche ihre Lebenskraft gewinnt, bieten auch reiche Möglichkeiten, die Grundmuster und Aktionen der weltlichen Gesellschaft - unter voller Achtung ihrer Unabhängigkeit - zu erleuchten und zu unterstützen. ... An der Schwelle zum dritten Jahrtausend darf man hoffen, dass die Verantwortlichen in der Politik und die Völker - vor allem jene, die in dramatische, vom Hass und von der Erinnerung an alte Wunden genährte Konflikte verwickelt sind - sich vom Geist des Verzeihens und der Versöhnung leiten lassen, den die Kirche bezeugt, und sich um eine Beilegung der Streitigkeiten durch einen aufrichtigen und offenen Dialog bemühen."98
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97 Diese starke Formulierung geht zurück auf den hl. Augustinns, De Trinitate I,13, 28 (CCL 50, 69,13); Ep.169,2 (CSEL 44,617); Sermo 342 A,1 (Misc. Agost. 314,22) 98 Johannes Paul IL, Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Symposiums zum Studium der Inquisition (31. Oktober 1998) 5. |
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