7. Kapitel: Die sakrale Kunst, liturgisches Gerät und
Gewand
122.
Zu den vornehmsten Betätigungen der schöpferischen Veranlagung des Menschen
zählen mit gutem Recht die schönen Künste, insbesondere die religiöse Kunst und
ihre höchste Form, die sakrale Kunst. Vom Wesen her sind sie ausgerichtet auf
die unendliche Schönheit Gottes, die in menschlichen Werken irgendwie zum
Ausdruck kommen soll, und sie sind um so mehr Gott, seinem Lob und seiner
Herrlichkeit geweiht, als ihnen kein anderes Ziel gesetzt ist, als durch ihre
Werke den Sinn der Menschen in heiliger Verehrung auf Gott zu wenden. Darum war
die lebenspendende Mutter Kirche immer eine Freundin der schönen Künste.
Unablässig hat sie deren edlen Dienst gesucht und die Künstler unterwiesen, vor
allem damit die Dinge, die zur heiligen Liturgie gehören, wahrhaft würdig
seien, geziemend und schön: Zeichen und Symbol überirdischer Wirklichkeiten.
Die Kirche hat mit Recht immer auch eine Art Schiedsrichteramt ausgeübt; sie
hat über die Werke der Künstler geurteilt und entschieden, welche dem Glauben,
der Frömmigkeit und den ehrfurchtsvoll überlieferten Gesetzen entsprächen und
als geeignet für den Dienst im Heiligtum anzusehen seien. Mit besonderem Eifer
war die Kirche daraufbedacht, daß das heilige Gerät würdig und schön zur Zierde
der Liturgie diente; sie hat dabei die Wandlungen in Material, Form und Schmuck
zugelassen, die der Fortschritt der Technik im Laufe der Zeit mit sich gebracht
hat.
So hat es denn
den Vätern gefallen, in dieser Sache das Folgende zu verfügen.
123.
Die Kirche hat niemals einen Stil als ihren eigenen betrachtet, sondern hat je
nach Eigenart und Lebensbedingungen der Völker und nach den Erfordernissen der
verschiedenen Riten die Sonderart eines jeden Zeitalters zugelassen und so im
Laufe der Jahrhunderte einen Schatz zusammengetragen, der mit aller Sorge zu
hüten ist. Auch die Kunst unserer Zeit und aller Völker und Länder soll in der
Kirche Freiheit der Ausübung haben, sofern sie nur den Gotteshäusern und den
heiligen Riten mit der gebührenden Ehrfurcht und Ehrerbietung dient, so daß sie
einstimmen kann in den wunderbaren Chor, den die größten Männer in den
vergangenen Jahrhunderten zur Verherrlichung des christlichen Glaubens
angestimmt haben.
124.
Bei der Förderung und Pflege wahrhaft sakraler Kunst mögen die Ordinarien mehr
auf edle Schönheit bedacht sein als auf bloßen Aufwand. Das gilt auch für die
heiligen Gewänder und die Ausstattung der heiligen Orte. Die Bischöfe mögen
darauf hinwirken, daß von den Gotteshäusern und anderen heiligen Orten streng
solche Werke von Künstlern ferngehalten werden, die dem Glauben, den Sitten und
der christlichen Frömmigkeit widersprechen und die das echt religiöse Empfinden
verletzen, sei es, weil die Formen verunstaltet sind oder weil die Werke
künstlerisch ungenügend, allzu mittelmäßig oder kitschig sind. Beim Bau von Kirchen
ist sorgfältig darauf zu achten, daß sie für die liturgischen Feiern und für
die tätige Teilnahme der Gläubigen geeignet sind.
125.
Der Brauch, in den Kirchen den Gläubigen heilige Bilder zur Verehrung
darzubieten, werde nicht angetastet. Doch sollen sie in mäßiger Zahl und
rechter Ordnung aufgestellt werden, damit sie nicht die Verwunderung der
Gläubigen erregen oder einer weniger gesunden Frömmigkeit Vorschub leisten.
126.
Bei der Beurteilung von Kunstwerken sollen die Ortsordinarien die
Diözesankommission für sakrale Kunst hören und gegebenenfalls auch andere
besonders sachverständige Persönlichkeiten sowie die Kommissionen, von denen in
den Artikeln 44, 45, 46 die Rede ist. Sorgfältig sollen die Ordinarien darüber
wachen, daß nicht etwa heiliges Gerät und Paramente oder kostbare Kunstwerke
veräußert werden oder verkommen, sind sie doch Zierde des Hauses Gottes.
127.
Die Bischöfe sollen sich entweder persönlich oder durch geeignete Priester, die
Sachverständnis und Liebe zur Kunst besitzen, um die Künstler kümmern, um sie
mit dem Geist der sakralen Kunst und der Liturgie zu erfüllen. Überdies wird
empfohlen, in Gegenden, wo es angezeigt erscheint, Schulen oder Akademien für
sakrale Kunst zur Heranbildung von Künstlern zu gründen. Die Künstler aber,
die, angetrieben von ihrer schöpferischen Begabung, danach streben, der
Herrlichkeit Gottes in der heiligen Kirche zu dienen, mögen sich alle immerdar
wohl bewußt sein, daß es dabei um ein Stück heiliger Nachahmung des
Schöpfergottes geht und um Werke, die für den katholischen Gottesdienst, für
die Auferbauung der Gläubigen wie auch zu deren Frömmigkeit und religiösen
Unterweisung bestimmt sind.
128
Die Canones und kirchlichen Statuten, die sich auf die Gestaltung der äußeren
zur Liturgie gehörigen Dinge beziehen, sind zugleich mit den liturgischen
Büchern im Sinne von Art. 25 unverzüglich zu revidieren. Das gilt besonders von
den Bestimmungen über würdigen und zweckentsprechenden Bau der Gotteshäuser,
Gestalt und Errichtung der Altäre, edle Form des eucharistischen Tabernakels,
seinen Ort und seine Sicherheit, richtige und würdige Anlage des Baptisteriums,
schließlich von den Bestimmungen über die rechte Art der heiligen Bilder, des Schmuckes
und der Ausstattung der Kultgebäude. Bestimmungen, die der erneuerten Liturgie
weniger zu entsprechen scheinen, mögen abgeändert oder abgeschafft werden;
solche aber, die sie fördern, sollen beibehalten oder neueingeführt werden. In
diesem Zusammenhang wird den Bischofsversammlungen der einzelnen Gebiete,
besonders hinsichtlich von Material und Form der heiligen Geräte und Gewänder,
die Vollmacht erteilt, Anpassungen an die örtlichen Erfordernisse und Sitten
vorzunehmen, nach Maßgabe von Art. 22 dieser Konstitution.
129.
Die Kleriker sollen während ihrer philosophischen und theologischen Studienzeit
auch über Geschichte und Entwicklung der sakralen Kunst unterrichtet werden,
wie auch über die gesunden Grundsätze, auf die sich die Werke der sakralen
Kunst stützen müssen. So sollen sie die ehrwürdigen Denkmäler der Kirche
schätzen und bewahren lernen und den Künstlern bei der Schaffung ihrer Werke
passende Ratschläge erteilen können.
130.
Es ist angemessen, den Gebrauch der Pontifikalien jenen kirchlichen Personen
vorzubehalten, die Bischöfe sind oder irgendeine besondere Jurisdiktion
besitzen.
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