Die Störungen des Gleichgewichts in der heutigen Welt
8. Ein so rascher Wandel
der Zustände, der oft ordnungslos vor sich geht, und dazu ein schärferes
Bewußtsein für die Spannungen in der Welt erzeugen oder vermehren Widersprüche
und Störungen des Gleichgewichts. Schon in der Einzelperson entsteht öfters
eine Störung des Gleichgewichts zwischen dem auf das Praktische gerichteten Bewußtsein
von heute und einem theoretischen Denken, dem es nicht gelingt, die Menge der
ihm angebotenen Erkenntnisse selber zu bewältigen und sie hinlänglich in
Synthesen zu ordnen. Eine ähnliche Störung des Gleichgewichts entsteht ferner
zwischen dem entschlossenen Willen zu wirkmächtigem Handeln und den Forderungen
des sittlichen Gewissens, aber oft auch zwischen den kollektiven
Lebensbedingungen und den Voraussetzungen für ein persönliches Denken oder
sogar eines besinnlichen Lebens. Endlich entsteht eine Störung des
Gleichgewichts zwischen der Spezialisierung des menschlichen Tuns und einer
umfassenden Weltanschauung. In der Familie entstehen Spannungen unter dem Druck
der demographischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation, aus den
Konflikten zwischen den aufeinanderfolgenden Generationen, aus den neuen
gesellschaftlichen Beziehungen zwischen Mann und Frau. Große Spannungen
entstehen auch zwischen den Rassen, sogar zwischen den verschiedenartigen
Gruppen einer Gesellschaft, zwischen reicheren und schwächeren oder
notleidenden Völkern, schließlich zwischen den internationalen Institutionen,
die aus der Friedenssehnsucht der Völker entstanden sind, und der
rücksichtslosen Propaganda der eigenen Ideologie samt dem Kollektivegoismus in
den Nationen und anderen Gruppen. Die Folge davon sind gegenseitiges Mißtrauen
und Feindschaft, Konflikte und Notlagen. Ihre Ursache und ihr Opfer zugleich
ist der Mensch.
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