Das umfassendere Verlangen der Menschheit
9. Gleichzeitig wächst die
Überzeugung, daß die Menschheit nicht nur ihre Herrschaft über die Schöpfung
immer weiter verstärken kann und muß, sondern daß es auch ihre Aufgabe ist,
eine politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung zu schaffen, die immer
besser im Dienst des Menschen steht und die dem Einzelnen wie den Gruppen dazu
hilft, die ihnen eigene Würde zu behaupten und zu entfalten. Daher erheben sehr
viele heftig Anspruch auf jene Güter, die ihnen nach ihrer tief empfundenen
Überzeugung durch Ungerechtigkeit oder falsche Verteilung vorenthalten werden.
Die aufsteigenden Völker, wie jene, die erst jüngst unabhängig geworden sind,
verlangen ihren Anteil an den heutigen Kulturgütern nicht nur auf politischem,
sondern auch auf wirtschaftlichem Gebiet und wollen frei ihre Rolle in der Welt
spielen, während andererseits zugleich ihr Abstand und häufig auch ihre
wirtschaftliche Abhängigkeit von den reicheren Völkern wächst, die sich
schneller weiterentwickeln. Die vom Hunger heimgesuchten Völker fordern
Rechenschaft von den reicheren Völkern. Die Frauen verlangen für sich die
rechtliche und faktische Gleichstellung mit den Männern, wo sie diese noch
nicht erlangt haben. Die Arbeiter und Bauern wollen nicht bloß das zum
Lebensunterhalt Notwendige erwerben können, sondern durch ihre Arbeit auch ihre
Persönlichkeitswerte entfalten und überdies an der Gestaltung des
wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens ihren
Anteil haben. Zum erstenmal in der Geschichte der Menschheit haben alle Völker
die Überzeugung, daß die Vorteile der Zivilisation auch wirklich allen zugute
kommen können und müssen. Hinter allen diesen Ansprüchen steht ein tieferes und
umfassenderes Verlangen: die Einzelpersonen und die Gruppen begehren ein
erfülltes und freies Leben, das des Menschen würdig ist, indem sie sich selber
alles, was die heutige Welt ihnen so reich darzubieten vermag, dienstbar
machen. Die Völker streben darüber hinaus immer stärker nach einer gewissen
alle umfassenden Gemeinschaft. Unter diesen Umständen zeigt sich die moderne
Welt zugleich stark und schwach, in der Lage, das Beste oder das Schlimmste zu
tun; für sie ist der Weg offen zu Freiheit oder Knechtschaft, Fortschritt oder
Rückschritt, Brüderlichkeit oder Haß. Zudem wird nun der Mensch sich dessen bewußt,
daß es seine eigene Aufgabe ist, jene Kräfte, die er selbst geweckt hat und die
ihn zermalmen oder ihm dienen können, richtig zu lenken. Wonach er fragt, ist
darum er selber.
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