Die Verantwortung und die Beteiligung
31. Damit die einzelnen
Menschen ihre Gewissenspflicht sowohl gegenüber sich selbst als auch gegenüber
den verschiedenen Gruppen, deren Glieder sie sind, genauer erfüllen, muß man
darauf bedacht sein, sie mit den heute der Menschheit zur Verfügung stehenden
reichen Hilfen zu einer umfassenderen Kultur des inneren Menschen zu erziehen.
Vor allem ist die Erziehung der Jugendlichen jedweder gesellschaftlichen
Herkunft so zu gestalten, daß Männer und Frauen werden, die nicht bloß
intellektuell ausgezeichnet gebildet sind, sondern auch jenen hochherzigen
Charakter besitzen, Menschen, wie sie unsere Zeit dringend fordert. Doch zu
diesem Verantwortungsbewußtsein kommt der Mensch kaum, wenn die
Lebensbedingungen ihn nicht zu einer Erfahrung seiner Würde und zur Erfüllung
seiner Berufung durch die Hingabe seiner selbst für Gott und den Nächsten
kommen lassen. Die menschliche Freiheit ist oft eingeschränkt, wenn der Mensch
in äußerster Armut lebt, wie sie umgekehrt verkommt, wenn der Mensch es sich im
Leben zu bequem macht und sich in einer "einsamen Selbstherrlichkeit"
verschanzt. Umgekehrt gewinnt sie an Kraft, wenn der Mensch die unvermeidlichen
Notwendigkeiten des gesellschaftlichen Lebens auf sich nimmt, die vielfachen
Forderungen des menschlichen Zusammenlebens bejaht und sich dem Dienst an der
menschlichen Gemeinschaft verpflichtet weiß. Bei allen muß daher der Wille zur
Mitwirkung an gemeinsamen Werken geweckt werden. Anerkennung verdient das
Vorgehen jener Nationen, in denen ein möglichst großer Teil der Bürger in
echter Freiheit am Gemeinwesen beteiligt ist. Zu berücksichtigen sind jedoch
die konkrete Lage jedes einzelnen Volkes und die notwendige Stärke der
öffentlichen Gewalt. Damit aber alle Bürger zur Beteiligung am Leben der
verschiedenen Gruppen des Gesellschaftskörpers bereit seien, müssen sie auch in
diesen Gruppen Werte finden, die sie anziehen und zum Dienst für andere willig
machen. Mit Recht dürfen wir annehmen, daß das künftige Schicksal der
Menschheit in den Händen jener ruht, die den kommenden Geschlechtern
Triebkräfte des Lebens und der Hoffnung vermitteln können.
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