Das menschgewordene Wort und die menschliche Solidarität
32. So wie Gott die
Menschen nicht zu einem Leben in Vereinzelung, sondern zum Zusammenschluß in
gesellschaftlicher Einheit erschuf, hat es ihm ebenso "gefallen, die
Menschen nicht einzeln, unabhängig von aller wechselseitigen Verbindung, zu
heiligen und zu retten, sondern sie zu einem Volke zu machen, das ihn in
Wahrheit anerkennen und ihm in Heiligkeit dienen soll"13. Seit Beginn der Heilsgeschichte erwählte er Menschen
nicht nur als Einzelwesen, sondern als Glieder einer bestimmten Gemeinschaft.
Denn jene Erwählten, denen Gott seinen Heilsratschluß offenbarte, nannte er
"sein Volk" (Ex 3,7-12); mit ihm schloß er dann den Sinaibund14. Dieser Gemeinschaftscharakter wird im Werk Jesu Christi
vollendet und erfüllt. Als fleischgewordenes Wort wollte er selbst in die menschliche
Lebensgemeinschaft eingehen. Er hat an einer Hochzeit in Kana teilgenommen, er
ist in das Haus des Zachäus eingekehrt und hat mit Zöllnern und Sündern
gegessen. Mit Hinweisen auf die allergewöhnlichsten gesellschaftlichen
Verhältnisse und mit Redewendungen und Bildern aus dem Alltagsleben offenbarte
er die Liebe des Vaters und die hohe Berufung der Menschen. Die menschlichen,
besonders die familiären Verflechtungen, den Anfang der Gesellschaftlichkeit
überhaupt, hat er geheiligt; freiwillig war er den Gesetzen seines Heimatlandes
untertan; er hat das Leben eines Arbeiters, wie es Zeit und Land eigen war,
leben wollen. In seiner Verkündigung gab er den Kindern Gottes das klare Gebot,
einander wie Brüder zu begegnen, und in seinem Gebet bat er darum, daß alle
seine Jünger eins seien. Er selbst hat sich als der Erlöser aller bis in den
Tod hinein für alle dahingegeben. "Eine größere Liebe hat niemand als der,
der für seine Freunde sein Leben hergibt" (Joh 15,13). Den Aposteln befahl
er, allen Völkern die Frohbotschaft zu verkünden, damit die Menschheit zur
Familie Gottes werde, in der die Liebe die Fülle des Gesetzes sein soll.
Erstgeborener unter vielen Brüdern, stiftete er nach seinem Tode und seiner
Auferstehung unter allen, die ihn im Glauben und in der Liebe annehmen, durch
das Geschenk seines Geistes eine neue brüderliche Gemeinschaft in seinem Leib,
der Kirche, in dem alle einander Glieder sind und sich entsprechend der
Verschiedenheit der empfangenen Gaben gegenseitig dienen sollen. Diese Solidarität
muß stetig wachsen bis zu jenem Tag, an dem sie vollendet sein wird und die aus
Gnade geretteten Menschen als eine von Gott und Christus, ihrem Bruder,
geliebte Familie Gott vollkommen verherrlichen werden.
|