Schwierigkeiten und Aufgaben
56. In dieser Situation ist
es nicht verwunderlich, daß der Mensch, der seine Verantwortung für den
Fortschritt der Kultur erkennt, einerseits Größeres als je hofft, andererseits
aber auch mit Angst auf die vielfältigen Antinomien blickt, die er selbst
auflösen muß: Was ist zu tun, damit der zunehmende Austausch der Kulturen, der
zu einem wahren und fruchtbaren Dialog unter den verschiedenen Gruppen und
Nationen führen müßte, das Leben der Gemeinschaften nicht in Verwirrung bringt,
die Weisheit der Vorfahren nicht verwirft, noch den je eigenen Volkscharakter
gefährdet? Wie kann man für die Dynamik und Expansion der neuen Kultur
eintreten, ohne daß die lebendige Treue zum überlieferten Erbe verlorengeht?
Dies ist schon deshalb ein besonders drängendes Problem, weil die Kultur, die
aus dem ungeheuren Fortschritt der Naturwissenschaft und der Technik entsteht,
zur Einheit gefügt werden muß mit jener Geisteskultur, die von denjenigen
Studien lebt, die entsprechend den verschiedenen Überlieferungen als klassisch
gelten. Wie kann eine so schnell voranschreitende Zersplitterung der
Einzeldisziplinen mit der Notwendigkeit in Einklang gebracht werden, sie in
eine Synthese zu bringen und dem Menschen die Fähigkeit zu jener Kontemplation
und zu jenem Staunen zu wahren, die zur Weisheit führen? Was ist zu tun, daß
alle Menschen der kulturellen Güter in der Welt teilhaftig werden, wo doch zur
gleichen Zeit die Kultur der Gebildeteren immer sublimer und komplexer wird?
Wie kann man endlich die Autonomie als rechtmäßig anerkennen, die die Kultur
für sich beansprucht, ohne daß man zu einem rein innerweltlichen, ja
religionsfeindlichen Humanismus kommt? Inmitten all dieser Antinomien muß die
menschliche Kultur heute so entwickelt werden, daß sie die volle menschliche
Persönlichkeit harmonisch ausbildet und den Menschen bei den Aufgaben
behilflich ist, zu deren Erfüllung alle, vor allem aber die Christen, in einer
einzigen menschlichen Familie brüderlich vereint, berufen sind.
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