Der Zugang zu Eigentum und privatem Vermögen; landwirtschaftlicher
Großgrundbesitz
71. Eigentum und andere Formen privater Verfügung über äußere Güter tragen bei
zur Selbstdarstellung der Person; überdies geben sie dem Menschen die
Möglichkeit, seine Aufgabe in Gesellschaft und Wirtschaft zu erfüllen; darum
liegt viel daran, den Zugang sowohl der Einzelnen als auch der
Vergemeinschaftungen zu einem gewissen Maß von Verfügungsmacht über äußere
Güter zu begünstigen. Privateigentum oder ein gewisses Maß an Verfügungsmacht
über äußere Güter vermitteln den unbedingt nötigen Raum für eigenverantwortliche
Gestaltung des persönlichen Lebens jedes Einzelnen und seiner Familie; sie
müssen als eine Art Verlängerung der menschlichen Freiheit betrachtet werden;
auch spornen sie an zur Übernahme von Aufgaben und Verantwortung; damit zählen
sie zu den Voraussetzungen staatsbürgerlicher Freiheit13. Diese Verfügungsmacht oder dieses Eigentum gibt es
heute in vielerlei Gestalt; von Tag zu Tag werden sie noch vielgestaltiger.
Alle behalten auch neben den Einrichtungen der sogenannten sozialen Sicherheit,
neben den von der Gesellschaft gewährleisteten Rechtsansprüchen und
Dienstleistungen ihre Bedeutung als nicht geringzuschätzende Daseinssicherung.
Das gilt aber nicht allein vom materiellen, sondern auch vom immateriellen
Eigentum, z. B. von beruflichen Fähigkeiten. Das Recht auf Privateigentum
schließt aber die Rechtmäßigkeit von Gemeineigentum in verschiedenen Formen
nicht aus. Die Überführung von Gütern in Gemeineigentum kann nur von den
zuständigen obrigkeitlichen Stellen entsprechend dem, was das Gemeinwohl
fordert, und in dieser Begrenzung sowie gegen billige Entschädigung erfolgen.
Sache der öffentlichen Gewalt ist es auch, Vorsorge zu treffen gegen einen
Mißbrauch privaten Eigentums im Widerspruch zum Gemeinwohl14. Aber auch das Privateigentum selbst hat eine ihm
wesentliche soziale Seite; sie hat ihre Grundlage in der Widmung der Erdengüter
an alle15. Bei Außerachtlassung
dieser seiner sozialen Seite führt das Eigentum in großem Umfang zu Raffgier
und schweren Verirrungen; das aber liefert seinen Gegnern den Vorwand, das
Eigentumsrecht als solches in Frage zu stellen. In manchen wirtschaftlich
weniger entwickelten Ländern besteht großer, ja riesengroßer Landbesitz, der
nur schwach genutzt oder gar in spekulativer Absicht völlig ungenützt liegen
gelassen wird, während die Mehrheit der Bevölkerung entweder überhaupt keinen
Boden besitzt oder nur äußerst geringe landwirtschaftliche Nutzflächen in
Bestellung hat, während auf der anderen Seite die Steigerung der
landwirtschaftlichen Erträge unverkennbar dringlich ist. Nicht selten beziehen
diejenigen, die von den Eigentümern als Arbeitskräfte gedungen werden oder
Teile von deren Besitz als Pächter bewirtschaften, nur einen menschenunwürdigen
Lohn oder Ertragsanteil, ermangeln angemessener Unterkunft und werden von
Mittelspersonen ausgebeutet. Ohne jede Daseinssicherung leben sie in einer
Dienstbarkeit, die ihnen nahezu jede Möglichkeit raubt, aus eigenem Antrieb und
in eigener Verantwortung etwas zu unternehmen, ihnen jeden kulturellen
Fortschritt und jede Beteiligung am gesellschaftlichen und politischen Leben
versagt. Hier sind Reformen geboten mit dem Ziel, je nach Lage des Falles die
Bezüge zu erhöhen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, das
Beschäftigungsverhältnis zu sichern, Anreiz zu eigener Unternehmungslust zu
bieten, schließlich auch die nicht hinreichend genutzten Besitzungen
aufzuteilen unter diejenigen, die imstande sind, diese Flächen ertragbringend
zu machen. In letzterem Falle müssen die nötigen Sachmittel und
Hilfseinrichtungen beigestellt werden, insbesondere Ausbildungsbeihilfe und
organisatorischer Verbund echt genossenschaftlicher Art. Wo das Gemeinwohl die
Entziehung des Eigentums erfordert, ist die Entschädigung nach Billigkeit zu
bemessen unter Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte.
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