Erster Abschnitt: Von der Vermeidung des Krieges
Der Unmenschlichkeit der Kriege Dämme setzen
79. Obwohl die jüngsten Kriege unserer Welt ungeheuren materiellen und
moralischen Schaden zugefügt haben, setzt der Krieg doch jeden Tag in
irgendeinem Teil der Welt seine Verwüstungen fort. Es droht sogar beim Gebrauch
wissenschaftlicher Waffen, gleich welcher Art, eine Barbarei der Kriegführung,
die die Kämpfenden zu Grausamkeiten verleitet, die die vergangener Zeiten weit
übersteigt. Die Kompliziertheit der heutigen Lage und die Verflochtenheit der
internationalen Beziehungen ermöglichen zudem neue hinterhältige und umstürzlerische
Methoden, Kriege zu tarnen und in die Länge zu ziehen. In vielen Fällen gibt
der Einsatz terroristischer Praktiken der Kriegführung eine neue Gestalt.
Diesen beklagenswerten Zustand der Menschheit vor Augen, möchte das Konzil vor
allem an die bleibende Geltung des natürlichen Völkerrechts und seiner
allgemeinen Prinzipien erinnern. Das Gewissen der gesamten Menschheit bekennt
sich zu diesen Prinzipien mit wachsendem Nachdruck. Handlungen, die in bewußtem
Widerspruch zu ihnen stehen, sind Verbrechen; ebenso Befehle, die solche
Handlungen anordnen; auch die Berufung auf blinden Gehorsam kann den nicht
entschuldigen, der sie ausführt. Zu diesen Handlungen muß man an erster Stelle
rechnen: ein ganzes Volk, eine Nation oder eine völkische Minderheit aus welchem
Grunde und mit welchen Mitteln auch immer auszurotten. Das sind furchtbare
Verbrechen, die aufs schärfste zu verurteilen sind. Höchste Anerkennung
verdient dagegen die Haltung derer, die sich solchen Befehlen furchtlos und
offen widersetzen. Für den Kriegsfall bestehen verschiedene internationale
Konventionen, von einer recht großen Anzahl von Ländern mit dem Ziel
unterzeichnet, die Unmenschlichkeit von Kriegshandlungen und -folgen zu
mindern, etwa die Konventionen zum Schutz der Verwundeten und Kriegsgefangenen
und verschiedene ähnliche Abmachungen. Diese Verträge müssen gehalten werden.
Außerdem müssen alle, insbesondere die Regierungen und die Sachverständigen,
alles tun, um diese Abmachungen nach Möglichkeit zu verbessern und dadurch die
Unmenschlichkeiten des Krieges besser und wirksamer einzudämmen. Ferner scheint
es angebracht, daß Gesetze für die in humaner Weise Vorsorge treffen, die aus
Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern, vorausgesetzt, daß sie zu einer
anderen Form des Dienstes an der menschlichen Gemeinschaft bereit sind.
Allerdings - der Krieg ist nicht aus der Welt geschafft. Solange die Gefahr von
Krieg besteht und solange es noch keine zuständige internationale Autorität
gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle
Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind, einer Regierung das
Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht absprechen. Die Regierenden und
alle, die Verantwortung für den Staat tragen, sind verpflichtet, das Wohl der
ihnen anvertrauten Völker zu schützen, und sie sollen diese ernste Sache ernst
nehmen. Der Einsatz militärischer Mittel, um ein Volk rechtmäßig zu
verteidigen, hat jedoch nichts zu tun mit dem Bestreben, andere Nationen zu
unterjochen. Das Kriegspotential legitimiert auch nicht jeden militärischen
oder politischen Gebrauch. Auch wird nicht deshalb, weil ein Krieg
unglücklicherweise ausgebrochen ist, damit nun jedes Kampfmittel zwischen den
gegnerischen Parteien erlaubt. Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht,
betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker. Indem er
diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei.
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