Artikel
3: Der Aufbau der christlichen Gemeinschaft
15.
Der Heilige Geist ruft alle Menschen durch die Saat des Wortes und die Predigt
des Evangeliums zu Christus; wenn er die an Christus Glaubenden im Schoß des
Taufbrunnens zu neuem Leben gebiert, dann sammelt er sie zu dem einen
Gottesvolk, das "ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche
Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk von ihm zu eigen genommen
ist" (1 Petr 2,9)24. Als Mitarbeiter Gottes25 sollen die Missionare solche Gemeinden von Gläubigen
erwecken, die würdig der Berufung, die sie empfangen haben26, die Ämter, die Gott ihnen anvertraut hat, ausüben: das
priesterliche, das prophetische und das königliche Amt. Auf diese Weise wird
die christliche Gemeinschaft zum Zeichen der Gegenwart Gottes in der Welt. Sie
ist ja selbst ständig im eucharistischen Opfer mit Christus auf dem Weg hinüber
zum Vater27; unablässig aus dem
Wort Gottes genährt28, gibt sie Zeugnis für
Christus29; sie wandelt in der
Liebe und glüht von apostolischem Eifer30. Von Anfang an soll die
christliche Gemeinschaft so aufgebaut werden, daß sie, soweit möglich, für ihre
eigenen Bedürfnisse aufkommen kann. Diese Gemeinschaft der Gläubigen soll durch
ihre Ausstattung mit den kulturellen Reichtümern der eigenen Heimat tief im
Volk verwurzelt sein: Die Familien sollen blühen im Geist des Evangeliums31, geeignete Schulen sollen ihnen helfen. Durch die
Errichtung von Vereinigungen und Gruppen soll das Apostolat der Laien die ganze
Gesellschaft mit evangelischem Geist durchdringen; die Liebe zwischen
Katholiken verschiedener Riten soll hell leuchten32. Unter den Neuchristen soll der ökumenische Geist
gepflegt werden. Sie sollen alle, die an Christus glauben, auch wirklich als
Christi Jünger anerkennen, die in der Taufe wiedergeboren sind und an sehr
vielen Gütern des Gottesvolkes teilhaben. Den religiösen Verhältnissen
entsprechend soll man die ökumenische Bewegung so fördern, daß die Katholiken
mit den von ihnen getrennten Brüdern, gemäß den Richtlinien des Dekretes über
die Ökumenismus, brüderlich zusammenarbeiten im gemeinsamen Bekenntnis des
Glaubens an Gott und an Jesus Christus vor den Heiden, soweit dieses vorhanden
ist, ebenso im Zusammenwirken in sozialen und technischen sowie kulturellen und
religiösen Dingen, wobei man jeden Anschein von Indifferentismus und
Verwischung sowie ungesunder Rivalität vermeiden muß. Der Grund für diese
Zusammenarbeit sei vor allem Christus, ihr gemeinsamer Herr. Sein Name möge sie
zueinanderbringen! Diese Zusammenarbeit soll nicht nur zwischen Privatpersonen
stattfinden, sondern nach dem Urteil des Ortsordinarius auch zwischen den
Kirchen oder Kirchengemeinschaften und ihren Unternehmungen. Die aus allen
Völkern in der Kirche versammelten Christgläubigen unterscheiden sich nicht von
den übrigen Menschen durch Staatsform, Sprache oder Gesellschaftsordnung33. Darum sollen sie in den ehrbaren Lebensgewohnheiten
ihres Volkes für Gott und Christus leben. Als gute Bürger sollen sie die
Vaterlandsliebe wahrhaft und tatkräftig üben. Mißachtung fremder Rassen und
übersteigerten Nationalismus aber sollen sie gänzlich meiden und die alle
Menschen umfassende Liebe pflegen. Um all das zu verwirklichen, sind die Laien,
also die Christgläubigen, die Christus durch die Taufe eingegliedert sind und
in der Welt leben, von größter Bedeutung und verdienen besondere Sorge. Denn es
ist ihre eigentliche Aufgabe, vom Geist Christi erfüllt, gleichsam als
Sauerteig die zeitlichen Dinge so von innen her zu beseelen und zu ordnen, daß
sie immer mehr Christus gemäß werden34. Aber es ist nicht
genug, daß das christliche Volk anwesend ist und in einem Volk Fuß gefaßt hat;
es ist auch nicht genug, daß es das Apostolat des Beispiels ausübt. Dazu ist es
gegründet und dazu ist es da, um den nichtchristlichen Mitbürgern in Wort und
Werk Christus zu verkünden und ihnen zur vollen Annahme Christi zu helfen. Zur
Einpflanzung der Kirche und zum Wachstum der christlichen Gemeinschaft aber
sind verschiedene Dienste notwendig; durch göttliche Berufung werden sie in der
Gemeinde der Gläubigen selbst geweckt, und sie müssen von allen sorgfältig
gefördert und gepflegt werden. Dazu gehören das Amt des Priesters, des Diakons,
des Katechisten und die Katholische Aktion. Ebenso leisten Ordensmänner und
Ordensfrauen zur Verwurzelung und Festigung der Herrschaft Christi in den
Seelen und zu ihrer Ausbreitung durch ihr Gebet und ihr Wirken einen
unentbehrlichen Dienst.
16.
Mit großer Freude dankt die Kirche für das unschätzbare Geschenk des
Priesterberufes, das Gott so vielen jungen Menschen austeilt unter Völkern, die
sich erst zu Christus bekehrt haben; denn die Kirche schlägt in einer
menschlichen Gemeinschaft tiefere Wurzeln, wenn die verschiedenen Gemeinden der
Gläubigen aus ihren Reihen ihre eigenen Diener des Heiles erhalten, die als
Bischöfe, Priester und Diakone ihren Brüdern dienen, so daß die jungen Kirchen
langsam diözesanen Aufbau mit eigenem Klerus erlangen. Was dieses Konzil über
priesterliche Berufung und Ausbildung festgesetzt hat, soll man da, wo die
Kirche erst gepflanzt wird, und in den jungen Kirchen treu wahren. Besonders
soll man beachten, was gesagt ist über die enge Verbindung der spirituellen mit
der wissenschaftlichen und pastoralen Ausbildung, über die Lebensweise nach dem
Evangelium, ohne Rücksicht auf eigenen Nutzen oder Familieninteressen, über die
Pflege eines tiefen Verständnisses für das Geheimnis der Kirche. Daraus wird es
ihnen wunderbar aufgehen, was es heißt, sich selbst ganz dem Dienst des Leibes
Christi in der Arbeit für das Evangelium zu weihen, mit dem Bischof als treue
Mitarbeiter verbunden zu sein und ihre Arbeit in Gemeinschaft mit ihren
Mitbrüdern zu tun35. Um dieses umfassende
Ziel zu erreichen, muß die ganze Ausbildung der Alumnen im Licht des
Heilsgeheimnisses geplant werden, wie es in der Schrift enthalten ist. Sie
müssen lernen, dieses Geheimnis Christi und des menschlichen Heils in der
Liturgie gegenwärtig zu finden und in ihrem Leben zu verwirklichen36. Diese allgemeinen Erfordernisse der priesterlichen
Ausbildung, auch nach der pastoralen und praktischen Seite, müssen nach den
Richtlinien des Konzils37 mit dem Bemühen
verbunden werden, den besonderen Formen des Denkens und Handelns des eigenen
Volkes entgegenzukommen. Der Geist der Alumnen muß also geöffnet und geschärft
werden, damit sie sich ein gutes Wissen und ein rechtes Urteil über die Kultur
des eigenen Volkes erwerben können. In den philosophischen und theologischen
Disziplinen sollen sie die Beziehungen verstehen, die zwischen ihrer
heimatlichen Überlieferung und Religion und der christlichen Religion bestehen38. Ebenso muß die Priesterbildung die pastoralen
Bedürfnisse des Landes berücksichtigen. Die Alumnen sollen Geschichte, Zweck
und Methode der missionarischen Tätigkeit der Kirche kennenlernen, ebenso die
besonderen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse des eigenen
Volkes. Sie sollen im Geist des Ökumenismus erzogen und zum brüderlichen Dialog
mit den Nichtchristen gut vorbereitet werden39. All das verlangt, daß
die Studien bis zum Priestertum soweit wie möglich im Zusammenleben mit dem
eigenen Volk und seinen Lebensgewohnheiten durchgeführt werden40. Endlich soll man auch für die Ausbildung in der
geordneten kirchlichen Verwaltung sorgen, ja sogar auf wirtschaftlichem Gebiet.
Darüber hinaus soll man geeignete Priester auswählen, die sich nach einiger
pastoraler Praxis in höheren Studien an auswärtigen Universitäten, vor allem in
Rom, und an anderen wissenschaftlichen Instituten weiterbilden sollen, so daß
den jungen Kirchen erfahrene Fachleute aus dem eigenen Klerus für die
schwierigeren Aufgaben zur Verfügung stehen. Wo die Bischofskonferenzen es für
gut halten, soll der Diakonat als fester Lebensstand wieder eingeführt werden,
entsprechend den Normen der Konstitution über die Kirche41; denn es ist angebracht, daß Männer, die tatsächlich
einen diakonalen Dienst ausüben, sei es als Katechisten in der Verkündigung des
Gotteswortes, sei es in der Leitung abgelegener christlicher Gemeinden im Namen
des Pfarrers und des Bischofs, sei es in der Ausübung sozialer oder caritativer
Werke, durch die von den Aposteln her überlieferte Handauflegung gestärkt und
dem Altare enger verbunden werden, damit sie ihren Dienst mit Hilfe der
sakramentalen Diakonatsgnade wirksamer erfüllen können.
17.
Ebenso verdient die Schar der Katechisten Anerkennung, Männer wie Frauen, die
so große Verdienste um das Werk der Heidenmission haben. Erfüllt von
apostolischer Gesinnung, leisten sie mit vielen Mühen ihren einzigartigen und
unersetzlichen Beitrag zur Verbreitung des Glaubens und der Kirche. Das Amt der
Katechisten hat in unseren Tagen, da es für die Glaubensunterweisung solcher
Massen und den Seelsorgedienst nur wenige Kleriker gibt, allergrößte Bedeutung.
Deshalb muß ihre Ausbildung so vervollkommnet und dem kulturellen Fortschritt
angepaßt werden, daß sie ihr Amt, das durch neue und ausgedehntere Aufgaben
erschwert wird, als fähige Mitarbeiter der Priester möglichst gut ausüben
können. Man muß deshalb die diözesanen und regionalen Schulen vermehren, in
denen die zukünftigen Katechisten die katholische Lehre, mit besonderer
Betonung von Schrift und Liturgie, sowie die katechetischen Methoden und die
pastorale Praxis erlernen und sich in stetiger Übung von Frömmigkeit und
sittlichem Leben zu einem christlichen Verhalten bilden42. Zusammenkünfte und Kurse soll man ferner veranstalten,
durch die die Katechisten in den Fächern und Fertigkeiten, die zu ihrem Dienst
gehören, zu bestimmten Zeiten Auffrischung erhalten und ihr geistliches Leben
genährt und gestärkt wird. Außerdem muß man denen, die sich hauptamtlich dieser
Arbeit widmen, durch gerechte Vergütung einen gebührenden Lebensstandard und
soziale Sicherheit gewährleisten43. Es besteht der Wunsch
des Konzils, daß durch besondere Mittel der Heiligen Kongregation zur
Verbreitung des Glaubens für Ausbildung und Unterhalt der Katechisten gesorgt
werde. Wenn es für nötig und zweckmäßig gehalten wird, möge ein eigenes Werk
für Katechisten gegründet werden. Die Kirchen werden auch dankbar die
hochherzige Arbeit der Hilfskatechisten anerkennen, deren Mitwirkung sie
brauchen. Sie leiten in ihren Gemeinden die Gebete und geben den Unterricht.
Für ihre wissensmäßige und geistliche Bildung soll ordnungsgemäß gesorgt
werden. Es ist außerdem zu wünschen, daß den entsprechend ausgebildeten
Katechisten, wo es angezeigt erscheint, die kanonische Sendung in einer
öffentlichen liturgischen Feier gegeben werde, damit sie beim Volk in
Glaubensfragen größere Autorität genießen.
18.
Schon von der Pflanzung der Kirche an soll das Ordensleben eifrig gefördert
werden, das nicht nur für die missionarische Tätigkeit wertvolle und unbedingt
notwendige Dienste leistet, sondern auch durch die in der Kirche vollzogene,
innigere Weihe an Gott lichtvoll das innerste Wesen der christlichen Berufung
offenbart und darstellt44. Die religiösen
Genossenschaften, die bei der Pflanzung der Kirche mitarbeiten, sollen von den
geistlichen Reichtümern ganz durchdrungen sein, die die Ordenstradition der
Kirche auszeichnen, und sie dem Geist und der Anlage eines jeden Volkes
entsprechend auszudrücken und weiterzugeben suchen. Sie sollen sorgfältig
überlegen, wie die Tradition des aszetischen und beschaulichen Lebens, deren
Keime manchmal alten Kulturen schon vor der Verkündigung des Evangeliums von
Gott eingesenkt wurden, in ein christliches Ordensleben aufgenommen werden
können. In den jungen Kirchen sollen verschiedene Formen des Ordenslebens
entwickelt werden, um die verschiedenen Aspekte der Sendung Christi und des
Lebens der Kirche auszudrücken; sie sollen sich verschiedenen pastoralen
Arbeiten widmen und ihre Mitglieder für sie ordnungsgemäß vorbereiten. Doch
sollen die Bischöfe in ihrer Konferenz darauf achten, daß nicht Kongregationen
mit dem gleichen apostolischen Zweck vervielfacht werden, zum Schaden des
Ordenslebens und des Apostolates. Besondere Erwähnung verdienen die
verschiedenen Unternehmungen, die das beschauliche Leben verwurzeln sollen; die
einen behalten die wesentlichen Elemente der monastischen Lebensform bei und
versuchen, die reiche Tradition ihres Ordens zu verpflanzen. Andere kehren zu
den einfacheren Formen des altkirchlichen Mönchswesens zurück. Alle aber sollen
sich um eine echte Anpassung an die lokalen Verhältnisse bemühen. Das
beschauliche Leben gehört eben zur vollen Anwesenheit der Kirche und muß
deshalb überall bei den jungen Kirchen Eingang finden.
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