5. Kapitel: Die Ordnung der missionarischen Tätigkeit
28.
Da die Christgläubigen verschiedenartige Gnadengeschenke haben1, soll ein jeder nach Gelegenheit, Fähigkeit, Gnadengabe
und Amt2 am Evangelium mitwirken; alle,
die säen und ernten3, die pflanzen und
begießen, sollen eins sein4, damit sie "auf
dasselbe Ziel hin sich frei und in geordneter Weise zusammentun"5 und eines Sinnes ihre Kräfte einsetzen zur Auferbauung
der Kirche. Aus diesem Grunde ist es notwendig, die Arbeiten der Künder der
Frohbotschaft und die Hilfeleistungen der übrigen Christgläubigen so zu lenken
und zusammenzufassen, daß in sämtlichen Bereichen der Missionsarbeit und der
Missionshilfe "alles in der rechten Ordnung geschehe" (1 Kor 14,40).
29.
Da die Sorge für die weltweite Verkündigung des Evangeliums besonders bei der
Gemeinschaft der Bischöfe liegt6, möge die
Bischofssynode oder "der beständige, für die ganze Kirche zuständige Rat
der Bischöfe"7 unter den
Obliegenheiten von allgemeiner Bedeutung8 der missionarischen
Tätigkeit als der wichtigsten und heiligsten Aufgabe der Kirche9 besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Für alle Missionen
und die gesamte missionarische Tätigkeit soll nur eine einzige Kongregation
zuständig sein, nämlich die "Zur Verbreitung des Glaubens"; ihr steht
es zu, die missionarischen Belange auf der ganzen Welt, die Missionsarbeit und
die Missionshilfe, zu leiten und zu koordinieren, unbeschadet jedoch des
Rechtes der Orientalischen Kirchen10. Wenn der Heilige Geist
auch auf vielfache Weise den Missionsgeist in der Kirche Gottes weckt und nicht
selten der Tätigkeit derer, die das Leben der Kirche zu leiten haben,
vorauseilt, so soll diese Kongregation doch ihrerseits die missionarische
Berufung und Spiritualität, den Eifer und das Gebet für. die Missionen sowie
eine zuverlässige und ausreichende Nachrichtenvermittlung über sie fördern; sie
soll sich um Missionare bemühen und sie entsprechend der Vordringlichkeit der
Bedürfnisse in den einzelnen Gebieten verteilen. Von ihr sollen ein geplantes
Arbeitsprogramm entworfen, angepaßte Direktiven und Prinzipien für die
Evangelisierung erarbeitet, Impulse gegeben werden. Von ihr soll die wirksame
Beschaffung der materiellen Hilfsmittel angeregt und koordiniert werden, die
dann unter Berücksichtigung der Notwendigkeit oder Nützlichkeit, nach der Größe
der kirchlichen Distrikte, nach der Zahl der Gläubigen und Ungläubigen, der
Werke und Institute, der Helfer und Missionare verteilt werden sollen.
Gemeinsam mit dem Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen suche sie
Wege und Mittel, um eine brüderliche Zusammenarbeit mit den
Missionsunternehmungen anderer christlicher Gemeinschaften zu ermöglichen und
zu ordnen, damit man so miteinander leben könne, daß das Ärgernis der Spaltung
soweit wie möglich beseitigt werde. Deshalb ist es nötig, daß diese
Kongregation sowohl ein Instrument der Verwaltung als auch ein Organ
dynamischer Steuerung sei, das sich wissenschaftlicher Methoden und zeitgemäßer
Arbeitsinstrumente bedient und dabei den heutigen theologischen,
methodologischen und missionspastoralen Forschungsergebnissen Rechnung trägt.
An der Leitung dieser Kongregation sollen ausgewählte Vertreter all derer
wirksamen Anteil mit entscheidender Stimme haben, die am Missionswerk
mitarbeiten: Bischöfe aus der ganzen Welt, nach Anhören der
Bischofskonferenzen, wie auch Leiter der Institute und der Päpstlichen
Missionswerke. Verfahrensweise und Verfassung werden vom Papst festgelegt. Sie
alle sind in bestimmten Zeitabständen zusammenzurufen, um unter der Autorität
des Papstes die oberste Leitung des gesamten Missionswerkes auszuüben. Der
Kongregation soll ein ständiger Kreis fachmännischer Berater von bewährter
Kenntnis und Erfahrung zur Verfügung stehen. Ihre Aufgabe wird unter anderem
darin bestehen, über die besonderen Verhältnisse der verschiedenen Gebiete und
die geistige Orientierung der verschiedenen Menschengruppen sowie auch über die
anzuwendenden Evangelisierungsmethoden brauchbare Informationen zu sammeln und
wissenschaftlich begründete Folgerungen für die Missionsarbeit und die
Missionshilfe vorzulegen. Die Schwesterngenossenschaften, die regionalen
Missionswerke wie auch die Laienorganisationen - zumal die internationalen -
seien in einer angemessenen Weise vertreten.
30.
Um das Ziel der Missionsarbeit tatsächlich zu erreichen, sollen alle, die im
Missionsdienst tätig sind, "ein Herz und eine Seele" (Apg 4,32) sein.
Obliegenheit des Bischofs als des Leiters und des einigenden Zentrums im
diözesanen Apostolat ist es, die missionarische Tätigkeit voranzutreiben, zu
lenken und zu koordinieren, so jedoch, daß die spontane Initiative derer, die
am Werk beteiligt sind, erhalten und gefördert werde. Ihm sind alle Missionare,
auch die exemten Religiosen, bei den verschiedenen Arbeiten unterstellt, die
zur Ausübung des Apostolates gehören11. Zur besseren
Koordinierung schaffe der Bischof nach Möglichkeit einen Seelsorgerat, in
welchem die Kleriker, Religiosen und Laien durch ausgewählte Delegierte
vertreten seien. Überdies möge er Sorge tragen, daß die apostolische Tätigkeit
nicht auf die schon Bekehrten beschränkt bleibe, daß vielmehr ein angemessener
Anteil der Mitarbeiter und der Mittel für die Evangelisierung der Nichtchristen
bestimmt werde.
31.
Die Bischofskonferenzen mögen schwerwiegendere Fragen und dringende Probleme in
gemeinsamer Beratung behandeln, ohne jedoch örtlich gegebene Unterschiede
unbeachtet zu lassen12. Damit die
unzureichende Zahl der Kräfte und Mittel nicht zersplittert und die
Unternehmungen nicht unnötigerweise vervielfältigt werden, wird empfohlen,
Werke, die dem Wohl aller dienen, mit vereinten Kräften zu gründen, wie z. B.
Seminarien, höhere und technische Schulen, Zentren für Pastoral, Katechetik,
Liturgik und Publizistik. Wenn zweckmäßig, möge eine derartige Zusammenarbeit
auch zwischen verschiedenen Bischofskonferenzen aufgenommen werden.
32.
Wünschenswert ist ebenfalls eine Koordinierung der von den Instituten und
kirchlichen Vereinigungen ausgeübten apostolischen Tätigkeit. Sie alle, gleich
welcher Art sie sind, sollen sich in allem, was die missionarische Tätigkeit
betrifft, dem Ortsordinarius zur Verfügung halten. Deswegen wird es von großem
Nutzen sein, besondere Übereinkünfte zu treffen, wodurch die Beziehungen
zwischen dem Ortsordinarius und dem Leiter des Instituts geregelt werden. Wenn
einem Institut ein Territorium anvertraut wurde, mögen der kirchliche Obere und
das Institut es sich angelegen sein lassen, alles daraufhin anzulegen, daß die
neue christliche Gemeinschaft zur Ortskirche heranwachse, die zu gegebener Zeit
von einem eigenen Hirten mit seinem eigenen Klerus geleitet werde. Hört die
Überlassung eines Gebietes auf, entsteht eine neue Situation. Die
Bischofskonferenzen und die Institute sollen in gemeinsamen Überlegungen die
Richtlinien festlegen, die die Beziehungen zwischen den Ortsordinarien und den
Instituten regeln13. Sache des Heiligen
Stuhles aber wird es sein, allgemeine Grundsätze zu umreißen, nach denen
regionale oder auch partikulare Übereinkünfte getroffen werden. Obwohl die
Institute bereit sein werden, das begonnene Werk durch Mitwirken in der
ordentlichen Seelsorge fortzusetzen, soll doch bei Zunahme des Ortsklerus
Vorsorge getroffen werden, daß die Institute, sofern dies ihren Zielen
entspricht, der Diözese treu bleiben und großzügig besondere Aufgaben oder
einen bestimmten Gebietsteil in ihr übernehmen.
33.
Institute, die in dem gleichen Territorium missionarisch tätig sind, mögen auf
Wege und Mittel bedacht sein, ihre Arbeiten zu koordinieren. Deshalb sind
Religiosenkonferenzen und Vereinigungen der weiblichen Ordensgemeinschaften, in
denen alle Institute derselben Nation oder Region vertreten sind, von größtem
Nutzen. Diese Konferenzen sollen überlegen, was in gemeinsamem Bemühen
durchgeführt werden kann, und enge Verbindung mit den Bischofskonferenzen
halten. Dies alles wäre in gleicher Weise auch auf die Zusammenarbeit der
Missionsinstitute in der Heimat auszudehnen, so daß die Fragen und Aufgaben,
die allen gemeinsam sind, leichter und mit geringeren Ausgaben gelöst und
durchgeführt werden können, wie zum Beispiel die wissenschaftliche Ausbildung
der zukünftigen Missionare, Kurse für Missionare, Beziehungen zu den
öffentlichen Behörden oder zu den internationalen und übernationalen
Organisationen.
34.
Eine sach- und ordnungsgemäße Ausübung der missionarischen Tätigkeit verlangt
eine wissenschaftliche Vorbereitung der Missionare auf ihre Aufgaben, vor allem
auf den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen und Kulturen. Diese wird
ihnen bei der tatsächlichen Durchführung ihrer Arbeit eine wirksame Hilfe
bedeuten. Darum ist es wünschenswert, daß wissenschaftliche Institute, die
Missiologie und andere den Missionen dienliche Fachgebiete und Wissenschaften,
wie Ethnologie und Sprachkunde, Religionsgeschichte und Religionswissenschaft,
Soziologie, Pastoralwissenschaft und ähnliches, betreiben, zum Wohl der
Missionen untereinander brüderlich und großzügig zusammenarbeiten.
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