2. Kapitel: Der priesterliche Dienst
I.
Die priesterlichen Ämter
4.
Das Volk Gottes wird an erster Stelle geeint durch das Wort des lebendigen
Gottes1, das man mit Recht vom Priester
verlangt2. Da niemand ohne Glaube
gerettet werden kann3, ist die erste Aufgabe
der Priester als Mitarbeiter der Bischöfe allen die frohe Botschaft Gottes zu
verkünden4, um so in der Erfüllung
des Herrenauftrags: "Gehet hin in alle Welt, und verkündet das Evangelium
allen Geschöpfen" (Mk 16,15)5, das Gottesvolk zu
begründen und zu mehren. Durch das Heilswort wird ja der Glaube, durch den sich
die Gemeinde der Gläubigen bildet und heranwächst, im Herzen der Nichtgläubigen
geweckt und im Herzen der Gläubigen genährt, wie der Apostel sagt: "Der
Glaube kommt aus der Predigt, die Predigt aber durch Christi Wort" (Röm
10,17). Die Priester schulden also allen, Anteil zu geben an der Wahrheit des
Evangeliums6, deren sie sich im
Herrn erfreuen. Niemals sollen sie ihre eigenen Gedanken vortragen, sondern
immer Gottes Wort lehren und alle eindringlich zur Umkehr und zur Heiligung
bewegen, ob sie nun durch eine vorbildliche Lebensführung Ungläubige für Gott
gewinnen7 oder in der
ausdrücklichen Verkündigung den Nichtglaubenden das Geheimnis Christi
erschließen; ob sie Christenlehre erteilen, die Lehre der Kirche darlegen oder
aktuelle Fragen im Licht Christi zu beantworten suchen8. Die priesterliche Verkündigung ist aber in den
gegenwärtigen Zeitumständen nicht selten außerordentlich schwer. Um Geist und
Herz der Zuhörer zu erreichen, darf man Gottes Wort nicht nur allgemein und
abstrakt darlegen, sondern muß die ewige Wahrheit des Evangeliums auf die
konkreten Lebensverhältnisse anwenden. Der Dienst am Wort wird demgemäß auf
verschiedene Weise ausgeübt, je nach den Erfordernissen der Zuhörer und den
Gaben der Verkündiger. In nichtchristlichen Ländern und Gemeinschaften werden
die Menschen durch die Botschaft des Evangeliums zunächst einmal zum Glauben
und zu den Sakramenten des Heils geführt9; in der Gemeinschaft
der Christen hingegen fordert die Verwaltung der Sakramente die Verkündigung
des Wortes, vor allem für diejenigen, die offensichtlich nur wenig von dem, was
sie immer wieder tun, verstehen oder glauben; sind doch die Sakramente
Geheimnisse des Glaubens, der aus der Predigt hervorgeht und durch die Predigt
genährt wird10. Das betrifft vor allem
den Wortgottesdienst innerhalb der Meßfeier, in der die Verkündigung des Todes
und der Auferstehung des Herrn, die Antwort des hörenden Volkes und das Opfer
selbst, durch das Christus den Neuen Bund besiegelt hat in seinem Blut und an
dem die Gläubigen mit ihren Bitten und durch den Empfang des Sakramentes
teilnehmen, unzertrennlich verbunden sind11.
5.
Gott, der allein Heilige und Heiligende, wollte sich Menschen gleichsam zu
Gefährten und Helfern erwählen, daß sie dem Heiligungswerk demütig dienten.
Darum werden die Priester von Gott durch den Dienst des Bischofs geweiht, um in
besonderer Teilhabe am Priestertum Christi die heiligen Geheimnisse als Diener
dessen zu feiern, der sein priesterliches Amt durch seinen Geist allezeit für
uns in der Liturgie ausübt12. In der Taufe führen
sie die Menschen dem Volk Gottes zu; im Sakrament der Buße versöhnen sie die
Sünder mit Gott und der Kirche; in der Krankensalbung richten sie die Kranken
auf; vor allem in der Meßfeier bringen sie in sakramentaler Weise das Opfer
Christi dar. In jedem Vollzug der Sakramente - so bezeugt es schon in der
Urkirche der heilige Martyrer Ignatius13 - werden sie auf
verschiedene Weise mit dem Bischof hierarchisch verbunden und machen ihn so in
den einzelnen Gemeinschaften der Gläubigen gewissermaßen gegenwärtig14. Mit der Eucharistie stehen die übrigen Sakramente im
Zusammenhang; auf die Eucharistie sind sie hingeordnet; das gilt auch für die
anderen kirchlichen Dienste und für die Apostolatswerke15. Die Heiligste Eucharistie enthält ja das Heilsgut der
Kirche in seiner ganzen Fülle16, Christus selbst, unser
Osterlamm und das lebendige Brot. Durch sein Fleisch, das durch den Heiligen
Geist lebt und Leben schafft, spendet er den Menschen das Leben; so werden sie
ermuntert und angeleitet, sich selbst, ihre Arbeiten und die ganze Schöpfung
mit ihm darzubringen. Darum zeigt sich die Eucharistie als Quelle und Höhepunkt
aller Evangelisation: die Katechumenen werden allmählich zur Teilnahme an der
Eucharistie vorbereitet, die schon Getauften und Gefirmten durch den Empfang
der Eucharistie ganz dem Leib Christi eingegliedert. Die Zusammenkunft zur
Feier der Eucharistie, der der Priester vorsteht, ist also die Mitte der
Gemeinschaft der Gläubigen. Die Priester leiten darum die Gläubigen an, die
göttliche Opfergabe in der Meßfeier Gott dem Vater darzubringen und mit ihr die
Hingabe ihres eigenen Lebens zu verbinden. Sie unterweisen sie im Geist Christi
des Hirten, ihre Sünden reumütig der Kirche im Sakrament der Buße zu
unterwerfen, so daß sie sich ständig mehr zum Herrn bekehren, eingedenk seines
Wortes: "Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen" (Mt
4,17). Sie lehren sie ebenso, an den Feiern der heiligen Liturgie so
teilzunehmen, daß sie dabei zu einem echten Gebet kommen; sie führen sie zu
immer vollkommenerem Gebetsgeist, der sich entsprechend den Gnaden und
Erfordernissen eines jeden im ganzen Leben auswirken muß; sie halten alle an,
ihre Standespflichten zu erfüllen, und laden die Fortgeschrittenen ein, die
evangelischen Räte in einer Weise, die jedem angemessen ist, zu befolgen. So
lehren sie die Gläubigen, in Lobgesängen und geisterfüllten Liedern dem Herrn
in ihren Herzen zu singen und Gott dem Vater immerdar Dank zu sagen für alles
im Namen unseres Herrn Jesus Christus17. Die Priester selbst
setzen das Lob und die Danksagung der Eucharistie zu den verschiedenen
Tageszeiten fort, wenn sie das Stundengebet verrichten, in dem sie im Namen der
Kirche Gott für das ganze ihnen anvertraute Volk, ja für die ganze Welt bitten.
Das Gotteshaus, in dem die Heiligste Eucharistie gefeiert und aufbewahrt wird,
in dem die Gläubigen sich versammeln und die Gegenwart des auf dem Opferaltar
für uns dargebrachten Erlösers zur Hilfe und zum Trost der Gläubigen verehrt
wird, soll schön sein, geeignet zu Gebet und heiliger Handlung18. Hirten und Gläubige sollen in ihm mit dankbarem Herzen
auf die Gabe dessen antworten, der durch seine Menschheit das göttliche Leben
ständig den Gliedern seines Leibes mitteilt19. Die Priester mögen die
Wissenschaft und die Praxis der Liturgie in rechter Weise pflegen, damit durch
ihren liturgischen Dienst von den ihnen anvertrauten Gemeinden Gott, dem Vater,
dem Sohn und dem Heiligen Geist, immer vollkommeneres Lob werde.
6.
Die Priester üben entsprechend ihrem Anteil an der Vollmacht das Amt Christi,
des Hauptes und Hirten, aus. Sie versammeln im Namen des Bischofs die Familie
Gottes, die als Gemeinschaft von Brüdern nach Einheit verlangt, und führen sie
durch Christus im Geist zu Gott dem Vater20. Wie zu den übrigen priesterlichen
Ämtern wird auch zu diesem eine geistliche Vollmacht verliehen, die zur
Auferbauung gegeben wird21 . In der Auferbauung
der Kirche müssen die Priester allen nach dem Beispiel des Herrn mit echter
Menschlichkeit begegnen. Dabei sollen sie sich ihnen gegenüber nicht nach
Menschengefallen22 verhalten, sondern so,
wie es die Lehre und das christliche Leben erheischt. Sie sollen sie belehren
und sogar wie Söhne, die man liebt, ermahnen23, nach dem Wort des
Apostels: "Tritt auf, sei es gelegen oder ungelegen, überführe, gebiete,
ermahne in aller Langmut und Lehre" (2 Tim 4,2)24. Darum obliegt es den Priestern als Erziehern im
Glauben, selbst oder durch andere dafür zu sorgen, daß jeder Gläubige im
Heiligen Geist angeleitet wird zur Entfaltung seiner persönlichen Berufung nach
den Grundsätzen des Evangeliums, zu aufrichtiger und tätiger Liebe und zur
Freiheit, zu der Christus uns befreit hat25. Noch so schöne
Zeremonien und noch so blühende Vereine nutzen wenig, wenn sie nicht auf die
Erziehung der Menschen zu christlicher Reife hingeordnet sind26. Um diese zu fördern, sollen die Priester ihnen helfen,
zu erkennen, was in den wichtigen und den alltäglichen Ereignissen von der
Sache her gefordert ist und was Gott von ihnen will. Sie müssen die Christen
auch anleiten, nicht nur sich zu leben, sondern entsprechend den Forderungen
des neuen Liebesgebotes mit der Gnadengabe, die jeder empfangen hat, einander
zu dienen27; so sollen alle ihre
Aufgaben in der Gemeinschaft der Menschen christlich erfüllen. Obgleich die
Priester allen verpflichtet sind, so sollen sie sich doch vor allem der Armen
und Geringen annehmen. Denn der Herr selbst war ihnen verbunden28, und ihre Evangelisation ist zum Zeichen messianischen
Wirkens gesetzt29. Mit besonderem Eifer
sollen sie sich auch der Jugend annehmen, ebenso der Eheleute und Eltern, die
in Freundeskreisen zu versammeln wünschenswert ist, damit sie einander helfen,
ihr oft schweres Leben leichter und vollkommener christlich zu meistern. Ferner
mögen die Priester daran denken, daß alle Ordensmänner und Ordensfrauen als
ausgezeichneter Teil im Hause Gottes eine eigene Sorge für ihren geistlichen
Fortschritt zum Wohl der ganzen Kirche verdienen. Am meisten sollen sie für die
Kranken und Sterbenden besorgt sein, sie besuchen und im Herrn aufrichten30. Die Hirtenaufgabe beschränkt sich aber nicht auf die
Sorge für die einzelnen Gläubigen, sondern umfaßt auch wesentlich die Bildung
einer echten christlichen Gemeinschaft. Dieser Geist der Gemeinschaft muß, um
recht gepflegt zu werden, nicht nur die Ortskirche, sondern die Gesamtkirche
umfassen. Die Einzelgemeinde darf darum nicht nur die Sorge für die eigenen
Gläubigen fördern, sondern muß, von missionarischem Eifer durchdrungen, allen
Menschen den Weg zu Christus ebnen. Ihre besondere Sorge gelte jedoch den
Katechumenen und Neugetauften; sie sind schrittweise zur Erkenntnis und Führung
eines christlichen Lebens zu erziehen. Die christliche Gemeinde wird aber nur
auferbaut, wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat; von
ihr muß darum alle Erziehung zum Geist der Gemeinschaft ihren Anfang nehmen31. Diese Feier ist aber nur dann aufrichtig und vollständig,
wenn sie sowohl zu den verschiedenen Werken der Nächstenliebe und zu
gegenseitiger Hilfe wie auch zu missionarischer Tat und zu den vielfältigen
Formen christlichen Zeugnisses führt. Eine kirchliche Gemeinschaft bezeigt
darüber hinaus durch Liebe, Gebet, Beispiel und Buße eine echte Mütterlichkeit,
um Menschen zu Christus zu führen. Sie stellt nämlich ein wirksames Werkzeug
dar, das denen, die noch nicht glauben, den Weg zu Christus weist und bahnt und
das auch die Gläubigen anregt, stärkt und zum geistlichen Kampf rüstet. Bei der
Auferbauung der christlichen Gemeinschaft sollen die Priester aber niemals
irgendeiner Ideologie oder einer menschlichen Parteiung zu Diensten sein,
sondern als Boten des Evangeliums und als Hirten der Kirche ihre Kraft auf das
geistliche Wachstum des Leibes Christi verwenden.
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