II.
Die Beziehung der Priester zu anderen
7.
Alle Priester haben zusammen mit den Bischöfen so an ein und demselben Priestertum
und Amt Christi teil, daß diese Einheit der Weihe und Sendung ihre
hierarchische Gemeinschaft mit dem Stand der Bischöfe erfordert32. Diese Gemeinschaft bekunden sie vorzüglich bei
gelegentlicher Konzelebration, desgleichen bei jeder Eucharistiefeier33. Die Bischöfe sollen darum die Priester, denen in der
Weihe die Gabe des Heiligen Geistes verliehen wurde, als ihre notwendigen
Helfer und Ratgeber im Dienstamt der Belehrung, der Heiligung und der Leitung
des Gottesvolkes betrachten34. Dies erklären die
liturgischen Dokumente schon seit den frühen Zeiten der Kirche: feierlich
erbitten sie bei der Weihe von Gott, daß er über den Priester ausgieße "den
Geist der Gnade und des Rates, auf daß er mit reinem Herzen dem Volk beistehe
und es leite"35, so wie in der Wüste
der Geist des Moses auf die siebzig weisen Männer überging36, "mit deren Hilfe er die ungezählte Volksschar ohne
Mühe leitete"37, Wegen dieser
Gemeinschaft also im gleichen Priestertum und Dienst sollen die Bischöfe die
Priester als ihre Brüder und Freunde betrachten38. Sie seien nach Kräften auf ihr leibliches Wohl bedacht,
und vor allem ihr geistliches Wohl sei ihnen ein Herzensanliegen. Denn
hauptsächlich auf ihnen lastet die schwere Sorge für die Heiligung ihrer
Priester39; deshalb sollen sie die
größte Mühe für deren ständige Formung aufwenden40. Sie sollen sie gern anhören, ja sie um Rat fragen und
mit ihnen besprechen, was die Seelsorge erfordert und dem Wohl des Bistums
dient. Um das aber in die Tat umzusetzen, soll in einer den heutigen
Verhältnissen und Erfordernissen angepaßten Form41 ein Kreis oder Rat42 von Priestern
geschaffen werden, die das Presbyterium repräsentieren, wobei dessen Form und
Normen noch rechtlich zu bestimmen sind. Dieser Rat kann den Bischof bei der
Leitung der Diözese mit seinen Vorschlägen wirksam unterstützen. Die Priester
aber sollen die Fülle des Weihesakramentes der Bischöfe vor Augen haben und in
ihnen die Autorität des obersten Hirten Christus hochachten. Sie schulden ihrem
Bischof aufrichtige Liebe und Gehorsam43. Dieser priesterliche
Gehorsam, der vom Geist der Zusammenarbeit durchdrungen sein muß, gründet in
der Teilnahme am Bischofsamt, die den Priestern durch das Weihesakrament und
die kanonische Sendung übertragen wird44. Die Einheit der
Priester mit den Bischöfen wird in unseren Tagen um so mehr gefordert, als heute
aus vielerlei Gründen das Apostolat notwendigerweise nicht nur verschiedene
Formen annimmt, sondern auch die Grenzen einer Pfarrei oder einer Diözese
überschreitet. Kein Priester kann abgesondert und als einzelner seine Sendung
hinreichend erfüllen, sondern nur in Zusammenarbeit mit anderen Priestern,
unter Führung derer, die die Kirche leiten.
8.
Die Priester, die durch die Weihe in den Priesterstand eingegliedert wurden,
sind in inniger sakramentaler Bruderschaft miteinander verbunden. Besonders in
der Diözese, deren Dienst sie unter dem eigenen Bischof zugewiesen werden,
bilden sie das eine Presbyterium. Trotz ihrer verschiedenen Ämter leisten sie
für den Menschen den einen priesterlichen Dienst. Alle werden gesandt, an
demselben Werk gemeinsam zu arbeiten, ob sie nun ein Pfarramt oder ein
überpfarrliches Amt ausüben, ob sie sich der Wissenschaft widmen oder ein
Lehramt versehen, ob sie - wo dies bei Gutheißung durch die zuständige
Autorität angebracht erscheint - sogar Handarbeit verrichten und damit selbst
am Los der Arbeiter teilhaben oder sich anderen apostolischen oder auf das
Apostolat ausgerichteten Werken widmen. In dem einen kommen sie alle überein:
in der Auferbauung des Leibes Christi, die besonders in unserer Zeit vielerlei
Dienstleistungen und neue Anpassungen erfordert. Deshalb ist es von großer
Bedeutung, daß alle, Welt- und Ordenspriester, einander helfen, damit sie stets
Mitarbeiter der Wahrheit sind45. Mit den übrigen
Gliedern dieses Presbyteriums ist jeder einzelne durch besondere Bande der
apostolischen Liebe, des Dienstes und der Brüderlichkeit verbunden. Dies wird
schon seit frühen Zeiten in der Liturgie bekundet, wenn die anwesenden Priester
aufgefordert werden, dem Neuerwählten zusammen mit dem weihenden Bischof die
Hände aufzulegen, und wenn sie einmütig die Heilige Eucharistie zusammen
feiern. Die einzelnen Priester sind also mit ihren Mitbrüdern durch das Band
der Liebe, des Gebetes und der allseitigen Zusammenarbeit verbunden. So wird
jene Einheit sichtbar, durch die nach Christi Willen die Seinen vollkommen eins
sein sollten, damit die Welt erkenne, daß der Sohn vom Vater gesandt ist46. Daher mögen die Älteren die Jüngeren wahrhaft als Brüder
annehmen und ihnen bei den ersten Arbeiten und Schwierigkeiten ihres Dienstes
zur Seite stehen. Ebenso seien sie bemüht, deren - wenn auch von der eigenen
verschiedene - Mentalität zu verstehen und ihr Beginnen mit Wohlwollen zu
fördern. Die Jungen mögen in gleicher Weise das Alter und die Erfahrung der
Älteren achten, mit ihnen Fragen der Seelsorge besprechen und willig
zusammenarbeiten. Der Geist der Bruderliebe verpflichtet die Priester, die
Gastfreundschaft zu pflegen47, Gutes zu tun und ihre
Güter zu teilen48, wobei ihre besondere
Sorge den kranken, bedrängten, mit Arbeit überlasteten, den einsamen, den aus
ihrer Heimat vertriebenen Mitbrüdern gelten soll sowie denen, die Verfolgung leiden49. Sie sollen sich auch gern und mit Freude treffen, um
sich zu erholen, in Erinnerung an die Worte, mit denen der Herr selbst die müde
gewordenen Apostel einlud: "Kommt her, ihr allein, an einen einsamen Ort
und ruht ein wenig aus" (Mk 6,31). Damit die Priester darüber hinaus im
geistlichen Leben und für die Erweiterung ihrer Kenntnisse aneinander Hilfe
haben, damit sie besser in ihrem Dienst zusammenarbeiten können und vor
Gefahren geschützt sind, die vielleicht dem Einsamen drohen, soll das
gemeinsame Leben oder eine Art der Lebensgemeinschaft unter ihnen gefördert
werden. Die Formen können, je nach den persönlichen oder seelsorglichen
Erfordernissen, verschieden sein. Beispielsweise ist ein Zusammenwohnen möglich,
wo die Umstände es gestatten, oder ein gemeinsamer Tisch oder wenigstens ein
häufiges und regelmäßiges Zusammenkommen. Hochzuschätzen und achtsam zu
unterstützen sind auch Vereinigungen, die nach Prüfung ihrer Satzungen von der
zuständigen kirchlichen Autorität durch eine geeignete und entsprechend
bewährte Lebensordnung sowie durch brüderliche Hilfe die Heiligkeit der
Priester in der Ausübung ihres Dienstes fördern und auf diese Weise dem ganzen
Priesterstand dienen möchten. Schließlich werden sich die Priester, aufgrund
der gleichen Gemeinschaft im Priestertum, in besonderer Weise denen gegenüber
verpflichtet wissen, die unter irgendwelchen Schwierigkeiten leiden; sie sollen
ihnen rechtzeitig ihre Hilfe zukommen lassen, wenn nötig auch durch taktvolle
Ermahnung. Mit brüderlicher Liebe und großer Herzensgüte sollen sie aber denen
zur Seite stehen, die in irgendwelchen Punkten versagt haben; für sie müssen
sie sich mit inständigem Gebet bei Gott verwenden und sich ihnen gegenüber
stets als wahre Brüder und Freunde erweisen.
9.
Wenngleich die Priester des Neuen Bundes aufgrund des Weihesakramentes das so
überaus hohe und notwendige Amt des Vaters und Lehrers im Volk und für das Volk
Gottes ausüben, so sind sie doch zusammen mit allen Christgläubigen Jünger des
Herrn, die dank der Berufung durch Gott seines Reiches teilhaftig geworden sind50. Mit allen nämlich, die wiedergeboren sind im Quell der
Taufe, sind die Priester Brüder unter Brüdern51, da sie ja Glieder ein und desselben Leibes Christi
sind, dessen Auferbauung allen anvertraut ist52. Die Priester müssen also ihr Leitungsamt so ausüben,
daß sie nicht das ihre, sondern die Sache Jesu Christi suchen53. Sie müssen mit den gläubigen Laien zusammenarbeiten und
in deren Mitte dem Beispiel des Meisters nachleben, der zu den Menschen
"nicht kam, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben
hinzugeben als Lösepreis für viele" (Mt 20,28). Die Priester sollen die
Würde der Laien und die bestimmte Funktion, die den Laien für die Sendung der
Kirche zukommt, wahrhaft anerkennen und fördern. Sie mögen auch mit Bedacht die
gebührende Freiheit, die allen im bürgerlichen Bereich zusteht, achten. Sie
sollen gern auf die Laien hören, ihre Wünsche brüderlich erwägen und ihre
Erfahrung und Zuständigkeit in den verschiedenen Bereichen des menschlichen
Wirkens anerkennen, damit sie gemeinsam mit ihnen die Zeichen der Zeit
verstehen können. Sie sollen die Geister prüfen, ob sie aus Gott sind54, und die vielfältigen Charismen der Laien, schlichte wie
bedeutendere, mit Glaubenssinn aufspüren, freudig anerkennen und mit Sorgfalt
hegen. Unter den Gaben Gottes, die sich reichlich bei den Gläubigen finden,
verdienen die eine besondere Pflege, die nicht wenige zu einem intensiveren
geistlichen Leben anspornen. Ebenso sollen sie vertrauensvoll den Laien Ämter
zum Dienst in der Kirche anvertrauen, ihnen Freiheit und Raum zum Handeln
lassen, ja sie sogar in kluger Weise dazu ermuntern, auch von sich aus Aufgaben
in Angriff zu nehmen55. Endlich leben die
Priester mitten unter den Laien, um alle zur Einheit in der Liebe zu führen,
"indem sie in Bruderliebe einander herzlich zugetan sind, an Ehrerbietung
einander übertreffen" (Röm 12,10). Ihre Aufgabe ist es darum, die
verschiedenen Meinungen so in Einklang zu bringen, daß niemand sich in der
Gemeinschaft der Gläubigen fremd fühlt. Sie sind die Verfechter des gemeinsamen
Wohls, für das sie im Namen des Bischofs Sorge tragen, und zugleich die
entschiedenen Verteidiger der Wahrheit, damit die Gläubigen nicht von jedem
Wind der Lehre hin und her getrieben werden56. Ihrer besonderen Sorge
sind die anvertraut, die die Sakramente nicht mehr empfangen, ja vielleicht
sogar vom Glauben abgefallen sind; sie werden es nicht unterlassen, als gute Hirten
gerade auch ihnen nachzugehen. Im Blick auf die Bestimmungen über den
Ökumenismus57 werden sie auch die
Brüder nicht vergessen, die nicht in voller kirchlicher Gemeinschaft mit uns
stehen. Nicht zuletzt werden sie auch alle diejenigen sich anvertraut wissen,
die Christus nicht als ihren Erlöser anerkennen. Die Christgläubigen aber
sollen sich bewußt sein, daß sie ihren Priestern gegenüber in Schuld stehen.
Darum mögen sie diesen als ihren Hirten und Vätern in Kindesliebe verbunden
sein. Sie sollen an den Sorgen und Nöten ihrer Priester Anteil nehmen und ihnen
durch Gebet und Tat nach Kräften helfen, daß sie ihre Schwierigkeiten leichter
überwinden und erfolgreicher ihre Aufgaben erfüllen können58.
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