III.
Die Verteilung der Priester und der Priesternachwuchs
10.
Die Geistesgabe, die den Priestern in ihrer Weihe verliehen wurde, rüstet sie nicht
für irgendeine begrenzte und eingeschränkte Sendung, sondern für die alles
umfassende und universale Heilssendung "bis an die Grenzen der Erde"
(Apg 1,8), denn jeder priesterliche Dienst hat teil an der weltweiten Sendung,
die Christus den Aposteln aufgetragen hat. Christi Priestertum, an dem die
Priester in Wahrheit Anteil erhalten haben, ist ja notwendig für alle Völker
und alle Zeiten bestimmt und nicht auf Rassen, Nationen oder Zeitalter
beschränkt, wie es schon in der Gestalt des Melchisedech in geheimnisvoller
Weise vorgezeichnet ist59. Die Priester mögen
also daran denken, daß ihnen die Sorge für alle Kirchen am Herzen liegen muß.
Deshalb sollen sich die Priester jener Diözesen, die mit einer größeren Zahl
von Berufungen gesegnet sind, gern bereit zeigen, mit Erlaubnis oder auf Wunsch
des eigenen Ordinarius ihren Dienst in Gegenden, in Missionsgebieten oder in
Seelsorgsaufgaben auszuüben, in denen es an Klerus mangelt. Außerdem sollen die
Normen bezüglich der Inkardinierung und Exkardinierung in der Weise überprüft
werden, daß diese sehr alte Einrichtung zwar bestehenbleibt, jedoch den
heutigen pastoralen Bedürfnissen besser entspricht. Wo das Apostolat es aber
erfordert, sollen Erleichterungen gegeben werden nicht nur für eine angemessene
Verteilung der Priester, sondern auch für spezielle pastorale Aufgaben bei
verschiedenen sozialen Schichten, die in einer bestimmten Gegend oder Nation
oder in irgendeinem Teil der Welt durchgeführt werden müssen. Zu diesem Zweck
können deshalb mit Nutzen internationale Seminare, besondere Diözesen oder
Personalprälaturen und andere derartige Institutionen geschaffen werden. Diesen
können zum Gemeinwohl der ganzen Kirche Priester zugeteilt oder inkardiniert
werden. Die Art und Weise der Ausführung ist dabei für jedes einzelne
Unternehmen festzulegen, und die Rechte der Ortsordinarien müssen stets
unangetastet bleiben. Priester, die in ein fremdes Gebiet gesandt werden,
sollen nach Möglichkeit nicht allein gehen, vor allem wenn sie dessen Sprache
und Sitten noch nicht gut kennen; man sende sie vielmehr nach dem Vorbild der
Jünger Christi60 zu zweien oder dreien,
damit sie so einander Hilfe seien. Weiter ist es angebracht, sich ernstlich um
ihr geistliches Leben wie auch um ihr seelisches und leibliches Wohlergehen zu
kümmern. Es sollen ihnen möglichst auch Stellen und Arbeitsbedingungen gegeben
werden, die den Fähigkeiten und Eigenschaften des einzelnen entsprechen. Für
alle, die in ein anderes Land gehen wollen, ist es ferner sehr wichtig, nicht
nur die Sprache jenes Gebietes zu erlernen, sondern sich auch den
psychologischen und sozialen Charakter des Volkes, dem sie demütig dienen
wollen, so vollkommen wie möglich anzueignen. Sie folgen damit dem Beispiel des
Apostels Paulus, der von sich sagen konnte: "Obwohl ich allen gegenüber
frei bin, habe ich mich doch zum Knecht aller gemacht, um möglichst viele zu
gewinnen. Den Juden bin ich ein Jude gewesen, um die Juden zu gewinnen
..." (1 Kor 9,19-20).
11.
Der Hirt
und Bischof unserer Seelen61 hat seine Kirche so
gestiftet, daß das Volk, das er erwählt und mit seinem Blute erworben hat62, bis zum Ende der Welt stets seine Priester haben muß,
damit die Christen nie wie Schafe ohne Hirten seien63. Im Gehorsam gegen diesen Willen Christi und unter
Eingebung des Heiligen Geistes hielten die Apostel sich für verpflichtet,
Männer zum Dienst zu erwählen, "die geeignet sein werden, auch andere zu
lehren" (2 Tim 2,2). Diese Pflicht gehört in der Tat mit zur
priesterlichen Sendung, durch die der Priester teilhat an der Sorge für die
ganze Kirche, damit im Gottesvolk hier auf Erden niemals die Arbeiter fehlen.
Weil es jedoch "für den Steuermann eines Schiffes und alle, die darauf
fahren ... ein gemeinsames Interesse gibt"64, soll das ganze christliche Volk über seine Pflicht
belehrt werden, auf verschiedene Weise mitzuhelfen - durch inständiges Gebet
wie auch durch andere Mittel, die ihm zur Verfügung stehen65 -, daß die Kirche stets die Priester habe, die zur
Erfüllung ihres göttlichen Auftrags notwendig sind. Als ersten muß es darum den
Priestern sehr am Herzen liegen, durch ihren Dienst am Wort und das Zeugnis
ihres eigenen Lebens, das den Geist des Dienens und die wahre österliche Freude
offenbar macht, den Gläubigen die Erhabenheit und Notwendigkeit des Priestertums
vor Augen stellen. Jüngeren und Älteren, die sie nach sorgfältiger Beurteilung
für ein solches Amt für geeignet halten, sollten sie, ohne Sorgen und Mühen zu
scheuen, helfen, daß sie sich recht vorbereiten und - bei Wahrung ihrer vollen
inneren und äußeren Freiheit - einmal vom Bischof gerufen werden können. Dafür
ist eine sorgfältige und kluge geistliche Führung von größtem Nutzen. Die
Eltern, Lehrer und alle, die in irgendeiner Weise an der Unterweisung der
Jugend und der jungen Männer beteiligt sind, sollen diese so erziehen, daß sie
die Sorge des Herrn für seine Herde erkennen, die Erfordernisse der Kirche
erwägen und bereit sind, wenn der Herr ruft, mit dem Propheten hochherzig zu
antworten: "Hier bin ich, sende mich" (Jes 6,8). Doch darf man von
diesem Ruf des Herrn durchaus nicht erwarten, daß er auf außerordentliche Weise
den zukünftigen Priestern zu Ohren gelangt. Er ist vielmehr aus Zeichen zu
ersehen und zu beurteilen, durch die auch sonst der Wille Gottes einsichtigen
Christen im täglichen Leben kund wird; diese Zeichen müssen die Priester
aufmerksam beachten66. Ihnen allen werden die
diözesanen und nationalen Werke für Priesterberufe sehr nahegelegt67. In Predigten, Katechesen und Zeitschriften müssen
eindrücklich die Erfordernisse der Orts- und Gesamtkirche dargelegt sowie Sinn
und besondere Stellung des Priesteramtes in helles Licht gerückt werden. Im
Priesteramt sind ja mit großen Lasten auch große Freuden verbunden, und in ihm
kann vor allem, wie die Väter lehren, Christus das höchste Zeugnis der Liebe
gegeben werden68.
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