II.
Besondere Erfordernisse für das geistliche Leben der Priester (Evangelischen
Räte)
15.
Zu den Tugenden, die für den Dienst der Priester besonders erfordert sind, muß
man als ständige Seelenhaltung die innere Bereitschaft zählen, nicht den
eigenen Willen zu suchen, sondern den Willen dessen, der sie gesandt hat27. Das göttliche Werk nämlich, zu dessen Durchführung der
Heilige Geist sie berufen hat28, übersteigt alle
menschlichen Kräfte und menschliche Weisheit; denn "was der Welt schwach
erscheint, hat Gott auserwählt, das Starke zu beschämen" (1 Kor 1,27). Im
Bewußtsein der eigenen Schwäche tut darum der wahre Diener Christi seine Arbeit
demütig; er prüft, was Gott wohlgefällig ist29, und läßt sich,
gleichsam durch den Geist gebunden30, in allem vom Willen
dessen führen, der aller Menschen Heil will; diesen Willen kann er in den konkreten
Umständen des täglichen Lebens entdecken und erfüllen, indem er allen Menschen
demütig dient, die ihm in seinem Amt und in den vielfältigen Ereignissen seines
Lebens von Gott anvertraut sind. Weil jedoch der priesterliche Dienst ein
Dienst der Kirche ist, kann er nur in der hierarchischen Gemeinschaft des
ganzen Leibes ausgeübt werden. Die Hirtenliebe drängt also die Priester dazu,
in dieser Gemeinschaft zu handeln und darum den eigenen Willen gehorsam in den
Dienst für Gott und die Brüder zu stellen, indem sie gläubigen Geistes annehmen
und ausführen, was der Papst und der eigene Bischof sowie andere Vorgesetzte
vorschreiben oder nahelegen; gern geben sie alles hin und sich selbst dazu31, in jeglichem Dienst, der ihnen anvertraut wird, sei er
auch gering und ärmlich. Auf diese Weise bewahren und stärken sie die
notwendige Einheit mit ihren Mitbrüdern im Amt, vor allem aber mit denjenigen,
die der Herr zu sichtbaren Leitern seiner Kirche bestellt hat, und tragen so zum
Aufbau des Leibes Christi bei, der "durch jedes Band der
Hilfeleistung" wächst32. Solcher Gehorsam führt
zu einer reiferen Freiheit der Kinder Gottes. Er erfordert aus seinem Wesen
heraus, daß die Priester, wenn sie bei der Ausübung ihres Amtes in kluger Weise
aus Liebe neue Wege zum größeren Wohl der Kirche suchen, diese ihre Vorhaben
vertrauensvoll vorbringen und die besondere Lage ihrer Herde eindringlich
darlegen, immer bereit, sich dem Urteil derer zu unterstellen, die ein
führendes Amt in der Leitung der Kirche Gottes ausüben. Durch diese Demut und
diesen verantwortungsbewußten und freien Gehorsam machen sich die Priester
Christus gleichförmig. Sie hegen die gleiche Gesinnung wie Christus Jesus in
sich, der "sich selbst entäußert hat, indem er Knechtsgestalt annahm,
gehorsam geworden bis zum Tod " (Phil 2,7-8), und der durch diesen
Gehorsam den Ungehorsam Adams besiegt und wiedergutgemacht hat, wie der Apostel
bezeugt: "Durch den Ungehorsam des einen Menschen sind die vielen zu
Sündern gemacht worden; so werden auch durch den Gehorsam des Einen die vielen
zu Gerechten gemacht werden" (Röm 5,19).
16.
Die Kirche hat die vollkommene und ständige Enthaltsamkeit um des Himmelreiches
willen, die von Christus dem Herrn empfohlen33, in allen Jahrhunderten
bis heute von nicht wenigen Gläubigen gern angenommen und lobenswert geübt
worden ist, besonders im Hinblick auf das priesterliche Leben immer hoch
eingeschätzt. Ist sie doch ein Zeichen und zugleich ein Antrieb der Hirtenliebe
und ein besonderer Quell geistlicher Fruchtbarkeit in der Welt34. Zwar ist sie nicht vom Wesen des Priestertums selbst
gefordert, wie die Praxis der frühesten Kirche35 und die Tradition der Ostkirchen zeigt, wo es neben
solchen, die aus gnadenhafter Berufung zusammen mit allen Bischöfen das ehelose
Leben erwählen, auch hochverdiente Priester im Ehestand gibt. Wenn diese
Heilige Synode dennoch den kirchlichen Zölibat empfiehlt, will sie in keiner
Weise jene andere Ordnung ändern, die in den Ostkirchen rechtmäßig Geltung hat;
vielmehr ermahnt sie voll Liebe diejenigen, die als Verheiratete das
Priestertum empfingen, sie möchten in ihrer heiligen Berufung ausharren und
weiterhin mit ganzer Hingabe ihr Leben für die ihnen anvertraute Herde
einsetzen36. Der Zölibat ist jedoch
in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen. Die priesterliche Sendung
ist nämlich gänzlich dem Dienst an der neuen Menschheit geweiht, die Christus,
der Überwinder des Todes, durch seinen Geist in der Welt erweckt, die ihren
Ursprung "nicht aus dem Blut, nicht aus dem Wollen des Fleisches noch aus
dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott" (Joh 1,13) hat. Durch die
Jungfräulichkeit und die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen37 werden die Priester in neuer und vorzüglicher Weise
Christus geweiht; sie hangen ihm leichter ungeteilten Herzens an38, schenken sich freier in ihm und durch ihn dem Dienst
für Gott und die Menschen, dienen ungehinderter seinem Reich und dem Werk der
Wiedergeburt aus Gott und werden so noch mehr befähigt, die Vaterschaft in
Christus tiefer zu verstehen. Auf diese Weise bezeugen sie also vor den
Menschen, daß sie sich in ungeteilter Hingabe der ihnen anvertrauten Aufgabe
widmen wollen, nämlich die Gläubigen einem Mann zu vermählen und sie als
keusche Jungfrau Christus zuzuführen39; so weisen sie auf
jenen geheimnisvollen Ehebund hin, der von Gott begründet ist und im anderen
Leben ins volle Licht treten wird, in welchem die Kirche Christus zum einzigen
Bräutigam hat40. Darüber hinaus sind
sie ein lebendiges Zeichen der zukünftigen, schon jetzt in Glaube und Liebe
anwesenden Welt, in der die Auferstandenen weder freien noch gefreit werden41. Der so im Geheimnis Christi und seiner Sendung begründete
Zölibat wurde zunächst den Priestern empfohlen und schließlich in der
lateinischen Kirche allen, die die heilige Weihe empfangen sollten, als Gesetz
auferlegt. Diese Heilige Synode billigt und bekräftigt von neuem das Gesetz für
jene, die zum Priestertum ausersehen sind, wobei ihr der Geist das Vertrauen
gibt, daß der Vater die Berufung zum ehelosen Leben, das ja dem
neutestamentlichen Priestertum so angemessen ist, großzügig geben wird, wenn
nur diejenigen, die durch das Sakrament der Weihe am Priestertum Christi
teilhaben, zusammen mit der ganzen Kirche demütig und inständig darum bitten.
Das Konzil mahnt daher alle Priester, die im Vertrauen auf Gottes Gnade in
freier Entscheidung nach Christi Vorbild den Zölibat auf sich genommen haben,
ihm großmütig und mit ganzem Herzen anzuhangen und treu in diesem Stand
auszuhalten in der Erkenntnis der hohen Gnadengabe, die ihnen vom Vater gegeben
wurde und die der Herr so offenkundig gepriesen hat42. Sie sollen dabei immer jene Geheimnisse vor Augen
haben, die durch sie bezeichnet werden und ihre Erfüllung finden. Und je mehr
in der heutigen Welt viele Menschen ein Leben in vollkommener Enthaltsamkeit
für unmöglich halten, um so demütiger und beharrlicher werden die Priester und mit
ihnen die ganze Kirche die Gabe der Beständigkeit und Treue erflehen, die denen
niemals verweigert wird, die um sie bitten. Zugleich werden sie alle
übernatürlichen und natürlichen Hilfen anwenden, die jedem zur Verfügung
stehen; sie sollen vor allem die durch die Erfahrung der Kirche bewährten
aszetischen Verhaltensweisen, die in der modernen Welt nicht weniger notwendig
sind, befolgen. So bittet diese Heilige Synode nicht nur die Priester, sondern
alle Gläubigen, sie möchten sich die kostbare Gabe des priesterlichen Zölibates
ein wirkliches Anliegen sein lassen, und alle mögen Gott bitten, daß er dieses
Geschenk seiner Kirche stets in Fülle zukommen lasse.
17.
Im freundschaftlichen und brüderlichen Verkehr untereinander und mit den übrigen
Menschen haben die Priester Gelegenheit, die menschlichen Werte zu pflegen und
die irdischen Güter als Geschenke Gottes zu würdigen. Mitten in der Welt sollen
sie dennoch immer wissen, daß sie nach dem Wort unseres Herrn und Meisters
nicht von der Welt sind43. Wenn sie also die
Dinge der Welt so gebrauchen, als gebrauchten sie sie nicht44, dann werden sie zu jener Freiheit von aller
ungeordneten Anhänglichkeit und Sorge gelangen, durch die sie gelehrig für die
Stimme Gottes im täglichen Leben werden. Aus solcher Freiheit und Gelehrigkeit
erwächst das geistliche Unterscheidungsvermögen, durch das man die rechte
Haltung zur Welt und ihren Gütern findet. Diese Haltung ist deshalb von großer
Bedeutung für die Priester, weil sich ja die Sendung der Kirche inmitten der
Welt vollzieht und die geschaffenen Güter zum Reifen der menschlichen
Persönlichkeit unerläßlich sind. So seien sie also dankbar für alles, was ihnen
der himmlische Vater für eine rechte Lebensführung in die Hand gibt. Doch
sollen sie alles, was ihnen begegnet, im Licht des Glaubens prüfen, damit sie
es richtig gebrauchen lernen, wie es dem Willen Gottes entspricht, und
ablehnen, was ihrer Sendung im Weg steht. Denn die Priester, deren "Anteil
und Erbe" der Herr ist (Num 18,20), dürfen die zeitlichen Güter nur in dem
Rahmen gebrauchen, der ihnen durch die Lehre Christi des Herrn und von der
Weisung der Kirche gesteckt ist. Die Kirchengüter im eigentlichen Sinne sollen
die Priester sachgerecht und nach den Richtlinien der kirchlichen Gesetze
verwalten, wenn möglich unter Zuhilfenahme erfahrener Laien; diese Güter sind
stets nur für die Zwecke zu verwenden, um deretwillen die Kirche zeitliche
Güter besitzen darf, nämlich für den rechten Vollzug des Gottesdienstes, für
den angemessenen Unterhalt des Klerus und für die apostolischen und caritativen
Werke, besonders für jene, die den Armen zugute kommen45. Was die Priester, nicht anders als die Bischöfe,
anläßlich der Ausübung eines kirchlichen Amtes erhalten, haben sie, unbeschadet
eines Partikularrechts46, in erster Linie für
ihren standesgemäßen Unterhalt und für die Erfüllung ihrer Standespflichten zu
verwenden; was aber davon übrigbleibt, mögen sie dem Wohl der Kirche oder
caritativen Werken zukommen lassen. Sie dürfen das kirchliche Amt weder als
Erwerbsquelle betrachten noch die Einkünfte daraus für die Vermehrung des
eigenen Vermögens verwenden47. Die Priester sollen
darum ihr Herz nicht an Reichtümer hängen48, jede Habgier meiden
und sich vor aller Art weltlichen Handels sorgfältig hüten. Sie werden vielmehr
zur freiwilligen Armut ermuntert, in der sie Christus sichtbarer ähnlich und
zum heiligen Dienst verfügbarer werden. Denn Christus ist für uns arm geworden,
obwohl er reich war, damit wir durch seine Armut reich würden49. Und die Apostel haben durch ihr Beispiel bezeugt, daß
die unverdienten Gaben Gottes unentgeltlich weitergegeben werden müssen50; sie wußten genauso gut Überfluß zu haben wie Not zu
ertragen51. Aber auch ein gewisser
gemeinschaftlicher Gütergebrauch, ähnlich der Gütergemeinschaft, die in der
Geschichte der Urkirche so gepriesen wird52, kann der Hirtenliebe
vorzüglich den Weg ebnen; durch diese Lebensform können die Priester den Geist
der Armut, den Christus empfiehlt, in lobenswerter Weise konkret verwirklichen.
Vom Geist des Herrn geführt, der den Erlöser gesalbt und Armen die
Frohbotschaft zu bringen53 ausgesandt hat, sollen
die Priester und ebenso die Bischöfe alles vermeiden, was den Armen irgendwie
Anstoß geben könnte, indem sie, mehr als die anderen Jünger des Herrn, jeden
Schein von Eitelkeit in ihrer Lebenshaltung ausschließen. Ihre Wohnung sei so
eingerichtet, daß sie niemandem unzugänglich erscheint und daß niemand, auch
kein Niedriggestellter, sich scheut, sie zu betreten.
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