3. Kapitel: Verschiedene Bereiche des Laienapostolates
9.
Die Laien betätigen ihr vielfältiges Apostolat sowohl in der Kirche als auch in
der Welt. In jeder dieser beiden Ordnungen tun sich verschiedene Bereiche
apostolischen Wirkens auf. Die wichtigeren sollen hier erwähnt werden: die
kirchlichen Gemeinschaften im engeren Sinn, die Familie, die Jugend, die
sozialen Milieus, das nationale und internationale Leben. Da heute die Frauen
eine immer aktivere Funktion im ganzen Leben der Gesellschaft ausüben, ist es
von großer Wichtigkeit, daß sie auch an den verschiedenen Bereichen des
Apostolates der Kirche wachsenden Anteil nehmen.
10.
Als Teilnehmer am Amt Christi, des Priesters, Propheten und Königs, haben die
Laien ihren aktiven Anteil am Leben und Tun der Kirche. Innerhalb der
Gemeinschaften der Kirche ist ihr Tun so notwendig, daß ohne dieses auch das
Apostolat der Hirten meist nicht zu seiner vollen Wirkung kommen kann. Denn wie
jene Männer und Frauen, die Paulus in der Verkündigung des Evangeliums
unterstützt haben (vgl. Apg 18,18.26; Röm 16,3), ergänzen Laien von wahrhaft
apostolischer Einstellung, was ihren Brüdern fehlt; sie stärken geistig die
Hirten und das übrige gläubige Volk (vgl. 1 Kor 16,17-18). Durch tätige
Teilnahme am liturgischen Leben ihrer Gemeinschaft genährt, nehmen sie ja
angelegentlich an deren apostolischen Werken teil. Menschen, die vielleicht
weit abseits stehen, führen sie der Kirche zu. Angestrengt arbeiten sie an der
Weitergabe des Wortes Gottes mit, vor allem durch katechetische Unterweisung.
Durch ihre Sachkenntnis machen sie die Seelsorge und die Verwaltung der
kirchlichen Güter wirksamer. Die Pfarrei bietet ein augenscheinliches Beispiel
für das gemeinschaftliche Apostolat; was immer sie in ihrem Raum an
menschlichen Unterschiedlichkeiten vorfindet, schließt sie zusammen und fügt es
dem Ganzen der Kirche ein1. Die Laien mögen sich
daran gewöhnen, aufs engste mit ihren Priestern vereint in der Pfarrei zu
arbeiten2; die eigenen Probleme
und die der Welt, sowie die Fragen, die das Heil der Menschen angehen, in die
Gemeinschaft der Kirche einzubringen, um sie dann in gemeinsamer Beratung zu
prüfen und zu lösen; endlich jede apostolische und missionarische Initiative
der eigenen kirchlichen Familie nach Kräften zu unterstützen. Stets mögen sie
den Sinn für das ganze Bistum pflegen, dessen Zelle gleichsam die Pfarrei ist,
immer bereit, auf Einladung ihres Bischofs auch für die diözesanen
Unternehmungen ihre Kräfte einzusetzen. Ja um den Bedürfnissen von Stadt und
Land3 zu entsprechen, mögen sie ihre
Mitarbeit nicht auf die engen Grenzen ihrer Pfarrei oder ihres Bistums
beschränken, sondern sie auf den zwischenpfarrlichen, interdiözesanen,
nationalen und internationalen Bereich auszudehnen bestrebt sein; dies um so
mehr, als die von Tag zu Tag zunehmende Wanderung der Menschen und Völker, die
Zunahme der gegenseitigen Verbundenheit und die Leichtigkeit des
Nachrichtenaustausches nicht mehr zulassen, daß irgendein Teil der Gesellschaft
in sich abgeschlossen weiterlebt. So sollen sie sich um die Nöte des über den
ganzen Erdkreis verstreuten Volkes Gottes kümmern. Vor allem sollen sie die
Missionswerke zu ihrem eigenen Anliegen machen und ihnen materielle, aber auch
personelle Hilfe leisten. Es ist ja Pflicht und Ehre der Christen, Gott einen
Teil der Güter zurückzugeben, die sie von ihm empfangen haben.
11.
Der Schöpfer aller Dinge hat die eheliche Gemeinschaft zum Ursprung und Fundament
der menschlichen Gesellschaft bestimmt und durch seine Gnade zu einem großen
Geheimnis in Christus und seiner Kirche (vgl. Eph 5,32) gemacht. Darum hat das
Apostolat der Eheleute und Familien eine einzigartige Bedeutung für die Kirche
wie für die menschliche Gesellschaft. Die christlichen Eheleute sind
füreinander, für ihre Kinder und die übrigen Familienangehörigen Mitarbeiter
der Gnade und Zeugen des Glaubens. Ihren Kindern sind sie die ersten Künder und
Erzieher des Glaubens. Durch Wort und Beispiel bilden sie diese zu einem
christlichen und apostolischen Leben heran, helfen ihnen klug in der Wahl ihres
Berufes und pflegen mit aller Sorgfalt eine vielleicht in ihnen sich zeigende
Berufung zum Priester- und Ordensstand. Schon immer war es Pflicht der Gatten,
heute aber ist es ein hochbedeutsamer Teil ihres Apostolates geworden: die
Unauflöslichkeit und Heiligkeit des ehelichen Bandes durch ihr Leben sichtbar
zu machen und zu erweisen, Recht und Pflicht der Eltern und Vormünder zur
christlichen Erziehung ihrer Kinder entschlossen zu vertreten sowie die Würde
und das rechtmäßige Eigenleben der Familie zu verteidigen. Sie, wie auch alle
übrigen Christen, mögen mit allen Menschen guten Willens daraufhin
zusammenarbeiten, daß diese Rechte in der bürgerlichen Gesetzgebung gesichert
bleiben. Die Führung des Gemeinwesens soll den Bedürfnissen der Familien
hinsichtlich Wohnung, Kindererziehung, Arbeitsbedingungen, sozialer Sicherheit
und Steuern Rechnung tragen. In der Organisation des Aus- und Einwanderungswesens
soll das Zusammenleben der Familie in jeder Weise sichergestellt sein4. Die Familie selbst empfing von Gott die Sendung, Grund
und Lebenszelle der Gesellschaft zu sein. Diese Sendung wird sie erfüllen, wenn
sie sich in der gegenseitigen Liebe ihrer Glieder und im gemeinsamen Gebet vor
Gott als häusliches Heiligtum der Kirche erweist; wenn sich die ganze Familie
in den liturgischen Gottesdienst der Kirche eingliedert; wenn schließlich die
Familie zu echter Gastfreundschaft bereit ist, Gerechtigkeit und andere gute
Werke zum Dienst aller notleidenden Brüder fördert. Unter den verschiedenen
Werken des Familienapostolates seien folgende genannt: verlassene Kinder an
Kindes Statt annehmen, Fremde freundlich aufnehmen, bei der Gestaltung des
Schullebens helfend mitwirken, Heranwachsenden mit Rat und Tat zur Seite
stehen, Brautleuten zu einer besseren Ehevorbereitung helfen, in der Katechese
mitarbeiten, Eheleute und Familien in materieller und sittlicher Not stützen,
alte Menschen nicht nur mit dem Notwendigen versehen, sondern ihnen auch einen
angemessenen Anteil am wirtschaftlichen Fortschritt zukommen lassen. Immer und
überall, besonders aber in den Gegenden, in denen der Same des Evangeliums zum
erstenmal ausgestreut wird, die Kirche erst in ihren Anfängen steht oder sich
in einer irgendwie bedrohlichen Lage befindet, legen christliche Familien vor
der Welt ein überaus kostbares Zeugnis für Christus ab, wenn sie durch ihr
ganzes Leben dem Evangelium verbunden sind und das Beispiel einer christlichen
Ehe geben5. Um die Ziele ihres
Apostolates leichter erreichen zu können, kann es zweckmäßig sein, daß sich die
Familien zu Gruppen zusammenschließen6.
12.
Die Jugend hat in der heutigen Gesellschaft einen sehr bedeutsamen Einfluß7. Dabei sind ihre Lebensverhältnisse, ihre Geisteshaltung
und die Bindungen zur eigenen Familie weitgehend geändert. Oft wechseln die
Jugendlichen viel zu schnell in eine neue gesellschaftliche und wirtschaftliche
Situation hinein. Während aber ihre soziale und auch ihre politische Bedeutung
von Tag zu Tag wächst, scheinen sie für eine entsprechende Übernahme der neuen
Belastungen nicht gerüstet. Diese ihre gesteigerte Gewichtigkeit in der
Gesellschaft fordert von ihnen ein ähnlich gesteigertes apostolisches Wirken.
Ihre eigene natürliche Art macht sie dazu ja auch geeignet. Im wachsenden
Bewußtsein der eigenen Persönlichkeit, getrieben von vitaler Begeisterung und
überschäumendem Tatendrang, übernehmen sie eigene Verantwortung, begehren sie
ihren Anteil am sozialen und kulturellen Leben: Wenn dieser Eifer vom Geist
Christi, von Gehorsam und Liebe gegenüber den Hirten der Kirche erfüllt ist,
kann man davon überreiche Frucht erhoffen. Junge Menschen selbst müssen die
ersten und unmittelbarenm Apostel der Jugend werden und in eigener
Verantwortung unter ihresgleichen apostolisch wirken, immer unter Berücksichtigung
des sozialen Milieus, in dem sie leben8. Die Erwachsenen mögen
dafür Sorge tragen, mit den Jugendlichen in ein freundschaftliches Gespräch zu
kommen, das beiden Teilen erlaubt, den Altersabstand zu überwinden, sich
gegenseitig kennenzulernen und die je eigenen reichen Werte einander
mitzuteilen. Die Erwachsenen mögen die Jugend zunächst durch ihr Beispiel, bei
gegebener Gelegenheit auch durch klugen Rat und tatkräftige Hilfe zum Apostolat
anregen. Die Jugendlichen mögen sich um Achtung und Vertrauen gegenüber den
Erwachsenen bemühen; und wenn sie auch von Natur aus dem jeweils Neuen
zuneigen, mögen sie doch auch lobenswerte Überlieferungen geziemend achten.
Auch die Kinder haben schon eine ihnen eigentümliche apostolische Betätigung.
Ihren Kräften entsprechend sind sie wahre Zeugen für Christus unter ihren
Kameraden.
13.
Das Apostolat im sozialen Milieu, nämlich das Bemühen, Mentalität und Sitte,
Gesetz und Strukturen der Gemeinschaft, in der jemand lebt, im Geist Christi zu
gestalten, ist so sehr Aufgabe und Pflicht der Laien, daß sie durch andere
niemals entsprechend erfüllt werden kann. In diesem Bereich können die Laien
ein Apostolat unter ihresgleichen ausüben. Hier ergänzen sie das Zeugnis des
Lebens durch das Zeugnis des Wortes9. Hier im Bereich der
Arbeit, des Berufes, des Studiums, der Wohnstätte, der Freizeit, des
kameradschaftlichen Zusammenseins, sind sie eher imstande, ihren Brüdern zu
helfen. Diese Sendung der Kirche in der Welt erfüllen die Laien vor allem durch
jene Einheit von Leben und Glauben, durch die sie zum Licht der Welt werden;
durch die Rechtschaffenheit in all ihrem Tun, in der sie alle für die Liebe zum
Wahren und Guten und schließlich für Christus und die Kirche gewinnen; durch
eine brüderliche Liebe, die sie am Leben, Arbeiten, Leiden und Sehnen ihrer
Brüder teilnehmen läßt und in der sie die Herzen aller allmählich und
unaufdringlich für das Wirken der Heilsgnade vorbereiten; endlich durch jenes
volle Bewußtsein ihres Anteils am Aufbau der Gesellschaft, in dem sie ihre
häusliche, gesellschaftliche und berufliche Tätigkeit mit christlichem Großmut
auszuüben trachten. So durchdringt ihre Art zu handeln allmählich das ganze
Lebens- und Arbeitsmilieu. Dieses Apostolat muß alle umfassen, die in jenem
Milieu leben. Es darf auch kein erreichbares geistliches oder zeitliches Gut
ausschließen. Aber die wahren Apostel begnügen sich nicht mit solchem Tun; sie
sind darüber hinaus bestrebt, Christus auch durch ihr Wort ihren Nächsten zu
verkünden. Viele Menschen kommen ja nur durch ihnen nahestehende Laien dazu,
das Evangelium zu hören und Christus zu erkennen.
14.
Ein unermeßliches Feld des Apostolates tut sich im nationalen und internationalen
Bereich auf, wo vor allem die Laien Mitarbeiter der christlichen Weisheit sind.
In Liebe gegenüber ihrer Nation und in treuer Erfüllung ihrer bürgerlichen
Aufgaben sollen die Katholiken sich verpflichtet wissen, das wahre Gemeinwohl
zu fördern und das Gewicht ihrer Meinung stark zu machen, damit die staatliche
Gewalt gerecht ausgeübt wird und die Gesetze der sittlichen Ordnung und dem
Gemeinwohl entsprechen. Katholiken, die in öffentlichen Fragen sachverständig
und in Glauben und christlicher Lehre entsprechend gefestigt sind, mögen sich
der Übernahme öffentlicher Aufgaben nicht versagen. Durch deren gute Erfüllung
dienen sie dem Gemeinwohl und können zugleich dem Evangelium einen Weg bahnen.
Die Katholiken seien bestrebt, mit allen Menschen guten Willens
zusammenzuarbeiten zur Förderung alles dessen, was wahr, gerecht, heilig und
liebenswert ist (vgl. Phil 4,8). Sie mögen mit ihnen im Gespräch bleiben, sie
an Kenntnis und Menschlichkeit übertreffen und nachforschen, wie man die
gesellschaftlichen und öffentlichen Einrichtungen im Geist des Evangeliums
vervollkommnen kann. Unter den charakteristischen Zeichen unserer Zeit verdient
der wachsende und unwiderstehliche Sinn für die Solidarität aller Völker
besondere Beachtung; ihn sorgsam zu fördern und in eine reine und wahre
Leidenschaft der Brüderlichkeit zu läutern ist eine Aufgabe des
Laienapostolates. Zudem müssen die Laien den internationalen Bereich mit all
den theoretischen und praktischen Fragen und Lösungen im Auge behalten, die
darin anstehen, vor allem im Hinblick auf die Völker in den
Entwicklungsländern10. Alle, die in fremden Nationen arbeiten oder
helfen, sollen bedenken, daß die Beziehungen zwischen den Völkern ein wirklich
brüderlicher Austausch sein müssen, bei dem beide Teile zugleich geben und
empfangen. Wer aber auf Reisen ist mögen internationale Angelegenheiten,
wirtschaftliche Interessen oder Freizeit der Anlaß dazu sein -, soll bedenken,
daß er überall auch wandernder Bote Christi ist; er soll sich als solcher auch
in der Tat verhalten.
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