5. Kapitel: Das Neue Testament
17.
Das Wort Gottes, Gottes Kraft zum Heil für jeden, der glaubt (vgl. Röm 1,16),
kommt zu einzigartiger Darstellung und Kraftentfaltung in den Schriften des Neuen
Bundes; denn als die Fülle der Zeit kam (vgl. Gal 4,4), ist das Wort Fleisch
geworden und hat unter uns gewohnt, voll Gnade und Wahrheit (vgl. Joh 1,14).
Christus hat das Reich Gottes auf Erden wiederhergestellt, in Tat und Wort
seinen Vater und sich selbst geoffenbart und sein Werk durch Tod, Auferstehung,
herrliche Himmelfahrt und Sendung des Heiligen Geistes vollendet. Von der Erde
erhöht zieht er alle an sich (vgl. Joh 12,32 griech.); denn er allein hat Worte
des ewigen Lebens (vgl. Joh 6,68). Anderen Geschlechtern ward dieses Geheimnis
nicht kundgetan, wie es nun geoffenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und
Propheten im Heiligen Geist (vgl. Eph 3,4-6 griech.), damit sie das Evangelium
verkünden, den Glauben an Jesus als Christus und Herrn wecken und die Kirche
sammeln. Dafür sind die Schriften des Neuen Bundes das unvergängliche und
göttliche Zeugnis.
18.
Niemandem kann es entgehen, daß unter allen Schriften, auch unter denen des
Neuen Bundes, den Evangelien mit Recht ein Vorrang zukommt. Denn sie sind das
Hauptzeugnis für Leben und Lehre des fleischgewordenen Wortes, unseres
Erlösers. Am apostolischen Ursprung der vier Evangelien hat die Kirche immer
und überall festgehalten und hält daran fest; denn was die Apostel nach Christi
Gebot gepredigt haben, das haben später unter dem Anhauch des Heiligen Geistes
sie selbst und Apostolische Männer uns als Fundament des Glaubens schriftlich
überliefert: das viergestaltige Evangelium nach Matthäus, Markus, Lukas und
Johannes1.
19.
Unsere heilige Mutter, die Kirche, hat entschieden und unentwegt daran
festgehalten und hält daran fest, daß die vier genannten Evangelien, deren
Geschichtlichkeit sie ohne Bedenken bejaht, zuverlässig überliefern, was Jesus,
der Sohn Gottes, in seinem Leben unter den Menschen zu deren ewigem Heil
wirklich getan und gelehrt hat bis zu dem Tag, da er aufgenommen wurde (vgl.
Apg 1,1-2). Die Apostel haben nach der Auffahrt des Herrn das, was er selbst
gesagt und getan hatte, ihren Hörern mit jenem volleren Verständnis
überliefert, das ihnen aus der Erfahrung der Verherrlichung Christi und aus dem
Licht des Geistes der Wahrheit2 zufloß3. Die biblischen Verfasser aber haben die vier Evangelien
redigiert, indem sie einiges aus dem vielen auswählten, das mündlich oder auch
schon schriftlich überliefert war, indem sie anderes zu Überblicken
zusammenzogen oder im Hinblick auf die Lage in den Kirchen verdeutlichten,
indem sie schließlich die Form der Verkündigung beibehielten, doch immer so,
daß ihre Mitteilungen über Jesus wahr und ehrlich waren4. Denn ob sie nun aus eigenem Gedächtnis und Erinnern
schrieben oder auf Grund des Zeugnisses jener, "die von Anfang an
Augenzeugen und Diener des Wortes waren", es ging ihnen immer darum, daß
wir die,Wahrheit" der Worte erkennen sollten, von denen wir Kunde erhalten
haben (vgl. Lk 1,2-4).
20. Der neutestamentliche Kanon umfaßt
außer den vier Evangelien auch die Briefe des heiligen Paulus und andere
apostolische Schriften, die unter der Eingebung des Heiligen Geistes verfaßt
sind. In ihnen wird nach Gottes weisem Ratschluß die Botschaft von Christus dem
Herrn bestätigt, seine echte Lehre mehr und mehr erklärt, die heilbringende
Kraft des göttlichen Werkes Christi verkündet; die Anfänge der Kirche und ihre
wunderbare Ausbreitung werden erzählt und ihre herrliche Vollendung vorausverkündet.
Denn der Herr Jesus ist bei seinen Aposteln geblieben, wie er verheißen hatte
(vgl. Mt 28,20), und hat ihnen als Beistand den Geist gesandt, der sie in die
Fülle der Wahrheit einführen sollte (vgl. Joh 16,13).
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