ARTIKEL 4
VIELFALT DER LITURGIE -EINHEIT DES MYSTERIUMS
Liturgische Traditionen und
Katholizität der Kirche
1200 Von der
ersten Gemeinde von Jerusalem an bis zur Wiederkunft Christi feiern die Kirchen
Gottes, die dem apostolischen Glauben treu sind, überall das gleiche
Pascha-Mysterium. Das Mysterium, das in der Liturgie gefeiert wird, ist nur
eines; nur die Formen seiner Feier sind unterschiedlich.
1201 Das
Mysterium Christi ist von so unerschöpflichem Reichtum, daß keine liturgische
Tradition es vollkommen und ganz zum Ausdruck bringen kann. Die Geschichte der
Entstehung und Entwicklung der Riten zeugt von einer erstaunlichen sich
ergänzenden Vielfalt. Solange die Kirchen in diesen liturgischen Traditionen in
der Gemeinschaft im Glauben und in den Sakramenten des Glaubens lebten,
bereicherten sie einander und erstarkten in der Treue zur Überlieferung und zur
gemeinsamen Sendung der ganzen Kirche [Vgl. EN 63-64].
1202 Die
verschiedenen liturgischen Überlieferungen sind aus der Sendung der Kirche
erwachsen. Die Kirchen ein und desselben geographischen und kulturellen Bereichs
begannen allmählich, das Mysterium Christi in besonderen, kulturell geprägten
Ausdrucksformen zu feiern. Unterschiede in den Formen finden sich bei der Art
und Weise der Überlieferung des Glaubens gutes [Vgl. 2 Tim 1,14], in der
liturgischen Symbolik, im Aufbau der brüderlichen Gemeinschaft, im
theologischen Verständnis der Mysterien und in Formen der Heiligkeit. So wird
durch das liturgische Leben einer bestimmten Kirche Christus, das Licht und
Heil aller Völker, dem. Volk und der Kultur geoffenbart, zu denen diese Kirche
gesandt und in denen sie verwurzelt ist. Die Kirche ist allumfassend: sie kann
alle wahren Reichtümer der Kulturen läutern und so in ihre Einheit einbinden
[Vgl. LG 23; UR 4].
1203 Die
liturgischen Überlieferungen oder Riten, die gegenwärtig in der Kirche im
Gebrauch stehen, sind: der lateinische Ritus (vor allem der römische Ritus,
aber auch die Riten gewisser Ortskirchen wie der ambrosianische Ritus, oder die
Riten einzelner Orden) ‚ der byzantinische, der alexandrinische oder koptische,
der syrische, der armenische, der maronitische und der chaldäische Ritus. „Der
Überlieferung treu folgend, erklärt das Hochheilige Konzil ...‚ daß die heilige
Mutter Kirche allen rechtlich anerkannten Riten gleiches Recht und gleiche Ehre
zuerkennt und will, daß sie in Zukunft erhalten und in jeder Weise gefördert
werden" (SC 4).
Liturgie und Kulturen
1204 Die Feier
der Liturgie soll dem Geist und der Kultur der verschiedenen Völker entsprechen
[Vgl. SC 37-40]. Damit das Mysterium Christi allen Völkern kundgemacht werde,
um sie „zum Gehorsam des Glaubens zu führen" (Röm 16,26), muß es in allen
Kulturen verkündet, gefeiert und gelebt werden. Die Kulturen werden dabei durch
das Mysterium nicht aufgehoben, sondern erlöst und vollendet [Vgl. CT 53].
Durch ihre eigene, von Christus angenommene und verklärte menschliche Kultur
haben die vielen Kinder Gottes Zugang zum Vater und verherrlichen ihn in dem
einen Geist.
1205 „Die Anpassung
muß der Tatsache Rechnung tragen, daß es in der Liturgie, und vornehmlich in
der Liturgie der Sakramente, einen unveränderlichen Bestandteil gibt, weil er
göttlichen Ursprungs ist, über den die Kirche zu wachen hat. Daneben gibt es
Bestandteile, die verändert werden können und die die Kirche an die Kulturen
der neuevangelisierten Völker anpassen kann und mitunter auch muß [Vgl. SC 21]" (Johannes Paul II., Ap. Schr.
„Vicesimus quintus annus" 16).
1206 „Die
liturgische Vielfalt kann bereichernd wirken, aber auch Spannungen,
gegenseitige Mißverständnisse und selbst Spaltungen hervorrufen.
Selbstverständlich darf in diesem Bereich die Verschiedenheit nicht die Einheit
beeinträchtigen. Sie darf sich nur äußern innerhalb des treuen Festhaltens am
gemeinsamen Glauben, an den sakramentalen Zeichen, welche die Kirche von
Christus erhalten hat, und an der hierarchischen Gemeinschaft. Die Anpassung an
die Kulturen erfordert eine Bekehrung des Herzens und notfalls die Aufgabe von
altüberlieferten Bräuchen, die mit dem katholischen Glauben unvereinbar
sind" (ebd.)
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