II Das Wesen der Sünde
1849 Die Sünde
ist ein Verstoß gegen die Vernunft, die Wahrheit und das rechte Gewissen; sie
ist eine Verfehlung gegen die wahre Liebe zu Gott und zum Nächsten aufgrund
einer abartigen Anhänglichkeit an gewisse Güter. Sie verletzt die Natur des
Menschen und die menschliche Solidarität. Sie wurde definiert als „ein Wort,
eine Tat oder ein Begehren im Widerspruch zum ewigen Gesetz" (Augustinus,
Faust. 22, 27) [Vgl. Röm 1,28-32; 1 Kor 6,9-10; Eph 5,3-5; Kot 3,5-8; 1 Tim
1,9-10; 2Tim 3,2-5].
1850 Die Sünde
ist eine Beleidigung Gottes: „Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe
getan, was dir mißfällt" (Ps 51,6). Die Sünde lehnt sich gegen die Liebe
Gottes zu uns auf und wendet unsere Herzen von ihm ab. Wie die Ursünde ist sie
ein Ungehorsam, eine Auflehnung gegen Gott durch den Willen, „wie Gott" zu
werden und dadurch Gut und Böse zu erkennen und zu bestimmen (Gen 3,5). Die
Sünde ist somit „die bis zur Verachtung Gottes gesteigerte Selbstliebe"
(Augustinus, civ. 14,28). Die Sünde ist wegen dieser stolzen Überheblichkeit
dem Gehorsam Jesu [Vgl. Phil 2,6-9], der das Heil wirkt, völlig
entgegengesetzt.
1851 Gerade in
der Passion, in der die Barmherzigkeit Christi die Sünde überwindet, zeigt sich
am besten, wie gewalttätig und vielgestaltig diese ist: Unglaube, mörderischer
Haß, Verstoßung und Verspottung durch die Führer und das Volk, Feigheit des
Pilatus und Grausamkeit der Soldaten, der für Jesus so bittere Verrat des
Judas, die Verleugnung durch Petrus und die Flucht der Jünger. Doch gerade in
der Stunde der Finsternis und des Fürsten dieser Welt [Vgl. Joh 14,30] wird das
Opfer Christi im Verborgenen zur Quelle, aus der unerschöpflich die Vergebung
unserer Sünden strömt.
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