II Bittgebet
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Bezeichnungen für die Bitte sind im Neuen Testament vielfältig: bitten,
ersuchen, flehen, anrufen, schreien, laut schreien, ja sogar „im Gebet
kämpfen" [Vgl. Röm 15.30; Kol 4,12.]. Der gebräuchlichste und
naheliegendste Ausdruck ist jedoch „bitten". Im Bittgebet spricht sich das
Bewußtsein unserer Beziehung zu Gott aus. Wir sind Geschöpfe und darum weder
unser eigener Ursprung, noch Herr über unsere Lage und sind auch nicht unser
letztes Ziel. Als Sünder wissen wir Christen aber auch, daß wir uns immer
wieder von unserem Vater abwenden. Die Bitte ist schon eine Rückkehr zu Gott.
2630 Das Neue
Testament enthält kaum Klagegebete, wie sie im Alten Testament häufig
vorkommen. Im auferstandenen Christus ist das Gebet der Kirche von Hoffnung
getragen, auch wenn wir noch warten und uns Tag für Tag bekehren müssen. Das Im
Lateinischen hat das Wort „benedicere" die doppelte Bedeutung von
.‚segnen" und „preisen" (Anmerkung des Uhersetzers) christliche
Bitten entspringt einer größeren Tiefe. Der hl. Paulus nennt diesen
Ursprungsort des Bittens Seufzen und meint damit die Schöpfung, die „seufzt und
in Geburtswehen liegt" (Röm 8,22). Er meint auch uns, denn wir „seufzen in
unserem Herzen und warten darauf, daß wir mit der Erlösung unseres Leibes als
Söhne offenbar werden. Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung" (Röm
8,23-24). Der hl. Paulus meint schließlich den Heiligen Geist, der für uns
eintritt „mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können". Auf diese
Weise nimmt sich „der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht,
worum wir in rechter Weise beten sollen" (Röm 8,26).
2631 Die Bitte
um Vergebung ist die erste Regung des Bittgebetes. Sie findet sich etwa im
Gebet des Zöllners: „Gott, sei mir Sünder gnädig!" (Lk 18,13). Sie ist die
Voraussetzung zum rechtschaffenen und lauteren Beten. Vertrauensvolle Demut
stellt uns wieder in das Licht der Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn
Jesus Christus und damit in die Gemeinschaft unter uns Menschen [Vgl. 1 Joh
1,7-2,2]. Dann „empfangen wir von ihm" all das, „was wir erbitten" (1
Joh 3,22). Die Bitte um Vergebung muß der Eucharistiefeier und dem persönlichen
Gebet vorausgehen.
2632 Gemäß der
Lehre Jesu steht im Mittelpunkt des christlichen Bittens das Verlangen und die
Suche nach dem Reich Gottes [Vgl. Mt 6,10.33; Lk 11,2.13]. Dabei gibt es eine
Rangordnung der Bitten: Zuerst erbitten wir das Reich und dann alles, was uns
notwendig ist, um es aufzunehmen und an seinem Kommen mitzuarbeiten. Dieses
Mitwirken an der Sendung Christi und des Heiligen Geistes, die nun die Sendung
der Kirche ist, ist Gegenstand des Betens der apostolischen Gemeinde [Vgl. Apg 6.6:
13,3]. Das Gebet des Apostels Paulus zeigt uns, wie die göttliche Sorge um alle
Kirchen das christliche Gebet beseelen soll [Vgl. Röm 10,1; Eph 1,16-23; Phil
1,9-11; Kol 1,3-6;4,3-4.12]. Durch das Gebet arbeitet jeder Getaufte am Kommen
des Reich Gottes mit.
2633 Wer so an
der rettenden Liebe Gottes teilnimmt, begreift, daß jedes Bedürfnis Gegenstand
des Bittens werden kann. Christus, der alles angenommen hat, um alles zu
erlösen, wird durch die Bitten, die wir in seinem Namen dem Vater darbringen,
verherrlicht [Vgl. Joh 14,13]. Mit dieser Zuversicht ermahnen uns Jakobus [Vgl.
Jak 1,5-8.] und Paulus [Vgl. Eph 5,20; Phil 4,6-7; Kol 3, 16-17; 1 Thess 5,
17-18.], jederzeit zu beten.
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