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Ioannes Paulus PP. II Vita Consecrata IntraText CT - Text |
In einem Dynamismus der Treue
70. Es gibt eine Jugendlichkeit des Geistes, die zeitlich weiterbesteht: sie steht in Verbindung mit der Tatsache, dab der einzelne für jeden Lebensabschnitt eine andere zu erfüllende Aufgabe, eine besondere Seinsweise, eine besondere Art zu dienen und zu lieben sucht und findet.m geweihten Leben stellen die ersten Jahre der vollen Eingliederung in die apostolische Tätigkeit eine an und für sich kritische Phase dar, die gekennzeichnet ist vom Übergang aus einem gelenkten Leben in eine Situation der vollen tätigen Verantwortlichkeit. Es ist wichtig, dab junge Personen des geweihten Lebens von einem Mitbruder oder einer Mitschwester unterstützt und begleitet werden, der oder die ihnen helfen soll, die jugendliche Frische ihrer Liebe und ihrer Begeisterung für Christus voll zu leben.In der anschliebenden Phase kann sich das Risiko der Gewohnheit und die daraus folgende Versuchung zur Enttäuschung über die Dürftigkeit der Ergebnisse einstellen. Da gilt es nun, den Personen des geweihten Lebens des mittleren Lebensalters zu helfen, im Lichte des Evangeliums und der charismatischen Inspiration ihre ursprüngliche Option neu zu überdenken, wobei die Vollständigkeit der Hingabe nicht mit der Vollständigkeit des Ergebnisses verwechselt werden darf. Dadurch wird es möglich, der eigenen Entscheidung neuen Schwung und neue Motivationen zu geben. Es ist die Phase der Suche nach dem Wesentlichen.Die Phase des reifen Alters kann zusammen mit dem persönlichen Wachstum die Gefahr eines gewissen Individualismus mit sich bringen, der sowohl von der Furcht, nicht mehr in die Zeit zu passen, als auch von Phänomenen wie Erstarrung, Aufhören und Erschlaffung begleitet ist. Hier hat die ständige Weiterbildung den Zweck zu helfen, damit nicht nur eine höhere geistliche und apostolische Lebenshaltung wiedererlangt, sondern auch die besondere Eigenart dieser Lebensphase entdeckt wird. Nach Läuterung einiger Aspekte der Persönlichkeit steigt in dieser Lebensphase tatsächlich die Selbsthingabe mit gröberer Lauterkeit und Hochherzigkeit zu Gott empor und kommt ruhiger, diskreter und zugleich transparenter und gnadenreicher auf die Brüder und Schwestern nieder. Das ist das Geschenk und die Erfahrung der geistlichen Vater- und Mutterschaft. Das fortgeschrittene Alter wirft neue Probleme auf, denen man mit einem umsichtigen Programm der spirituellen Haltung vorbeugend begegnen mub. Das zunehmende Sich-Zurückziehen aus dem aktiven Wirken, in manchen Fällen Krankheit und notgedrungene Untätigkeit, stellen eine Erfahrung dar, die in hohem Mabe formend sein kann. Obwohl dieser Rückzug oft schmerzlich ist, bietet er der Person des geweihten Lebens dennoch die Gelegenheit, sich von der österlichen Erfahrung formen zu lassenund die Gestalt des gekreuzigten Christus anzunehmen, der in allem den Willen des Vaters erfüllt und sich in seine Händen gibt, bis er ihm den Geist zurückgibt. Diese Gleichgestaltung ist eine neue Weise, die Weihe an Gott zu leben, die nicht an die Effizienz einer Führungsaufgabe oder einer apostolischen Arbeit gebunden ist.Wenn dann der Augenblick kommt, um sich mit der letzten Stunde der Passion des Herrn zu vereinen, weib die Person des geweihten Lebens, dab der Vater in ihm jenen geheimnisvollen, vor langer Zeit eingeleiteten Bildungsprozeb nunmehr beendet. Der Tod wird nun als der letzte Akt der Liebe und Selbsthingabe erwartet und vorbereitet.Es mub hinzugefügt werden, dab jedes Alter, unabhängig von den verschiedenen Lebensphasen, kritische Situationen kennenlernen kann durch die Einwirkung äuberer Faktoren– Orts- oder Amtswechsel, Schwierigkeiten bei der Arbeit oder apostolischer Miberfolg, Unverständnis oder Ausgrenzung usw. –oder persönlicher Faktoren im engeren Sinn– physische oder psychische Erkrankung, geistliche Leere, Trauer, Probleme zwischenmenschlicher Beziehungen, starke Versuchungen, Glaubens- oder Identitätskrisen, Gefühl der Bedeutungslosigkeit, und ähnliches. Wenn die Treue schwieriger wird, mub dem einzelnen mehr Vertrauen und gröbere Liebe auf persönlicher wie gemeinschaftlicher Ebene als Hilfe entgegengebracht werden. Dabei ist vor allem die liebevolle Nähe des Oberen nötig; grober Trost wird auch von der geeigneten Hilfe eines Bruders oder einer Schwester kommen, dessen oder deren zuvorkommende und bereite Anwesenheit zur Wiederentdeckung des Sinnes des Bundes führen kann, den Gott als erster geschlossen hat und nicht zu widerrufen gedenkt. So wird der Geprüfte schlieblich Läuterung und Entäuberung als wesentliche Handlungen der Nachfolge des gekreuzigten Christus annehmen. Die Prüfung selbst wird ihm als Ausbildungsmittel der Vorsehung in den Händen des Vaters erscheinen, nicht nur als psychologischer Kampf, der vom Ich mit Bezug auf sich selbst und auf seine Schwächen geführt wird, sondern als religiöser Kampf, der jeden Tag von der Gegenwart Gottes und von der Macht des Kreuzes gekennzeichnet ist!