Jesus im Tempel
15. Seit der Verkündigung befand sich Josef zusammen mit
Maria gewissermaßen im Innersten des von Ewigkeit her in Gott
verborgenenen Geheimnisses, das Menschengestalt angenommen hatte: »Das
Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt« (Joh 1, 14). Es
wohnte mitten unter den Menschen, und sein Lebensbereich war die heilige
Familie von Nazaret - eine der vielen Familien dieses Städtchens in Galiläa,
eine der vielen Familien Israels. Dort wuchs Jesus heran und »wurde kräftig;
Gott erfüllte ihn mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm« (Lk 2,
40). Die Evangelien fassen in wenigen Worten den langen Zeitraum des
»verborgenen« Lebens zusammen, während dessen sich Jesus auf seine
messianische Sendung vorbereitete. Ein einziger Augenblick entzieht sich dieser
»Verborgenheit« und wird vom Lukasevangelium beschrieben: das
Paschafest in Jerusalem, als Jesus zwölf Jahre alt war.
Jesus nahm als junger Pilger mit Maria und Josef an
diesem Fest teil. »Nachdem die Festtage zu Ende waren, machten sie sich auf den
Heimweg. Der junge Jesus aber blieb in Jerusalem, ohne daß seine Eltern es
merkten« (Lk 2, 43). Nach einem Tag bemerkten sie es und begannen ihn,
»bei den Verwandten und Bekannten« zu suchen: »Nach drei Tagen fanden sie
ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte
Fragen. Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über
seine Antworten« (Lk 2, 46-47). Maria fragte: »Kind, wie konntest du uns
das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht« (Lk
2, 48). Die Antwort Jesu war so, daß die beiden »nicht verstanden, was er damit
sagen wollte«. Er hatte gesagt: »Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht,
daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehort?« (Lk 2, 49-50)
Diese Antwort hörte Josef, in bezug auf den Maria soeben
»dein Vater« gesagt hatte. Tatsächlich redeten und dachten alle so: »Man hielt
Jesus für den Sohn Josefs« (Lk 3, 23). Nichtsdestoweniger sollte die
Antwort Jesu im Tempel dem »mutmaßlichen Vater« wieder ins Bewußtsein
zurückrufen, was er eines Nachts vor zwölf Jahren vernommen hatte: »Josef, ...
fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind,
das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Bereits seit damals wußte er, daß
er Hüter des Geheimnisses Gottes war, und der zwölfjährige Jesus rief ihm
genau dieses Geheimnis ins Gedächtnis zurück: »Ich muß in dem sein, was
meinem Vater gehört«.
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