18. Der »gerechte« Mann aus Nazaret besitzt vor allem die klaren Wesensmerkmale
des Ehemannes. Der Evangelist spricht von Maria als »einer Jungfrau, die mit
einem Mann namens Josef verlobt war« (Lk 1, 27). Ehe »das Geheimnis, das
von Ewigkeit an in Gott verborgen war« (Eph 3, 9), Wirklichkeit zu
werden beginnt, stellen uns die Evangelien das Bild des Ehemannes und der
Ehefrau vor Augen. Nach der Gepflogenheit des jüdischen Volkes wurde die
Eheschließung in zwei Abschnitten vollzogen: zuerst wurde die gesetzliche
Eheschliessung (eigentliche Ehe) gefeiert, und erst nach einiger Zeit nahm der
Mann die Frau zu sich in sein Haus. Bevor Josef mit Maria zusammenlebte, war er
also bereits ihr »Mann«; Maria jedoch bewahrte in ihrem Innersten das
Verlangen, sich auschließich an Gott ganz hinzugeben. Man könnte sich
fragen, wie sich dieses Verlangen mit der »Vermählung« in Einklang bringen
lasse. Die Antwort kommt einzig und allein von der Entwicklung des
Heilsgeschehens, das heißt vom besonderen Handeln Gottes selbst. Bereits im
Augenblick der Verkündigung weiß Maria, daß sie ihr jungfräuliehes Verlangen,
sich ausschließlich und vollständig Gott hinzugeben, verwirklichen muß,
eben weil sie Mutter des Sohnes Gottes werden soll. Die Mutterschaft
durch das Wirken des Heiligen Geistes ist die Form der Hingabe, die Gott selbst
von der Jungfrau, die mit Josef »verlobt ist«, erwartet. Maria spricht ihr fiat.
Der Umstand, daß sie mit Josef »verlobt« ist, ist in
dem Plan Gottes enthalten. Darauf weisen die beiden von uns zitierten
Evangelisten, besonders aber Matthäus, hin. Die an Josef gerichteten Worte sind
sehr bezeichnend: »Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu
nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist« (Mt 1,
20). Sie erläutern das Geheimnis der Frau Josefs: Maria ist trotz ihrer
Mutterschaft Jungfrau. In ihr nimmt »der Sohn des Höchsten« einen menschlichen
Leib an und wird »der Menschensohn«.
AIs sich Gott mit den
Worten des Engels an Josef wendet, wendet er sich an ihn als den Mann
der Jungfrau aus Nazaret. Was sich in ihr durch das Wirken des Heiligen
Geistes vollzogen hat, ist zugleich Ausdruck und besondere Bestätigung der
ehelichen Bindung, die bereits vorher zwischen Josef und Maria bestand. Der
Himmelsbote sagt ganz klar zu Josef: »Fürchte dich nicht, Maria als deine
Frau zu dir zu nehmen«. Das, was vorher geschehen war - seine Vermählung
mit Maria - war also nach dem Willen Gottes geschehen und wurde daher bewahrt.
In ihrer Gottesmutterschaft muß Maria als »eine Jungfrau und Frau eines Mannes«
(vgl. Lk 1, 27) weiterleben.
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