27. Die Lebensgemeinschaft zwischen Josef und Jesus läßt uns noch einmal das
Geheimnis der Menschwerdung eben unter dem Gesichtspunkt des Menschseins
Christi als wirksames Werkzeug der Göttlichkeit zur Heiligung der Menschen
betrachten: »Kraft seiner Göttlichkeit waren die menschlichen Handlungen
Christi für uns heilbringend, indem sie, sei es wegen des Verdienstes oder
aufgrund einer gewissen Wirksamkeit, in uns die Gnade
verursachten«.(39)
Unter diesen Handlungen geben die Evangelisten jenen den
Vorrang, die das Ostergeheimnis betreffen, unterlassen es aber nicht, die
Bedeutung der physischen Berührung mit Jesus in bezug auf die Heilungen (vgl.
z.B. Mk 1, 41) und den Einfluß hervorzuheben, den er auf Johannes den
Täufer ausübte, als beide noch im Mutterschoß waren (vgl. Lk 1, 41-44).
Das apostolische Zeugnis hat - wie man sieht - die
Erzählung von der Geburt Jesu, von der Beschneidung, von der Darbringung im
Tempel, von der Flucht nach Ägypten und vom verborgenen Leben in Nazaret nicht
vernachlässigt, wegen des in solchen »Geschehnissen« enthaltenen »Geheimnisses«
der Gnade, die alle Heilscharakter besitzen, weil sie an derselben Quelle der
Liebe teilhaben: der Göttlichkeit Christi. Wenn sich diese Liebe durch sein
Menschsein über alle Menschen ausbreitete, so waren davon wohl an erster Stelle
diejenigen gesegnet, die der göttliche Wille in die engste, vertraulichste Nähe
zu ihm gestellt hatte: Maria, seine Mutter, und Josef, der vermeintliche
Vater.( 40)
Wie soll man, da die »väterliche« Liebe Josefs nicht ohne
Einfluß auf die »kindliche« Liebe Jesu und umgekehrt die »kindliche« Liebe Jesu
nicht ohne Einfluß auf die »väterliche« Liebe Josefs bleiben konnte, in die
Tiefgründigkeit dieser einzigartigen Beziehung vordringen? Die für die
Anregungen der göttlichen Liebe empfänglichsten Seelen sehen mit Recht in Josef
ein leuchtendes Beispiel inneren Lebens.
Außerdem wird die scheinbare Spannung zwischen dem
tätigen und dem beschaulichen Leben in ihm in idealer Weise überwunden, was nur
dem möglich ist, der die Vollkommenheit der Liebe besitzt. Der bekannten
Unterscheidung zwischen der Liebe zur Wahrheit (caritas veritatis) und
der Notwendigkeit der Liebe (necessitas caritatis) folgend,( 41)
können wir sagen, daß Josef sowohl die Liebe zur Wahrheit, das heißt die
reine betrachtende Liebe zur göttlichen Wahrheit, die vom Menschsein Christi
ausstrahlte, gelebt hat als auch die Notwendigkeit der Liebe, das heißt
die ebenso reine Liebe des Dienstes, den die Obhut und Entfaltung eben dieses
Menschseins von ihm verlangte.
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