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Ioannes Paulus PP. II
Christifideles Laici

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  • DRITTES KAPITEL
    • 34
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Die Stunde fordert eine neue Evangelisierung

34. Ganze Länder und Nationen, in denen früher Religion und christliches Leben blühten und lebendige, glaubende Gemeinschaften zu schaffen vermochten, machen nun harte Proben durch und werden zuweilen durch die fortschreitende Verbreitung des Indifferentismus, Säkularismus und Atheismus entscheidend geprägt. Es geht dabei vor allem um die Länder und Nationen der sogenannten Ersten Welt, in der der Wohlstand und der Konsumismus, wenn auch von Situationen furchtbarer Armut und Not begleitet, dazu inspirieren und veranlassen, so zu leben, »als wenn es Gott nicht gäbe«. Die religiöse Indifferenz und die fast inexistente religiöse Praxis, auch angesichts schwerer Probleme der menschlichen Existenz, sind nicht weniger besorgniserregend und zersetzend als der ausdrückliche Atheismus. Auch wenn der christliche Glaube in einigen seiner traditionellen und ritualistischen Ausdrucksformen noch erhalten ist, wird er mehr und mehr aus den bedeutsamsten Momenten des Lebens wie Geburt, Leid und Tod ausgeschlossen. Daraus ergeben sich gewaltige Rätsel und Fragestellungen, die unbeantwortet bleiben und den modernen Menschen vor trostlose Enttäuschungen stellen oder in die Versuchung führen, das menschliche Leben, das sie aufgibt, zu zerstören.

In anderen Gebieten und Ländern dagegen sind bis heute die traditionelle christliche Volksfrömmigkeit und -religiosität lebendig erhalten; dieses moralische und geistliche Erbe droht aber in der Konfrontation mit komplexen Prozessen vor allem der Säkularisierung und der Verbreitung der Sekten verlorenzugehen. Nur eine neue Evangelisierung kann die Vertiefung eines reinen und festen Glaubens gewährleisten, der diese Traditionen zu einer Kraft wahrer Befreiung zu machen vermag.

Es ist mit Sicherheit notwendig, überall die christliche Substanz der menschlichen Gesellschaft zu erneuern. Voraussetzung dafür ist aber die Erneuerung der christlichen Substanz der Gemeinden, die in diesen Ländern und Nationen leben.

Aufgrund ihrer Teilhabe am prophetischen Amt Christi werden die Laien ganz in diese Aufgabe der Kirche einbezogen. Ihnen kommt es in besonderer Weise zu, Zeugnis zu geben vom christlichen Glauben als einzige und wahre Antwort - die alle mehr oder weniger bewußt erkennen und nennen - auf die Probleme und Hoffnungen, die das Leben heute für jeden Menschen und für jede Gesellschaft einschließt. Dieses Zeugnis wird möglich, wenn es den Laien gelingt, den Gegensatz zwischen dem Evangelium und dem eigenen Leben zu überwinden und in ihrem täglichen Tun, in Familie, Arbeit und Gesellschaft eine Lebenseinheit zu erreichen, die im Evangelium ihre Inspiration und die Kraft zur vollen Verwirklichung findet.

Ich möchte heute erneut den leidenschaftlichen Anruf, mit dem ich mein Hirtenamt begonnen habe, allen modernen Menschen entgegenrufen: »Habt keine Angst! Öffnet, ja öffnet Christus weit die Türen! Öffnet die Grenzen der Staaten, die Wirtschaftssysteme und die politischen Systeme, die Bereiche der Kultur, der Zivilisation, der Entwicklung seiner heilbringenden Macht. Habt keine Angst. Christus weiß, "was im Menschen ist". Er allein weiß es! Der Mensch weiß heute oft nicht, was er in sich trägt im Tiefsten seiner Seele und seines Herzens. Darum fühlt er sich oft unsicher über den Sinn seines Lebens auf dieser Erde. Er wird von Zweifel erfüllt, die zur Verzweiflung werden. Laßt darum Christus - ich bitte und flehe euch demütig und vertrauensvoll an -, laßt ihn zu den Menschen sprechen.

Er allein hat Worte des Lebens, ja, des ewigen Lebens«.(124)

Christus weit die Türen zu öffnen, ihn im Raum der eigenen Menschlichkeit aufzunehmen, ist für den Menschen keine Bedrohung, sondern der einzige Weg, der zur Erkenntnis des Menschen in seiner ganzen Wahrheit und zur Anerkennung seiner Werte führt.

Den Laien ist es aufgegeben, eine lebensmäßige Synthese zwischen dem Evangelium und den täglichen Pflichten ihres Lebens zu schaffen. Diese wird zum leuchtendsten und überzeugendsten Zeugnis dafür, daß nicht die Angst, sondern die Suche nach Christus und der Anschluß an ihn entscheidend sind für das Leben und Wachsen des Menschen sowie für das Entstehen neuer Lebensmodelle, die seiner Würde entsprechen.

Gott liebt den Menschen! Diese einfache und erschütternde Verkündigung ist die Kirche dem Menschen schuldig. Das Wort und das Leben eines jeden Christen kann und muß diese Botschaft zum Klingen bringen: Gott liebt dich, Christus ist für dich gekommen, Christus ist für dich »der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14, 6)!

Diese neue Evangelisierung, die sich nicht nur an die einzelnen, sondern an ganze Teile der Bevölkerung in ihren jeweiligen Situationen, Milieus und Kulturen richtet, hat das Werden von reifen Gemeinden zum Ziel. In ihnen kann der Glaube seine volle ursprüngliche Bedeutung als persönliche Selbstübereignung an Christus und sein Evangelium, als sakramentale Begegnung und Gemeinschaft mit ihm, als in der Liebe und im Dienst verwirklichte Existenz zum Ausdruck bringen und verwirklichen.

Die Laien müssen beim Entstehen solcher Gemeinden ihren Beitrag einbringen. Sie tun es nicht nur durch ihre aktive und verantwortliche Teilnahme am Leben der Gemeinde und somit durch ihr unersetzliches Zeugnis, sondern auch mit ihrem missionarischen Eifer und Engagement denen gegenüber, die noch nicht glauben, oder die den Glauben, den sie in der Taufe empfangen haben, nicht mehr leben.

Den jüngeren Generationen sollen die Laien eine systematische Katechese als wertvolle und immer notwendigere Hilfe schenken. Die Synodenväter haben mit großer Dankbarkeit auf die Arbeit der Katecheten geschaut und anerkannt, daß ihnen »eine sehr bedeutende Aufgabe bei der Leitung der Gemeinden« zukommt.(125) Gewiß sind die christlichen Eltern, weil das Ehesakrament sie dazu befähigt, die ersten und unersetzlichen Katecheten ihrer Kinder. Wir müssen uns aber bewußt sein, daß jeder Getaufte das »Recht« hat, im christlichen Glauben und im christlichen Leben unterrichtet, erzogen und geführt zu werden.




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