Geht hinaus in die ganze Welt
35. Die Kirche erkennt und erlebt die augenblickliche
Dringlichkeit einer neuen Evangelisierung. Sie kann sich aber nicht dem bleibenden
Auftrag entziehen, das Evangelium all denen - den Millionen von Männern und
Frauen - die Christus, den Erlöser des Menschen, noch nicht kennen, zu
verkünden. Diese ausgesprochen missionarische Aufgabe hat Jesus seiner Kirche
anvertraut, und gibt er ihr täglich neu auf.
Die Mitwirkung der Laien hat auf diesem Gebiet nie
gefehlt. Heute aber wird sie immer notwendiger und wertvoller. Der Anruf des
Herrn: »Geht hinaus in die ganze Welt!« trifft heute noch viele hochherzige
Laien, die bereit sind, ihr Lebensmilieu, ihre Arbeit, ihr Land oder ihre
Heimat zu verlassen, um zumindest für eine bestimmte Zeit in ein Missionsgebiet
zu gehen. Auch christliche Eheleute geben bis heute nach dem Beispiel von
Aquila und Priscilla (vgl. Apg 18; Röm 16, 3 ff) durch ihre Präsenz und
Wirksamkeit in Missionsgebieten ein ermutigendes Zeugnis ihrer
leidenschaftlichen Liebe zu Christus und zur Kirche. Wahre missionarische
Präsenz ist auch das Leben derer, die sich aus verschiedenen Gründen in Milieus
aufhalten, in denen die Kirche noch keine Wurzeln gefaßt hat, und dort ihren
Glauben bezeugen.
Das missionarische Problem stellt sich heute in der
Kirche aber in einer solch großen Breite und Brisanz dar, daß nur eine wahrhaft
solidarische Mitverantwortung aller Glieder der Kirche, der einzelnen und der
Gemeinschaften auf eine wirksamere Antwort hoffen lassen kann.
Die Aufforderung des II. Vatikanischen Konzils an die
Teilkirchen behält ihre ganze Aktualität, ja sie muß umfassender und
entschiedener aufgenommen werden: »Da die Teilkirche ein getreues Abbild der
Gesamtkirche sein muß, soll sie sich auch ihrer Sendung an denjenigen, die mit
ihr im gleichem Raum leben und noch nicht an Christus glauben, wohl bewußt
sein«.(126)
Die Kirche muß heute auf dem Gebiet der Evangelisierung einen
großen Schritt nach vorne tun und in eine neue historische Etappe ihrer
missionarischen Dynamik eintreten. In einer Welt, die durch die Aufhebung der
Entfernungen immer kleiner wird, müssen die Gemeinden untereinander Verbindung
suchen, Kräfte und Mittel austauschen und sich miteinander in der einen und
gemeinsamen Sendung, das Evangelium zu künden und zu leben, engagieren. »Die
sogenannten jungen Kirchen« - meinten die Synodenväter - »bedürfen der Kräfte
der älteren Kirchen. Letztere aber brauchen das Zeugnis und den Elan der
Jüngeren, so daß die einzelnen Kirchen vom Reichtum der anderen schöpfen«.(127)
In dieser neuen Etappe stellt die Erziehung und
Ausbildung nicht nur des Ortsklerus, sondern auch reifer und verantwortlicher
Laien in den jungen Kirchen ein wesentliches und unverzichtbares Moment der plantatio
Ecclesiae dar.(128) So machen sich die evangelisierten Gemeinden selbst in
andere Teile der Welt auf, um die Sendung, das Evangelium Christi zu künden, zu
realisieren.
Die Laien können durch ihr Lebensbeispiel dazu beitragen,
die Qualität der Beziehungen zwischen Menschen verschiedener Religionen zu
verbessern. Die Synodenväter bemerkten dazu: »Die Kirche lebt heute überall
inmitten von Menschen verschiedener Religionen ... Alle Gläubigen und vor allem
die Laien, die, sei es in ihrer Heimat oder in Ländern, in die sie ausgewandert
sind, unter Völkern anderer Religionen leben, müssen für sie Zeichen des Herrn
und seiner Kirche sein, so wie es der Lebenssituation eines jeden Ortes
entspricht. Der Dialog zwischen den Religionen hat eine vorrangige Bedeutung,
weil er zur Liebe und zur gegenseitigen Ehrfurcht hinführt, die Vorurteile
unter den Gläubigen der verschiedenen Religionen abbaut oder zumindest
abschwächt und Einheit und Freundschaft zwischen den Völkern fördert«.(129)
Für die Evangelisierung der Welt bedürfen wir vor allem
der Evangelisatoren. Darum müssen wir alle, insbesondere die
christlichen Familien uns für das Erwachen und Reifen ausgesprochen
missionarischer Berufe - als Priester, Ordensleute oder im Laienstand -
verantwortlich halten. Wir müssen sie mit allen Mitteln fördern und vor allem
das von Jesus bevorzugte Mittel des Gebetes seinem Wort entsprechend nie
vernachlässigen: »Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter. Bittet
also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden« (Mt 9,
37-38).
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