Freiheit, den Namen Gottes
anzurufen
39. Die Ehrfurcht vor der Personwürde, die die
Verteidigung und Förderung der Menschenrechte einschließt, fordert die
Anerkennung der religiösen Dimension des Menschen. Diese ist keine lediglich
»konfessionelle« Forderung, sondern eine Notwendigkeit, die in der Realität des
Menschseins selbst ihre unausrottbare Wurzel hat. Das Verhältnis zu Gott ist in
der Tat Bestandteil des »Seins« und des »Existierens« des Menschen: in Gott
»leben wir, bewegen wir uns und sind wir« (Apg 17, 28). Wenn auch nicht
alle an diese Wahrheit glauben, haben die, die von ihr überzeugt sind, das
Recht auf Ehrfurcht gegenüber ihrem Glauben und ihren Lebensentscheidungen, die
sich auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene daraus ergeben. Dieses ist
das Recht auf Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit, dessen effektive
Anerkennung zu den höchsten Gütern und den schwersten Pflichten eines jeden
Volkes zählen, das in Wahrheit das Wohl des Menschen und der Gesellschaft
gewährleisten will: »Die Religionsfreiheit ist eine unverzichtbare Forderung
der Personwürde eines jeden Menschen. Sie stellt einen Eckstein im Gebäude der
Menschenrechte dar und ist darum ein unersetzlicher Faktor des Wohles der
Menschen und der ganzen Gesellschaft, sowie der persönlichen Verwirklichung
eines jeden. Daraus ergibt sich, daß die Freiheit der einzelnen und
Gemeinschaften, die eigene Religion bezeugen und praktizieren zu dürfen, ein
wesentlicher Bestandteil des friedlichen Miteinander unter den Menschen ist.
...
Das bürgerliche und gesellschaftliche Recht auf
Religionsfreiheit berührt die intimste Sphäre des Gewissens. Es kann darum zum
richtunggebenden Kriterium und in gewissem Sinn zum Maß der anderen Grundrechte
werden«.(141)
Die Synode hat die vielen Brüder und Schwestern, die sich
noch nicht dieses Rechtes erfreuen, nicht vergessen. Um des Bekenntnisses ihres
Glaubens willen müssen sie Unannehmlichkeiten, Marginalisierung, Leid,
Verfolgung und zuweilen den Tod auf sich nehmen. Die Mehrheit dieser Brüder und
Schwestern sind christliche Laien. Die Verkündigung des Evangeliums und das
christliche Lebenszeugnis im Leid und im Martyrium stellen die Höchstform des
Apostolates der Jünger Christi dar, so wie die Liebe zum Herrn Jesus bis hin
zur Hingabe des Lebens eine außerordentliche Quelle der Fruchtbarkeit für den
Aufbau der Kirche darstellt. Der mystische Weinstock zeigt so seine
Lebenskraft, wie der heilige Augustinus es hervorhebt: »Wie es von den
Propheten und vom Herrn selbst vorherverkündet worden war, wurde dieser Weinstock,
der seine fruchtbaren Reben in der ganzen Welt verbreitet, um so
lebenskräftiger, als er mit dem vielen Blut der Märtyrer begossen wurde«.(142)
Die gesamte Kirche ist dankbar für dieses Beispiel und
für diese Gabe: In diesen ihren Söhnen und Töchtern findet sie den Grund, um
die Dynamik ihres heiligen und apostolischen Lebens zu erneuern. In diesem Sinn
hielten die Synodenväter es für ihre besondere Pflicht, »jenen Laien zu danken,
die als unermüdliche Zeugen des Glaubens, trotz der Freiheitseinschränkungen
und des Verzichtes auf geweihte Amtsträger, in Treue zum Apostolischen Stuhl
stehen.
Sie setzen alles, sogar das eigene Leben auf das Spiel.
Die Laien geben auf diese Weise Zeugnis von einer wesentlichen Eigenschaft der
Kirche: Die Kirche Gottes wird aus der Gnade Gottes, und diese Wahrheit kommt
im Martyrium auf vorzügliche Weise zum Ausdruck«.(143)
Was wir bis jetzt über die Ehrfurcht vor der personalen
Würde und die Anerkennung der Menschenrechte gesagt, ist Verantwortung eines
jeden Christen, eines jeden Menschen. Wir müssen aber darauf hinweisen, daß
dieses Problem heute eine universelle Dimension kennt: es geht in der
Tat um eine Frage, die ganze Menschengruppen, ja ganze Völker, deren
Grundrechte gewaltsam zertreten werden, betrifft. Daraus ergeben sich in der
Entwicklung die Ungleichheiten zwischen den verschiedenen Welten, die in der
kürzlich erschienen Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis offen
angeprangert worden sind.
Die Ehrfurcht vor dem Menschen geht über die Forderung
einer individuellen Moral hinaus, sie stellt sich als Grundkriterium, gleichsam
als wichtigster Grundpfeiler der Struktur der Gesellschaft selbst dar, weil
diese ganz auf die Person hingeordnet ist.
So kommt zur Verantwortung, dem Menschen zu dienen, die,
der Gesellschaft zu dienen; beides als allgemeines Ziel der christlichen
Inspirierung des säkularen Bereiches, zu der die Laien in der ihnen eigenen und
spezifischen Modalität berufen sind.
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