Die Familie, erster Raum für das
soziale Engagement
40. Der Mensch kennt eine eingeborene, seiner Struktur
eingegebene soziale Dimension. Er ist von innen her zur Gemeinschaft mit
anderen und zur vollen Hingabe an sie berufen: »Gott, der väterlich für
alle sorgt, wollte, daß alle Menschen eine Familie bilden und einander in
brüderlicher Gesinnung begegnen«.(144) Die Gesellschaft, Frucht und
Zeichen der Soziabilität des Menschen, erreicht dann ihre volle
Wahrheit, wenn sie Gemeinschaft von Personen wird.
Zwischen Mensch und Gesellschaft besteht eine
Interdependenz und Reziprozität: was für die Person getan wird, ist Dienst an
der Gesellschaft, und was für die Gesellschaft getan wird, kommt der Person
zugute. Darum ist das apostolische Engagement der Laien in der zeitlichen
Ordnung immer und untrennbar zugleich Dienst am Menschen in seiner Einmaligkeit
und Unwiederholbarkeit und Dienst an allen Menschen
Die soziale Dimension des Menschen findet ihren ersten
und ursprünglichen Ausdruck im Ehepaar und in der Familie: »Gott hat den
Menschen nicht allein geschaffen: denn von Anfang an hat er ihn "als Mann
und Frau" geschaffen« (Gen 1, 27); ihre Verbindung schafft
die erste Form personaler Gemeinschaft.(145) Jesus wollte dem Ehepaar seine
volle Würde und der Familie ihre innere Festigkeit wieder zurückgeben (vgl. Mt
19, 3-9); der heilige Paulus hat die tiefe Beziehung zwischen der Ehe und
dem Geheimnis Christi und der Kirche aufgeschlossen (vgl. Eph 5, 22-6,
4;Kol 3, 18-21; 1 Petr 3, 1-7).
Ehepaar und Familie sind der primäre Ort des sozialen
Engagements der Laien. Ihnen kann nur von der Überzeugung ihres
unersetzlichen Wertes für die Entwicklung der Gesellschaft und der Kirche her
Rechnung getragen werden.
Als Wiege des Lebens und der Liebe, in der der Mensch
»geboren« wird und »wächst«, stellt die Familie die Grundzelle der Gesellschaft
dar.
Wenn Egoismus, Anti-Geburten-Propaganda, totalitäre
Politiken, moralische Armut, physische und kulturelle Not, hedonistische und
konsumistische Mentalitäten die Quelle des Lebens erdrosseln wollen, und die
ideologischen Systeme sich mit dem vielfältigen Mangel an Interesse und an
Liebe verbinden, um die Erziehungsaufgabe der Familie aufzuheben, muß dieser
Gemeinschaft besondere Sorge entgegengebracht werden.
Ein umfassender, tiefgehender und systematischer Einsatz,
der nicht nur durch die Kultur, sondern auch durch materielle Mittel und durch
die gesetzgebenden Organe unterstützt wird, ist erforderlich, damit die Familie
ihre Aufgabe als erster Ort der »Humanisierung« der Person und der
Gesellschaft erfüllen kann.
Das apostolische Engagement der Laien geht zunächst dahin,
in der Familie das Bewußtsein ihrer Identität als erste Zelle der Gesellschaft
und ihrer ursprünglichen Aufgabe in ihr zu wecken. Dadurch soll sie immer mehr
zum aktiven und verantwortlichen Protagonisten ihres Wachstums und ihrer
Teilnahme am Leben der Gesellschaft werden. Die Familie kann und muß von allen,
vor allem von den öffentlichen Autoritäten, Ehrfurcht vor den Rechten
verlangen, die die Gesellschaft retten können, weil sie die Familie retten.
Was im Apostolischen Schreiben Familiaris Consortio über
die Teilhabe an der Entwicklung der Gesellschaft aufgeführt wird,(146) und was
der Heilige Stuhl auf Bitten der Bischofssynode 1980 als »Charta der Rechte der
Familie« formuliert hat, beinhaltet ein vollständiges und organisches Programm
für alle Laien, die sich in verschiedenen Eigenschaften für die Förderung der
Werte und der Rechte der Familie einsetzen. Die Verwirklichung dieses Programms
muß um so dringender und entschiedener veranlaßt werden, als die Angriffe gegen
die Stabilität und die Fruchtbarkeit der Familie, sowie die Versuche, sie an
den Rand der Gesellschaft zu zwingen und ihre soziale Relevanz zu verkürzen,
tiefgreifenden und systematischen Charakter annehmen.
Die Erfahrung zeigt, daß Zivilisation und Festigkeit der
Völker vor allem durch die menschliche Qualität ihrer Familien bestimmt werden.
Darum gewinnt die apostolische Tätigkeit im Dienst der Familie eine
unvergleichliche soziale Bedeutung. Die Kirche ist zutiefst davon überzeugt.
Sie weiß: »Die Zukunft der Menschheit geht über die Familie«.(147)
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