Die Vielfalt der Berufungen
45. Nach dem Gleichnis des Evangeliums ruft der
»Gutsbesitzer« die Arbeiter zu verschiedenen Tagzeiten in seinen
Weinberg: einige beim Morgengrauen, andere gegen die neunte Stunde, andere noch
gegen Mittag und um die sechste und um die elfte Stunde (vgl. Mt 20, 1
ff). Im Kommentar zu dieser Perikope des Evangeliums interpretiert Gregor der
Große die verschiedenen Zeitpunkte der Berufung im Hinblick auf das Lebensalter:
»Die Verschiedenheit der Stunde« - schreibt er - »kann auf die
verschiedenen Alter des Menschen angewandt werden. In dieser unserer
Interpretation kann der Morgen die Kindheit darstellen. Die dritte Stunde kann
dann als die frühe Jugend verstanden werden: Die Sonne steigt am Himmel auf,
das heißt die Glut des Alters wächst. Die sechste Stunde ist die Jugend: Die
Sonne steht wie in der Mitte des Himmels, das heißt, daß sich in dem Alter die
Fülle der Kraft festigt. Das hohe Alter wird von der neunten Stunde
dargestellt, weil die Sonne von der Höhe heruntergeht, so wie dieses Alter die
Glut der Jugend verliert. Die elfte Stunde ist das Alter derer, die an Jahren
schon weit fortgeschritten sind ... Die Arbeiter werden zu verschiedenen
Stunden in den Weinberg gerufen, gleichsam um zu bedeuten, daß der eine schon
in der Kindheit zum Leben der Heiligkeit geführt wird, der andere in der
Jugend, ein anderer im Alter und noch ein anderer im hohen Alter«.(167)
Wir können den Kommentar des heilgen Gregor erweitern und
auf die außerordentliche Vielfalt der Formen einer Präsenz in der Kirche, von
denen alle und eine jede gerufen ist, je nach der Verschiedenheit der
Berufungen und Situationen, der Charismen und der Dienste für die Ankunft des
Reiches Gottes zu arbeiten anwenden. Diese Verschiedenheit ist nicht nur durch
das Alter, sondern auch durch die Verschiedenheit der Geschlechter und die
Vielfalt der Gaben, Berufungen und Lebenssituationen gegeben, und sie läßt den
Reichtum der Kirche konkreter und lebendiger werden.
|