Sendung in der Kirche und in der
Welt
51. Was die Teilhabe an der apostolischen Sendung der
Kirche anbelangt, besteht kein Zweifel darüber, daß die Frau - wie der Mann -
aufgrund von Taufe und Firmung Anteil hat am dreifachen Amt Christi, des
Priesters, Propheten und Königs und so zum fundamentalen Apostolat der Kirche,
zur Evangelisierung befähigt und verpflichtet ist. Andererseits ist die
Frau berufen, bei der Erfüllung dieses Apostolates ihre eigenen »Gaben«
einzubringen: zunächst durch das Wort und das Zeugnis des Lebens die Gabe ihrer
Personwürde und sodann die Gaben, die mit ihrer fraulichen Berufung gegeben
sind. In ihrer Teilhabe am Leben und an der Sendung der Kirche kann die Frau
das Sakrament des Ordo nicht empfangen, und somit die Funktionen, die
dem Amtspriestertum vorbehalten sind, nicht erfüllen. Diese Bestimmung hat die
Kirche immer aus dem eindeutigen, freien und souveränen Willen Jesu Christ, der
nur Männer zu seinen Aposteln berufen hat, herausgelesen,(188) eine Bestimmung,
die das Verhältnis Christi, des Bräutigams, zu seiner Kirche, seiner Braut,
erhellen kann.(189) Wir befinden uns hier auf der Ebene der Funktion und
nicht auf der Ebene der Würde und der Heiligkeit.
Von der Kirche gilt: »Sie besitzt zwar eine
"hierarchische" Struktur; doch diese ist ganz für die Heiligkeit der
Glieder Christi bestimmt«.(190)
Wie schon Paul VI. sagte, »können wir das Verhalten
unseres Herrn und die Berufung, die er den Frauen gegeben hat, nicht verändern.
Aber wir müssen die Aufgabe der Frau in der Sendung der Evangelisierung und im
Leben der christlichen Gemeinde erkennen und fördern«.(191)
Es ist notwendig, von der theoretischen Erkenntnis einer
aktiven und verantwortlichen Präsenz der Frau in der Kirche zur praktischen
Verwirklichung fortzuschreiten. Dieses Schreiben, das sich bewußt mit der
wiederholten Präzisierung »Männer und Frauen« an die Laien wendet, muß in
diesem Sinn gelesen werden. Das neue Kirchenrecht enthält verschiedene
Bestimmungen über die Teilnahme der Frau am Leben und an der Sendung der
Kirche. Sie müssen allgemeiner bekannt und unter Berücksichtigung der
verschiedenen kulturellen Sensibilitäten sowie pastoralen Opportunitäten
unmittelbarer und konsequenter angewandt werden. Man denke dabei zum Beispiel
an die Teilnahme von Frauen an Diözesan- und Pfarrpastoralräten sowie an
Diözesansynoden und Teilkonzilien. In diesem Sinn haben die Synodenväter
geschrieben: »Die Frauen sollen ohne jegliche Diskriminierung auch bei
Konsultationen und bei der Erarbeitung von Entscheidungen am Leben der Kirche
teilnehmen«.(192) Und weiter: »Die Frauen, denen bei der Weitergabe des
Glaubens und bei allen Arten von Diensten im Leben der Kirche eine bedeutende
Aufgabe zukommt, müssen bei der Vorbereitung von Pastoraldokumenten und von
missionarischen Initiativen herangezogen werden. Sie sollen in Familie, Beruf
und in der bürgerlichen Gemeinschaft als Mitarbeiterinnen an der Sendung der
Kirche anerkannt werden«.(193)
Auf den spezifischen Gebieten der Evangelisierung und der
Katechese muß die besondere Aufgabe der Frau bei der Weitergabe des Glaubens
nicht nur in der Familie, sondern auch an den verschiedenen Orten, an denen
Erziehung geschieht, gefördert werden. Darüber hinaus muß in allem, was das
Aufnehmen von Gottes Wort, sein Verständnis und seine Weitergabe betrifft -
auch durch Studium, Forschung und Lehren der Theologie -, der spezifische
Beitrag der Frau aufgewertet werden.
Wenn sie ihre Aufgabe in der Evangelisierung erfüllt,
spürt die Frau ein größeres Bedürfnis, evangelisiert zu werden. Mit den
erleuchteten »Augen des Herzens« (vgl. Eph 1, 18) kann sie das, was
wahrhaft ihrer Personwürde und Berufung entspricht, erkennen. Sie vermag, es
von all dem zu unterscheiden, was sie - vielleicht unter dem Vorwand dieser
»Würde« und im Namen der »Freiheit« und des »Fortschrittes« - veranlaßt, sich
für die moralische Degradierung der Menschen und Gesellschaften verantwortlich
zu machen, anstatt der Förderung der authentischen Werte zu dienen. Eine solche
»Unterscheidung« stellt eine unaufschiebbare historische Notwendigkeit dar. Sie
ist zugleich Chance und Forderung der Teilhabe der Frau am prophetischen Amt
Christi und seiner Kirche. Die »Unterscheidung«, von der der Apostel Paulus oft
spricht, besteht nicht nur in der Bewertung der Wirklichkeiten und der
Geschehnisse im Licht des Glaubens; sie schließt auch Entscheidung und
Verpflichtung zum konkreten Engagement in Kirche und Gesellschaft ein.
Man kann heute sagen, daß alle Probleme der modernen
Welt, von denen schon im zweiten Teil der Konzilskonstitution Gaudium et
Spes die Rede ist, und die die Zeit in der Tat weder gelöst noch verringert
hat, die Präsenz und das Engagement der Frauen mit ihrem typischen und
unersetzlichen Beitrag fordern.
Vor allem zwei große, der Frau anvertraute Aufgaben
verdienen die besondere Aufmerksamkeit aller.
Zunächst die Aufgabe, dem Eheleben und der
Mutterschaft die volle Würde zu verleihen. Heute werden der Frau neue
Möglichkeiten geschenkt, zu einem tieferen Verständnis und einer volleren
Realisierung der menschlichen und christlichen Werte, die das Eheleben und die
Erfahrung der Mutterschaft schenken, zu gelangen. Auch der Mann - der Ehemann
und der Vater - kann von einem weitgehenden Absentismus und einer sporadischen
und unzureichenden Präsenz Abstand nehmen. Er kann sich gerade durch das
gezielte, liebevolle und entscheidende Tun der Frau in neue und
bedeutungsträchtige Beziehungen einer interpersonalen Gemeinschaft einlassen.
Ferner die Aufgabe, die moralische Dimension der
Kultur zu sichern, die Dimension einer Kultur, die des Menschen, seines
persönlichen und gesellschaftlichen Lebens würdig ist. Das II.
Vatikanische Konzil scheint die moralische Dimension der Kultur mit der
Teilhabe der Laien an der königlichen Sendung Christi zu verbinden: »Außerdem
sollen die Laien, auch in Zusammenarbeit, die Einrichtungen und Verhältnisse der
Welt, da wo Gewohnheiten zur Sünde aufreizen, so zu heilen suchen, daß dies
alles nach der Norm der Gerechtigkeit umgestaltet wird und der Ausübung der
Tugenden eher förderlich als schädlich ist. Auf diese Weise erfüllen sie die
Kultur und die menschlichen Leistungen mit sittlichem Wert«.(194)
In dem Maß, als die Frau aktiv und verantwortlich an den
Aufgaben der Institutionen teilnimmt, von denen die Gewährleistung des Primates
der menschlichen Werte im Leben der politischen Gemeinschaften abhängt, weisen
die Aussagen des Konzils auf ein bedeutsames Apostolatsfeld der Frau. In allen
Dimensionen des Lebens dieser Gemeinschaft, angefangen von der
gesellschafts-wirtschaftlichen bis hin zur soziopolitischen, müssen Personwürde
der Frau und ihre spezifische Berufung respektiert und gefördert werden: auf
individueller und gemeinschaftlicher Ebene, nicht nur in Formen, die der
verantwortlichen Freiheit der einzelnen überlassen werden, sondern auch in den
gesicherten Formen gerechter bürgerlicher Gesetzgebung.
»Es ist nicht gut, daß der Mensch allein bleibt. Ich will
ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht« (Gen 2, 18). Gott, der
Schöpfer, hat den Menschen der Frau anvertraut. Gewiß ist der Mensch jedem
Menschen anvertraut, aber auf besondere Weise der Frau. Denn sie scheint von
der besonderen Erfahrung der Mutterschaft her eine spezifische Sensibilität
für den Menschen und für alles, was sein wahres Wohl ausmacht, angefangen
vom fundamentalen Wert des Lebens zu besitzen.
Die Chancen und die Verantwortung der Frau auf diesem
Gebiet sind groß, gerade in einer Zeit, in der der Fortschritt von Wissenschaft
und Technik nicht immer von der wahren Weisheit inspiriert und an ihr gemessen
wird. Er schließt das Risiko der »Dehumanisierung« des menschlichen Lebens ein,
vor allem dann, wenn es einer noch größeren Liebe und hochherzigeren Aufnahme
bedürfen würde.
Die Teilnahme der Frau mit ihren Gaben am Leben der
Kirche und Gesellschaft ist notwendiger Weg zu ihrer persönlichen
Verwirklichung, auf die man heute mit Recht besteht. Sie ist zugleich ihr
origineller Beitrag zur Bereicherung der communio der Kirche und der
apostolischen Kraft des Volkes Gottes.
In diesem Sinn muß auch die Präsenz des Mannes an der
Seite der Frau bedacht werden.
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