Kranke und Leidende
53. Der Mensch ist zur Freude berufen, erfährt aber
täglich auf vielfältige Weise Leid und Schmerz. An alle, Männer und Frauen, die
auf irgendeine Weise von Leid und Schmerz getroffen sind, haben die
Synodenväter sich in ihrer Schlußbotschaft gerichtet: »Ihr, die ihr von unserer
konsumistischen Gesellschaften verlassen und an den Rand gedrückt seid: Ihr
Kranke, Auswanderer, Behinderte, Arme, Hungernde, Randgruppen, Flüchtlinge,
Gefangene, Arbeitslose, alte Menschen, verlassene Kinder und Vereinsamte, ihr,
Kriegsopfer und Opfer aller Formen von Gewalt, die unsere permissive
Gesellschaft hervorgebracht hat. Die Kirche nimmt Anteil an eurem Leid, das
euch zum Herrn führt, das euch mit seinem heilbringenden Leiden vereinigt und
euch im Licht seiner Erlösung leben läßt. Wir verlassen uns auf euch, um der
Welt zu zeigen, was die Liebe ist. Wir werden unser Möglichstes tun, damit ihr
den Platz einnehmen könnt, der euch in der Kirche und in der Gesellschaft
zusteht«.(198)
Im Rahmen dieser schier grenzenlosen Welt des
menschlichen Leidens wenden wir uns besonders all denen zu, die von
verschiedenen Krankheiten getroffen sind. Krankheit ist die häufigste und weit
verbreiteste Form menschlichen Leidens.
Der Ruf des Herrn trifft alle und jeden einzelnen. Auch
die Kranken sind als Arbeiter in seinen Weinberg gesandt. Die Last, die den
Körper schwächt und die innere Ruhe nimmt, hindert sie nicht daran, im Weinberg
zu arbeiten. Sie fordert sie auf, ihre menschliche und christliche Berufung zu
leben und auf neue, noch wertvollere Weise am Wachstum des Reiches
teilzunehmen. Sie müssen sich die Worte des Apostels Paulus zum Programm
machen, Worte, die Licht schenken, um die gnadenhafte Bedeutung ihrer Situation
zu erkennen: »Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen
Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt« (Kol 1, 24). Diese
Entdeckung erfüllt den Apostel mit Freude: »Jetzt freue ich mich der Leiden,
die ich für euch ertrage« (Kol 1, 24). In ähnlicher Weise können viele
Kranke »trotz großer Bedrängnis« zu Trägern der Freude, »die der Heilige Geist
gibt« (1 Thess 1, 6), und zu Zeugen der Auferstehung Christi werden. Das
hat ein Behinderter in der Synodenaula zum Ausdruck gebracht: »Es muß
hervorgehoben werden, daß die Christen, deren Leben Krankheit, Schmerz oder
hohes Alter zeichnet, von Gott nicht nur dazu aufgefordert werden, ihren
Schmerz mit dem Leiden Christi zu vereinen, sondern auch dazu berufen sind,
jetzt schon die erneuernde Kraft und die Freude des auferstandenen Christus
aufzunehmen und anderen weiterzugeben (vgl. 2 Kor 4, 10-11; 1 Petr 4,
13; Röm 8, 18 ff.)«.(199)
Die Kirche ihrerseits, die - wie in dem Apostolischen
Schreiben Salvifici Doloris zu lesen ist - »aus dem Geheimnis der
Erlösung im Kreuz Christi geboren wird, muß die Begegnung mit dem
Menschen vor allem auf dem Weg seines Leidens suchen. Bei dieser
Begegnung wird der Mensch »der Weg der Kirche«; und dieser Weg gehört zu ihren
bedeutendsten Wegen«.(200)
Der leidende Mensch ist der Weg der Kirche, weil er vor allem der Weg Christi selbst, des guten
Samariters ist, der nicht »weitergeht«, sondern aus Mitleid »zu ihm hinging ...
seine Wunden ... verband« und für ihn sorgte (Lk 10, 32-34).
Die christliche Gemeinschaft hat von Jahrhundert zu
Jahrhundert in den großen Scharen der Kranken und Leidenden das Gleichnis des
guten Samariters aus dem Evangelium neu geschrieben. Sie hat die heilende und
tröstende Liebe Jesu geoffenbart und weitergegeben durch das Zeugnis des
gottgeweihten Lebens, das sich dem Dienst der Kranken widmet, und durch den
unermüdlichen Einsatz aller, die im Gesundheitswesen arbeiten. Heute stellen
auch in den katholischen Krankenhäusern und Kliniken die Laien, Männer und
Frauen, die immer stärkere und zuweilen einzige Präsenz dar. Gerade sie, die
Ärzte, Krankenpfleger, Pflegehelfer, freiwillige Helfer sind dazu berufen, in
der Liebe zu den Kranken und Leidenden ein lebendiges Abbild Christi und seiner
Kirche zu sein.
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