Lebensstände und Berufungen
55. Alle Glieder des Volkes Gottes, Priester, Ordensleute
und Laien, sind Arbeiter im Weinberg: Alle sind zugleich Adressaten und
Subjekte der communio der Kirche und der Teilhabe anihrer Heilssendung. Alle
und jeder einzelne arbeiten mit verschiedenen komplementären Charismen und
Diensten in dem einen und gemeinsamen Weinberg.
Mehr noch als auf der Ebene des Wirkens sind die
Christen schon auf der Ebene des Seins Reben des einzigen fruchtbaren
Weinstocks, der Christus ist. Sie sind lebendige Glieder des einen Leibes des
Herrn, der sich in der Kraft des Geistes aufbaut. Diese Seinsebene umfaßt nicht
nur das Leben der Gnade und der Heiligkeit, das erste und reichste Quelle der
apostolischen und missionarischen Fruchtbarkeit der heiligen Mutter Kirche ist.
Sie umfaßt auch den Lebensstand der Priester und der Diakone, den der
Ordensleute, der Mitglieder von Säkularinstituten und der Laien.
In der Kirche als communio sind die Lebensstände derart
aufeinander bezogen, daß sie aufeinander ausgerichtet sind.
Der tiefste Sinn der verschiedenen Lebensstände ist nur
einer und allen gemeinsam: Ihnen allen ist aufgegeben, eine Modalität
darzustellen, nach der die gleiche christliche Würde und die Beruf ung zur
Heiligkeit in der Vollkommenheit der Liebe gelebt werden. Diese Modalitäten
sind zugleich verschieden und komplementär. So hat jede von ihnen eigene
und unverwechselbare Züge und steht doch in Beziehung zu den anderen und in
ihrem Dienst.
Der Laienstand hat im Weltcharakter seine
Spezifizität. Er dient der Kirche dadurch, daß er den Stellenwert der irdischen
Wirklichkeiten im Heilsplan Gottes Priestern und Ordensleuten bezeugt und
präsent macht. Das Amtspriestertum repräsentiert die bleibende Garantie
der sakramentalen Präsenz Christi, des Erlösers, zu allen Zeiten und an allen
Orten. Der Ordensstand gibt Zeugnis vom eschatologischen Charakter der
Kirche, das heißt von ihrem Ausgerichtetsein auf das Reich Gottes, das durch
die Gelübde der Jungfräulichkeit, der Armut und des Gehorsams in gewisser Weise
vorweggenommen und gekostet wird.
Alle Lebensstände, zusammen oder einzeln genommen und in
ihrer Beziehung zueinander betrachtet, stehen im Dienst des Wachstums der
Kirche und stellen verschiedene Modalitäten dar, die ihre Einheit zutiefst »im
Geheimnis der communio« der Kirche finden. Sie müssen bei der Erfüllung der
einen Sendung harmonisch und dynamisch zusammenwirken.
In der Verschiedenheit der Lebensstände und in der
Vielfalt der Berufungen enthüllt und erlebt das einzige und bleibende Geheimnis
der Kirche aufs Neue den unendlichen Reichtum des Geheimnisses Jesu Christi.
Wie die Väter es gerne wiederholen, ist die Kirche wie ein Feld, auf dem
eine faszinierende und wunderbare Vielfalt von Kräutern, Pflanzen, Blumen und
Früchten wächst. Der heilige Ambrosius schreibt: »Ein Feld kann viele Früchte
geben, aber ein an Früchten und Blumen reiches Feld ist besser. Das Feld der
heiligen Kirche ist reich an den einen wie an den anderen. Hier kannst du die
Edelsteine der Jungfräulichkeit Blumen tragen sehen, dort die Herrschaft der
Witwen, streng wie die Wälder auf den Ebenen; wieder weiter die reiche Ernte
der Ehen, die die Kirche gesegnet hat, die die Kammern der Welt mit reicher
Ernte füllt und die Kelter des Herrn Jesus überfließen läßt, wie gefüllt mit
Früchten des lebenskräftigen Weinstocks, mit den Früchten, mit denen die
christlichen Ehen reich gesegnet sind«.(203)
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